„Niemals würde ich klagen“ (I)
Liebe Leserin, lieber Leser,
mit dem Thema Klagen habe ich mich hier schon häufiger beschäftigt, weil es mir notwendig schien1. Ich möchte gerne etwas Mut machen, diesen Weg zu gehen.
Richtig ist sicher, dass jede Gleichstellungsbeauftragte für sich entscheiden muss, ob sie ein Klageverfahren aushalten kann und durchstehen will, auch wenn die Rechtslage ganz klar für sie spricht.
In einer Klagen-unerfahrenen Behörde ist es manchmal in der Tat nicht einfach. Das Eingehen der Klageschrift kann einen Schock auslösen, der schnell in Ärger umschlagen und in Ausbrüchen gegenüber der mutigen GB oder gar „Liebesentzug“ münden kann.
Doch bitte, liebe Kolleginnen, vergessen Sie nicht: Die „Liebe“ gegenüber einer Gleichstellungsbeauftragten hält sich in der Regel ohnehin in Grenzen und wo keine „Liebe“, da auch kein Entzug. Auch müssen wir Frauen uns davon frei machen, von allen „geliebt“ werden zu wollen. Von den Wählerinnen gerne, aber generell und besonders von Dienststellen sollten wir lieber respektiert als „geliebt“ werden. Letzteres macht uns eher verdächtig.
Und eine Klage kann uns genau diesen Respekt durchaus verschaffen. Denn oft reicht ein „Zeigen der Instrumente“ allein einfach nicht aus. Drei Mal Einspruch und die Gleichstellungsbeauftragte macht dann jeweils nichts mehr, lässt die Dienststelle schnell und richtig schlussfolgern, dass die sich nicht traut. Das stärkt die Position der Gleichstellungsbeauftragten nicht unbedingt.
Kompromisswille ist gut und sollte so lange wie möglich an den Tag gelegt werden, besonders wenn für beide Seiten ein Erfolg erkennbar ist, d.h. wir eine win-win-Situation generieren können. Aber es gibt Situationen, in denen eine Dienststelle einfach blockiert oder offensichtlich gemachte Fehler nicht zugibt. Auch wenn erkennbar wird, dass sich fehlerhafte Verfahren wiederholen werden, müssen wir als Gleichstellungsbeauftragte und „Sachwalterinnen der im BGleiG festgelegten Ziele“ (BVerwG 2007) Zeichen setzen.
Zudem können wir eine Klage auch sportlich sehen. Klagen wir, haben wir Mut bewiesen – immer vorausgesetzt, der Fall lässt ein Urteil im Sinne der Gleichstellungsbeauftragten zumindest möglich erscheinen. Der Rest gehört ins Land der Maxime: „Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes (Göttinnen?) Hand“.
Und selbst wenn wir verlieren – so what? Dann haben wir es zumindest versucht, wollten das Beste im Sinne des Gesetzes und haben auch in der Niederlage Klarheit bei seiner Auslegung erreicht. Auch das ist ein Signal an unsere Wählerinnen. Hier ist eine, die sich einsetzt, die kämpft!
Das waren auch meine weiteren Ziele bei meinen Klagen betreffend eine GB-Beteiligung bei herausgehobenen und/oder politischen Beamt/inn/en2. Hätte ich verloren, wäre die Sache klar gewesen und ich hätte mich um diese ärgerliche Frage, die in jeder Legislatur alle politisch Verantwortlichen zur Weißglut treibt, nicht mehr kümmern müssen. So aber habe ich gewonnen und das erfordert Aushalten des ministeriellen Ärgers und – im Sinne des Gesetzes – Weiterkämpfen mit Blick auf mehr Frauen in Führungspositionen. Das ist unsere Aufgabe.
Lächerlich oder unglaubwürdig machen wir uns mit einer Klage nur, wenn wir sinnlos streiten, unsere Position argumentativ nicht vertreten können und mit der Brechstange vor Gericht ziehen, ohne uns vorher vernünftig mit den Verantwortlichen der Dienststelle zusammen- und auseinandergesetzt zu haben. Vor diesem Hintergrund möchte ich gerne allen GB-Kolleginnen mit Hedwig Dohm zurufen: „Mehr Mut, ihre Frauen!“3.
Zum weiteren Pro und Contra einer Klage in der nächsten Woche mehr, denn ich kenne die unzähligen Vorbehalte aus vielen Gesprächen.
Mit aus Erfahrung überzeugten Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 siehe Blogs „Beklagenswert klaglos“ vom 8.10.2012, „Beteiligungsverfahren nach dem BGleiG (13)“ vom 18.11.2013 und „...(17) Reine Nervensache“ vom 20.1.2014 sowie „Gleichstellung ist – manchmal – Sisyphosarbeit“ vom 29.06.2015
2 http://www.berlin.de/sen/justiz/gerichte/vg/presse/archiv/20140508.1440.397045.html
3 Siehe Blog „Schwestern von gestern (3) – Hedwig Dohm“ vom 29.10.2012
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