Prekär beschäftigt im öffentlichen Dienst
Liebe Leserin und lieber Leser,
hier hat sich in den vergangenen Jahren und Jahrzehnten einiges gravierend verändert. Im Folgenden einige Beispiele:
Gehörten früher die Beschäftigten in der Kantine oder der Hausmeisterei, die Reinigungskräfte, Bot/inn/en und Pförtner/innen zum sogenannten Personalkörper und waren uns namentlich bekannte Kolleginnen und Kollegen, sind sie heute längst „outgesourcet“ und werden von ihren Anstellungsfirmen zum Teil gnadenlos ausgebeutet und schlecht bezahlt.
Heute kennen wir die Menschen – überwiegend Frauen – kaum noch, die uns das Mittagessen aushändigen, unsere Büros putzen und die wenige verbleibende Papierpost bringen. Und formal zuständig ist für sie in der Behörde, in der sie in Minijobs oder für wenig Lohn arbeiten, niemand: kein Personalrat, keine Vertrauensperson der schwerbehinderten Menschen und auch keine Gleichstellungsbeauftragte.
Auch für die tatsächlich in öffentlichen Dienststellen Beschäftigten ist die Situation schwieriger geworden: Permanente Umorganisationen, Auflösungen, Zusammenlegungen und auch örtliche Verlagerungen von Dienststellen zerreißen die Arbeitszusammenhänge und die sozialen Netze, die insbesondere für die Menschen wichtig sind – auch hier überwiegend Frauen, oft Mütter im einfachen und mittleren Dienst – die versuchen, die politisch vielgepriesene Vereinbarkeit von Beruf und Familie im Alltag zu leben. Lange Anreisewege zu neuen Dienststellen und/oder Arbeitsorten zwingen sie immer wieder zu organisatorischen Kunststückchen, die Zeit, Kraft und Geld kosten.
Schließlich verunsichert die Häufung befristeter Arbeitsverhältnisse, die Suche nach immer wieder neuen Anstellungsbehörden die Betroffenen in ihrer Lebens- und Familienplanung, und bringt selbst Beschäftigte in schwierige Situationen, die sehr gute Qualifikationen haben und im vergleichbar gehobenen und höheren Dienst von ihrem Einkommen eigentlich gut leben können müssten. Tarifbeschäftigte fangen u.U. bei jeder neuen Dienststelle in der ersten Erfahrungsstufe der untersten Entgeltgruppe ihrer „Laufbahn“ E 5, 9 oder 13 wieder von vorne an.
Sind diese Kolleginnen und Kollegen dann auch noch teilzeitbeschäftigt – und sowohl die Befristung als auch die Teilzeitbeschäftigung trifft mehrheitlich Frauen – wird es richtig prekär. Selbst für eine halbtags Beschäftigte mit Hochschulabschluss in E 13 Erfahrungsstufe 1* wird es mit netto gut 1.100 € sehr schwierig, ihren Alltag zumal in einer Großstadt zu finanzieren, von 50% E 9 mit knapp 900 € oder gar 50% E 5 mit gut 760 € gar nicht zu reden.
Dazu kommt, dass befristet Beschäftigte leicht ausbeutbar sind, denn sie hoffen auf Entfristung und leisten daher „bereitwillig“ die unzähligen Mehrarbeitsstunden, die angeblich erforderlich sind.
Doch: Ausbeutung im öffentlichen Dienst gibt es offiziell nicht. Da sei die Fürsorgepflicht vor! Und schließlich ist ja angeblich auch die öffentliche Hand einer wirtschaftlichen Haushaltsführung verpflichtet. Da werden Probleme gerne mal auf Dienstleister, d.h. die Privatwirtschaft abgeschoben. Das ist prekär, sehr prekär und eines öffentlichen Dienstes nicht würdig.
Herzlich
Ihre Kristin Rose-Möhring
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