rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

„Niemals würde ich klagen“ (II)

Jetzt bewerten!

Klagen oder Nicht-Klagen – das ist für viele Gleichstellungsbeauftragte, aber auch für Beschäftigte im öffentlichen Dienst oft eine kritische Frage (s. Blog von letzter Woche). Rechte wurden verletzt oder man/frau fühlt sich gravierend, im besten Falle juristisch nachweisbar ungerecht behandelt. Die Argumente sind ausgetauscht, es gibt nichts mehr zu verhandeln und der Frust ist groß. Die Gründe für eine Klage sind also gut, aber was tun?

Wenn eine rechtsichere Klärung der Streitfrage auch für die Zukunft herbeigeführt werden soll und/oder wenn es für die Betroffenen eine Frage des „Sich-selber-treu-Bleibens“, d.h. der Psychohygiene ist, rate ich dazu, eine Klage zumindest ernsthaft zu prüfen. Nichts ist schlimmer, als später vergangenen Chancen nachzuweinen.

Liebe Leserin, lieber Leser,

ich habe im Rahmen von Klageverfahren zwei Erfahrungen gemacht: Zum einen können auch Verwaltungen manchmal (ggf. auch erst) bei der zweiten Klage entspannen und sie sportlich nehmen – zumindest wenn ein einigermaßen vernünftiger Mensch an der Spitze der Verwaltung steht und (ggf. als Jurist/in) erkennt, dass Gerichte genau dafür da sind: Recht zu sprechen und Klarheit zu schaffen.
Zum anderen ziehen sich die Verfahren vor den Verwaltungsgerichten so lange hin, dass in der Zwischenzeit der Schreck abklingt und zunächst im Ping-Pong-Verfahren Stellungnahme und Gegenstellungnahme erfolgen müssen. Das entzerrt den K(r)ampf und die Klage wird Alltag.

Die Länge eines Verfahrens wurde mir schon oft als Grund gegen eine Klage vorgehalten, die sich deswegen gerade für eine Gleichstellungsbeauftragte nicht lohne. Ich stimme insofern zu, als das Warten ärgerlich ist. Ich habe es ja selbst mehrfach erlebt. Mit minimum zwei Jahren musste ich immer rechnen.

Allerdings bringt hier das Lamentieren nichts. Es ist einfach nicht zu ändern, so lange die Verwaltungsgerichte so überlastet sind. Daher wurde von einem Experten im Rahmen der BGleiG-Neufassung auch vorgeschlagen, Klagen von Gleichstellungsbeauftragten in die Zuständigkeit der Arbeitsgerichte zu verlagern, u.a. weil es dort wesentlich schneller geht. Eine hervorragende Idee, die aber leider nicht zustande kam.

Die Länge eines Verfahrens ist also unvermeidbar und dahinter sollten wir uns nicht verstecken. Auch auf Besserung hoffen, hat uns nichts gebracht. Bei der Neufassung des Bundesgleichstellungsgesetzes – die größte Enttäuschung in meinem GB-Leben – wurde nichts, aber auch gar nichts getan, um die Gleichstellungsbeauftragte in dieser Hinsicht besser zu unterstützen: Keine Klagemöglichkeit bei Verstößen gegen den Gleichstellungsplan, keine Unwirksamkeit einer Maßnahme bei unterbliebener GB-Beteiligung, keine Regelung zur Einholung von anwaltlichem Rat im Vorfeld von Einsprüchen oder außergerichtlichen Einigungsverfahren, um so ggf. sogar Klagen vermeiden zu können. Nichts. Wir Gleichstellungsbeauftragte, in der Regel keine Juristinnen, müssen weiter mit der „Kraft unserer Wassersuppe“ agieren.

Den Blog „Beklagenswert klaglos“ kommentierte eine Kollegin am 09.10.2012: „Ich bin jedoch - ... - der Meinung, wegweisend für die Zukunft brauchen wir Urteile, die eine Klarheit aufzeigen.“ Richtig, so sehe ich das auch. Anders werden wir nach dieser „Novellierung“ des Bundesgleichstellungsgesetzes nicht vorankommen.

Die Ausgangsaussage „Niemals würde ich gegen meine Dienststelle klagen“ bleibt für mich daher nicht nachvollziehbar. Ich kann sie mir nur als Entlastungsvorwurf erklären, weil der eigene Mut fehlt. Es kann immer die o.g. Situationen geben, in denen es Rechtslage und Psychohygiene einfach erfordern, Flagge zu zeigen und gegen Ungerechtigkeit vorzugehen. Für sich einen solchen Schritt so kategorisch auszuschließen, kommt nach meiner Wahrnehmung Feigheit – oder freundlicher formuliert Mutlosigkeit – ziemlich nahe.

Zudem sanktioniert man/frau damit Entscheidungen, die eventuell nicht nur fragwürdig sind, sondern vielleicht sogar gegen geltendes Recht verstoßen. Das kann gerade ein Beamter oder eine Beamtin nicht wirklich wollen. Bei aller Loyalität gegenüber der eigenen Dienststelle, d.h. dem sogenannten Dienstherrn oder einzelnen Vertreter/inne/n (vor allem wenn sie parteipolitisch etwas zu blind sind) muss immer auch eine kritische Distanz bleiben.

Seit den ersten umfassenden gesetzlichen Regelungen des Berufsbeamtentums im Preußischen Allgemeinen Landrecht von 1794 ist „der Beamte“ nicht mehr „Diener seines Fürsten, sondern Diener des Staates“. Das Allgemeinwohl steht ganz oben, nicht Eigeninteressen oder Parteimaximen.

Eine Klage kann daher auch ein bewusster Akt beamtischer Pflicht sein, auch wenn das vielleicht etwas weithergeholt klingt und das Wegducken schwieriger macht. Wenn nie etwas passiert, Beschäftigte oder auch speziell Gleichstellungsbeauftragte nichts gegen falsche Entscheidungen unternehmen, wird ein falsches Signal gegeben. Dann weiß eine Verwaltung, dass sie machen kann, was sie will, und genau das schadet uns allen: Behördenwillkür war noch nie eine gute Idee.

In diesem Sinne mit aufmunternden Grüßen

Ihre Kristin Rose-Möhring

Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
Twitter-Icon

Folgen Sie uns auch auf Twitter!
Wir informieren Sie rund um das Thema Gleichstellungrecht.
https://twitter.com/GleichstellungR

banner-gleichstellungs-und-gleichbehandlungsrecht.png
rehm_e-line_banner_355x355_L1_Var1.jpg
SX_LOGIN_LAYER