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Schwestern von gestern (11): Charlotte Perkins Gilman

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2015 müsste eigentlich das Charlotte Perkins Gilman-Jahr sein: Vor 155 Jahren – 1860 – wurde sie geboren, vor 80 Jahren – 1935 – starb sie im Alter von 75 Jahren und vor allem: Ihr wichtigster Roman erschien 1915, also vor 100 Jahren: „Herland“ – die Vision einer rein weiblichen Gesellschaft, in der Frauen in ihrem eigenen Land – Herland – ohne Krieg und Kampf friedlich zusammenleben.
Charlotte Perkins Gilman gilt als eine der bedeutendsten feministischen Schriftstellerinnen und Theoretikerinnen der USA.

Liebe Leserin, lieber Leser,

als in den 1970er und 1980er Jahren eine Vielzahl von Frauenromanen, -monographien und –biographien erschienen und mit feministischen Sachbüchern in den Buchhandlungen ganze Regalmeter füllten, entdeckte ich „Herland“ und verschlang es fasziniert. Danach vergaß ich den Namen der Autorin rasch wieder, wenn auch der Inhalt des Buches mir immer präsent geblieben ist. So ähnlich erging es auch Charlotte Perkins Gilman selbst.
Zu ihrer Zeit war sie eine landesweit bekannte Autorin, Rednerin und Feministin, aber selbst in ihrer Heimat USA war sie nach ihrem Tod so gut wie vergessen, bis im Zuge der modernen Frauenbewegung 1973 ihre autobiografische Erzählung „Die gelbe Tapete“ aus dem Jahr 1892 wieder aufgelegt und in den Folgejahren ihre schriftstellerische Arbeit und ihr Leben intensiv diskutiert wurden.

„Etwa drei Jahrzehnte, von 1890 bis 1920, arbeitete sie als Autorin und international gefragte Vortragsrednerin für die Sache der Frau. Sie war eine unermüdliche Arbeiterin, die ein so umfangreiches Werk hinterließ, daß frau sich beklommen fragt, wie sie dies zustandebrachte, ohne wieder zusammenzubrechen“, schreibt fembio, das virtuelle Frauengedächtnis im Internet, das an so viele hervorragende Frauen aller Länder erinnert und ihnen ein Denkmal setzt1. An Charlotte Perkins Gilman erinnerte fembio schon 2010 anlässlich ihres 75. Todestages in einem ungewöhnlich langen Artikel über ihr Wirken und ihre unermüdliche feministische Arbeit2.

Nach einer ärmlichen, unglücklichen und lieblosen Kindheit hatte Charlotte Perkins beschlossen, nicht zu heiraten. Sie tat es dann doch, aber das Leben als „Nur-Hausfrau“ und Mutter löste starke Depressionen aus und führte zu Nervenzusammenbrüchen. Erst nach der Trennung von ihrem Mann und später auch von ihrer Tochter begann ihre schriftstellerische Karriere mit der o.g. Erzählung „Die gelbe Tapete“, in der sie ihre Depressionserfahrungen verarbeitete. Sie wurde damit in Kalifornien, wohin sie nach der Trennung gezogen war, sehr rasch bekannt, galt aber in der lokalen Presse als gefährlich: „Sie half den Frauen, mit dem Denken anzufangen, ohne sie zu erschrecken. Es war Magie. Es war ein EREIGNIS“, zitiert fembio eine Quelle.

Ihre Freundin und Schriftstellerin Helen Campbell machte Charlotte mit den Ideen des Sozialismus und Antikapitalismus vertraut und sie war fasziniert. Sie reiste von Stadt zu Stadt und von Land zu Land, von Frauenkongressen zu Stimmrechtsversammlungen, traf interessante und einflussreiche Menschen wie den Schriftsteller George Bernard Shaw und wurde als Rednerin entdeckt, denn sie „konnte die Dinge auf den Punkt bringen und komplexe Sachverhalte so anschaulich und klar, oft noch verblüffend und witzig darstellen, dass sie ein großes Publikum erreichte – damals wie heute ein zentrales Anliegen feministischer Aufklärung und Politik“3. Frauenrechte und Frieden waren ihre Hauptthemen, die sie 1915 – in Europa das 2. Jahr des sog. „Großen Krieges“ – in ihrem Roman „Herland“ wunderbar miteinander verknüpfte. Im gleichen Jahr gründete sie mit ihrer Freundin, der Feministin und Soziologin Jane Addams, die Women’s Peace Party.

Charlotte Perkins befasste sich auch mit wirtschaftlichen Fragen wie der Notwendigkeit finanzieller Unabhängigkeit der Frauen von ihren (Ehe-)Männern und plädierte für „flächendeckende Haushalts-Service-Einrichtungen wie Gemeinschaftsküchen“ etc., wie es zur gleichen Zeit in Deutschland auch die Sozialdemokratin und Frauenrechtlerin Lily Braun tat. Perkins‘ Buch „Women and Economics“ wurde 1898 ein riesiger Erfolg, in sieben Sprachen übersetzt und sieben Mal neu aufgelegt.

Trotz ihrer ersten Negativerfahrung mit der Ehe heiratete Charlotte Perkins 1900 erneut, dieses Mal ihren etwas jüngeren Vetter, George H. Gilman, der ihre Arbeit sehr unterstützte. Diese zweite Ehe endete erst mit dem Tod ihres Mannes nach 34 Jahren und galt als sehr glücklich.

Mit fast 50 Jahren begann Charlotte Perkins Gilman, Ende 1909 eine Monatszeitschrift herauszugeben, „The Forerunner“, die 3.000 Abonnent/inn/en hatte und bis 1916 erschien – ein ambitioniertes Projekt, denn sie schrieb alle 30 Seiten selbst: Kurzgeschichten, Gedichte, Artikel und Buchrezensionen sowie immer ein Kapitel eines Fortsetzungsromans und eines Fortsetzungssachbuchs.

In den 1920er Jahren, den sogenannten „Roaring Twenties“ erlebte Gilman, nun schon 60 Jahre alt, was ca. ein Dreivierteljahrhundert später auch die Frauen der modernen Frauenbewegung beobachten mussten: Die jungen Frauen entfernten sich immer mehr von den sozialistisch-feministischen Zielen. Gilman kritisierte, dass ihnen ihre „Sexualbefreiung“ wichtiger war als wirtschaftliche Unabhängigkeit.

Anfang der 1930er Jahre erkrankte Gilman unheilbar an Brustkrebs. Nachdem ihr Mann 1934 gestorben war, nahm sie sich 1935 “schnell und schmerzlos” durch Einatmen von Chloroform das Leben, nachdem sie von ihren Freund/inn/en intensiv und liebevoll Abschied genommen hatte. In ihrem Abschiedsbrief schrieb sie: „Kein Schmerz, kein Unglück oder ‚gebrochenes Herz‘ berechtigt einen dazu, sein Leben zu beenden, solange man noch die Kraft zum Dienst an der Gemeinschaft besitzt. Doch wenn jegliche Nützlichkeit hinter einem liegt, wenn man sicher ist, daß der Tod unausweichlich bevorsteht, gehört es zu den simpelsten Rechten des Menschen, einen schnellen, leichten Tod an Stelle eines furchtbaren und langsamen zu wählen“4.
Diese Aussage kann auch heute ein wichtiger Beitrag sein zu der immer noch kontrovers geführten Debatte um selbstbestimmtes Leben, Sterbehilfe und den Tod als Teil, als Ende eines erfüllten Lebens, den wir nicht aus unserem Alltag ausklammern sollten. Auch hier kann Charlotte Perkins Gilman heute noch wegweisend sein.

Herzlich

Ihre Kristin Rose-Möhring


1 http://www.fembio.org/biographie.php/frau/ueber
2 http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie/charlotte-perkins-gilman/
3 ebenda
4 Zitiert nach http://de.wikipedia.org/wiki/Charlotte_Perkins_Gilman

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