Rückschläge und Vorschläge
Liebe Leserinnen und liebe Leser,
Widerstand gegen die Gleichstellung und Versuche, erreichte Fortschritte wieder zu kippen, gab es auf dem langen Weg immer und es wird ihn sicher auch weiter geben. Gut, dass auch die zuständige Bundesministerin das erkannt hat und kommuniziert. Sie hat ebenfalls wahrgenommen, dass Hassparolen im Netz und Drohungen gegen Gleichstellungsengagierte, Fraueninitiativen und Gleichstellungsbeauftragte zunehmen. Davon kann auch ich ein Lied singen.
Was Zukunftsvisionen angeht, habe ich bezüglich der Gleichstellung eine klare Vorstellung, die nur ein weiteres Voranschreiten, aber niemals einen Rückschritt zulässt. Frau Ministerin Dr. Giffey hat Recht, wenn sie darauf hinweist, dass historische Jubiläen auch die Gefahr bergen, dass man (frau) sich einander zufrieden der Bedeutung vergangener Erfolge versichert und sich einig ist, dass eigentlich viel mehr getan werden müsste.
Vorsicht bei diesem Konjunktiv! Es müsste nicht nur mehr getan werden, es muss mehr getan werden. Ja, wir haben schon einiges oder auch viel erreicht, aber Stillstand bedeutet Rückschritt.
Als Gleichstellungsbeauftragte im zuständigen Bundesministerium und als Vorsitzende des Interministeriellen Arbeitskreises der Gleichstellungsbeauftragten der obersten Bundesbehörden (IMA-GB) bekomme ich die gleichstellungspolitischen Entwicklungen an vorderster Front und aus erster Hand mit. Daher kann ich auch beurteilen, dass in Bezug auf Stillstand und Rückschritt das Bundesministerium an erster Stelle betroffen ist:
- Seit Einführung des BGleiG (a.F.) 2001 hatte in der Agenda der nachfolgenden Ministerinnen die Gleichstellung keine Priorität mehr.
- Die BGleiG-Novelle 2015 hat keinen Fortschritt gebracht und blieb weit hinter den gemachten Ankündigungen, den Forderungen und vor allem den Erwartungen zurück. Sie war nur Showbühne für Selbstinszenierung.
- Es wurde sogar versucht, über das BGleiG eine aktive Männerförderung einzuführen; das scheint auch jetzt wieder zu drohen.
- Absolute Zahlen sind bei weitem nicht alles, wie selbst ich im Frauenministerium wahrnehmen muss.
- Usw.
Meine Kolleginnen und ich fragen z.B. nach dem Verbleib eines wirklich effektiven Klagerechts für uns Gleichstellungsbeauftragte. Das könnte die Gleichstellung tatsächlich weit voranbringen. Jetzt besteht lediglich die relativ harmlose Möglichkeit, die Verletzung der eigenen Rechte im Nachhinein ohne weitere Folgen feststellen zu lassen. Ein umfängliches Klagerecht mit entsprechenden Rechtsfolgen und nicht beschränkt auf Verletzung von Beteiligungsrechten, sondern bezüglich aller Rechtsverletzungen bezogen auf das BGleiG wäre in der Hand einer engagierten Gleichstellungsbeauftragten ein effektives Mittel zur Förderung der Gleichstellung von Frauen mit Männern.
Zuständig ist das BMFSFJ. Die Gefahr der Stagnation und des Rückschritts wurde erkannt. Und nun? Trauen die Verantwortlichen den engagierten Gleichstellungsbeauftragten zu, dass sie von einem solchen Klagerecht gleich Gebrauch machen würden, und sind daher zögerlich?
Es gibt den Königinnen-Weg, nämlich die Möglichkeit, dass die Dienststellen sich an das Gesetz halten und den Gleichstellungsbeauftragten so diese Waffe aus der Hand schlagen.
Der gleichstellungspolitische Fortschritt wäre sogar für mich fast unvorstellbar.
Mit diesen traumhaften Visionen grüße ich Sie herzlich
Ihre Kristin Rose-Möhring
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