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Quo vadis, Gleichstellung?

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Schon lange haben die Zeitungen nicht mehr so viel über Frauenthemen berichtet wie in den vergangen zwei, drei Jahren:

Quote in jeder Form – flexi oder starr; Frauenförderung – im öffentlichen Dienst oder in der Privatwirtschaft; Frauen in Führungspositionen - allgemein oder in den Dax 30-Unternehmen; Teilzeit - Chance oder Falle, Vereinbarkeit von Beruf und Familie, Rollenvorbilder, Karrierefrauen, Heimchen am Herd, Rabenmütter, Latte Macchiato-Mütter und, und, und. All das bewegt die veröffentlichte Meinung Tag aus, Tag ein. Selbst sogenannte „Edelfedern“ wie Heribert Prantl von der Süddeutschen Zeitung schreiben dazu Leitartikel und plädieren für gesetzliche Quoten. Toll, wie sich die Zeiten ändern.

Liebe Leserin, lieber Leser,

doch wo stehen wir wirklich, besser: Wo gehen wir hin? Jede Gleichstellungsbeauftragte kämpft täglich ihren kleinen Kampf um jede Einzelbeförderung, Stellenbesetzung, Teilzeitchance. Die große Politik diskutiert sich die Köpfe heiß. Vorschläge, Gesetzentwürfe, Fachtagungen, Koordinierungsrunden, Foren mit der Wirtschaft, Kompromissdebatten, Kungelgespräche, Drohgebärden einzelner Politiker (selten Politikerinnen) – das Rad dreht sich und einige scheinen schon recht wirr, wohin die Reise eigentlich gehen soll.

„Vorwärts“ müsste die Devise lauten, die meiner Meinung nach einzige Richtung für Gleichstellung, aber der Alltag sieht anders aus: Man(n) traut sich wieder, rückwärts zu denken. Alte Klischees werden wieder aus der Mottenkiste geholt und ich fühle mich derzeit wie in einem Gleichstellungs-„Backlash“, d.h. einer Rückentwicklung gegenüber Zeiten, in den Gleichstellung Fortschritte machte. Besonders deutlich ist das bei der Vereinbarkeit von Beruf und Familie, genauer bei der Vereinbarkeit von beruflichen und privaten Interessen.

In den letzten 20 Jahren haben die ewig Gestrigen sich kaum noch getraut, ihre überholten Vorstellungen laut zu äußern, aber nun traut man(n) sich wieder. Wir Gleichstellungsbeauftragten, wir Vor-Ort-Arbeiterinnen hören in den Dienststellen Sätze wie „von Teilzeit habe ich noch nie was gehalten“ oder „Schöne Projekte können Sie in Teilzeit ja nicht machen und da kann ich Sie auch nicht gut beurteilen“. Und auch Vollzeit’ler/innen mit familiären Verpflichtungen kommen nicht zu kurz: „Sie sind ja zeitlich nicht flexibel“. Für all diese zeitlich Gebeutelten, aber auch für die, die sich einfach nur nicht permanent zeitlich ausbeuten (lassen) wollen, lautet die mehr oder weniger versteckte Botschaft „Du hast deine Prioritäten falsch gesetzt. Wenn Familie und/oder Freizeit dir wichtiger sind, können wir dich in Führungspositionen oder für verantwortungsvolle Aufgaben nicht brauchen.

Da fragt frau sich schon, wohin all die Umdenkungsprozesse der 1980er, 1990er und auch noch 2000er Jahre entschwunden sind. Für Menschen, denen Worte wie Gleichberechtigung, Gleichstellung, Feminismus d.h. Befreiung von alten Klischees, und vor allem deren Inhalte wichtig sind, ist die Gegenwart eine schwierige Zeit.

Erreichtes scheint ins Wanken zu kommen, Gleichstellungs-Idealvorstellungen kippen zurück. Da wird Emanzipation zum Dilemma; Dil-EMMA-nzipation sozusagen.

Doch ich bin sicher: Die Zeiten werden sich wieder ändern; es gibt immer einen Silberstreifen am Horizont und wenn wir ihn uns selber malen müssen. Die Hoffnung stirbt zuletzt.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring


1SZ vom 11.6.2012 „Die Kraft der Quote“

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