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Neurosexismus

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Wissenschaftler/innen untersuchen seit Jahren die Unterschiede zwischen weiblichen und männlichen Gehirnen. Doch wann schaffen es die Ergebnisse wohl in die breite Öffentlichkeit und werden von der Presse aufgegriffen: Wenn prägnante Unterschiede gefunden werden oder wenn sich herausstellt, dass es eigentlich keine Unterschiede gibt?

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn keine Unterschiede gefunden werden, landen Studien offensichtlich häufig in irgendeiner Schublade und werden „vergessen“. So war das in der Vergangenheit. Cordelia Fine ist diesem Phänomen in ihrem Buch „Die Geschlechterlüge“ mit wissenschaftlicher Akribie nachgegangen. Dabei hat sie herausgefunden, dass es keine angeborenen geschlechtsspezifischen Unterschiede gibt, wenn alle wissenschaftlichen Ergebnisse herangezogen und verglichen werden.

Es gibt jedoch einen „neumodischen“ wissenschaftlichen Trend, Unterschiede zu finden und neurologisch zu erklären. Fine nennt das Neurosexismus. In Wirklichkeit nämlich entstehen Unterschiede in den Ergebnissen durch Erwartungshaltungen, gesellschaftlich geprägte Unterschiede und geschlechtsunterschiedliche Motivationen der Proband/inn/en. So lässt sich auch die seit Langem als gesichert geltende Erkenntnis, dass Männer und Frauen die linke und die rechte Gehirnhälfte unterschiedlich nutzen, lediglich durch Unterschiede in der frühkindlichen Erziehung erklären.

Begonnen hat diese wissenschaftliche Irrfahrt schon 1873 mit dem Buch von E. Clark „Das Geschlecht im Bildungswesen – oder: Eine gerechte Chance für Mädchen“. Anstatt eine Lanze für die Gleichberechtigung zu brechen, kam der Harvardprofessor zu dem Ergebnis, geistige Arbeit entziehe den Eierstöcken wichtige Energie. Im weiteren Verlauf der Wissenschaftsgeschichte sind die Erklärungsversuche zwar besser, aber nicht richtiger geworden.

Mit den Erkenntnissen von Cordelia Fine lassen sich auch die heutigen besseren Schulnoten der Mädchen erklären. Sie haben eine höhere sprachliche Kompetenz, weil Mütter in der Früherziehung mit Mädchen mehr reden als mit Jungen. Gerade das zeigt, dass beide Geschlechter nicht gleich sind, aber von Anfang an gleich behandelt werden müssen.

Auch zur Frage, ob wir heute eine Quote brauchen, liefert Fine ein schönes Beispiel. Wissenschaftliche Mitarbeiter einer Universität sollten aus zwei fiktiven Bewerbungen – einer Frau und einem Mann – die geeignetste Person aussuchen. Bei ansonsten völlig identischem Lebenslauf entschieden sie sich mehrheitlich für den Mann.

Als Gleichstellungsbeauftragte hätten wir für diese Erkenntnis allerdings keine Studie gebraucht. Das ist unser täglich Brot, besonders wenn es um Führungspositionen geht.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring 

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