Schwestern von gestern (13): Elizabeth Cady Stanton
Liebe Leserin, lieber Leser,
Elizabeth Cadys Vater war ein angesehener Jurist und Politiker. Daher begann sie sich früh für Rechtsfragen zu interessieren und stellte entsetzt fest, wie rechtlos Frauen in der damaligen Gesellschaft waren. Nach einer sehr guten Ausbildung kam sie über ihren Vetter Gerritt Smith mit der Anti-Sklaverei-Bewegung, den Abolitionisten, in Berührung und lernte Henry Stanton kennen, den sie 1940 heiratete (wobei sie beim Eheversprechen das Wort „gehorchen“ geflissentlich ausließ).
Sie zogen nach Boston, wo ihr Mann als Rechtsanwalt arbeitete und Elizabeth Cady Stanton die führenden Abolitionistinnen kennenlernte. Zwar stand zunächst das Familienleben im Vordergrund und sie bekam sieben Kinder, aber auch in dieser Situation stellte sie fest, wie sehr sie Frauen benachteiligte.
Der Umzug nach Seneca Falls 1846 wurde der Wendepunkt in Elizabeth Cady Stantons Leben. Anfangs fühlte sie sich in dem kleinen Ort sehr isoliert, als aber 1848 die Quäker-Predigerin und Frauenrechtlerin Lucretia Mott in die Gegend kam, beschlossen die beiden zusammen mit zwei anderen Frauen, einen Kongress zu organisieren, um die Rechte der Frau zum ersten Mal öffentlich zu diskutieren.
Elizabeth Cady Stanton verfasste die sogenannte Declaration of Sentiments, mit der die soziale Gleichstellung und Gleichberechtigung der Geschlechter proklamiert und Rechte für Frauen, allen voran das Stimmrecht gefordert wurden. 68 Frauen und 32 Männer unterzeichneten die Deklaration während des Kongresses vom 19.-20. Juli 1848. Die Deklaration und die Seneca Falls Convention von 1848 selbst sind für amerikanische Feministinnen legendär, waren sie doch so etwas wie die Geburtsstunde der organisierten US-amerikanischen Frauenbewegung.
1851 lernte Elizabeth Cady Stanton die fünf Jahre jüngere Susan B. Anthony kennen, mit der sie eine lebenslange Freundschaft und Arbeitsgemeinschaft verband. Anthony galt als wortgewaltiger „Napoleon der Frauenbewegung“ und trat vor allem nach außen auf, da Elizabeth Cady Stanton wegen der Kinder noch einige Jahre stärker ans Haus gebunden war und dort vor allem Reden, Artikel und Stellungnahmen verfasste: „Ich kann besser schreiben, sie hat den kritischen Verstand, ... und zusammen haben wir Argumente entwickelt, denen dreißig lange Jahre alle Stürme nichts anhaben konnten – Argumente, die noch kein Mann widerlegt hat”, schrieb Stanton später stolz.
1860 setzten die beiden im Bundesstaat New York Rechte für Ehefrauen auf Besitz, das Sorgerecht für ihre Kinder sowie Witwenrechte durch. Während des amerikanischen Bürgerkrieges (1861-65) kämpften beide Frauen zusammen mit vielen anderen für die Befreiung der Sklav/inn/en und mussten mit großer Enttäuschung erleben, dass den schwarzen Männern das Stimmrecht gegeben wurde, nicht aber den (weißen oder gar schwarzen) Frauen, die den Kampf entscheidend mitbestimmt hatten.
Ab 1868 gaben Stanton und Anthony die militante Wochenzeitung „Revolution“ heraus und gründeten 1869 die National Woman Suffrage Association, deren Ziel es war, das Frauenstimmrecht durch eine bundesweite Verfassungsänderung durchzusetzen. Stanton wurde die erste Präsidentin und blieb es bis 1890. Allerdings dauerte es noch mehr als 50 Jahre, bis die Amerikanerinnen 1920 mit dem 19. Verfassungszusatz das Stimmrecht endlich bekamen (siehe Blog „Schwestern von gestern (4) Alice Paul“ vom 13.5.2013).
Von 1881 bis 1886 arbeiteten Stanton und Anthony an den ersten drei Bänden der „History of Woman Suffrage“.
Während Susan B. Anthony fast ausschließlich für das Frauenwahlrecht kämpfte, war Elizabeth Cady Stanton thematisch breiter aufgestellt. Sie forderte Reformen im Ehe- und Scheidungsrecht, zur Kleidung und für bessere Bildungsmöglichkeiten für Frauen. Auch die Religion und deren Rolle in der Unfreiheit von Frauen nahm sie sich vor. Joey Hoarsley schrieb anlässlich des 110. Todestages von Stanton 2012 auf fembio: “... sie protestierte gegen die Unterdrückung der Frau durch die Kirche. In ihrer Woman’s Bible (1895-98) analysiert und “korrigiert” sie furchtlos die frauenfeindlichen Auslegungen mancher Bibelstellen, die von Kirchenmännern als von Gott gegebene Argumente gegen die Frauenemanzipation zitiert wurden. Das Buch wurde sofort ein Renner, zersplitterte aber zugleich die Stimmrechtsbewegung, für deren konservativere Mitglieder es, wie seine Autorin schon so oft, zu radikal war.“ Und weiter: „Für Stanton stand die Entfaltung der individuellen Persönlichkeit der Frau, auch in der Ehe und während der Mutterschaft, als absoluter Wert an erster Stelle.“
Die Woman’s Bible hatte Stanton zusammen mit ihrer Tochter Harriet Stanton Blatch herausgegeben, die nach einem Abschluss in Mathematik am renommierten Vassar College und einem längeren Aufenthalt in London die Tradition der Suffragist/inn/en in der Stanton-Family fortsetzte und auch mit Alice Paul zusammenarbeitete.
Elizabeth Cady Stanton starb am 26. Oktober 1902. 1999 wurde u.a. von ihren Nachfahrinnen der Elizabeth Cady Stanton-Trust gegründet.
Mit schwesterlichen Grüßen
Ihre Kristin Rose-Möhring
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