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Schwestern von gestern (16): Beatrix Potter

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Vor 150 Jahren, am 28. Juli 1866 wurde Beatrix Potter geboren. Im feministischen Sinne war sie keine „Schwester von gestern“, denn sie hielt wenig vom Frauenwahlrecht und den englischen Suffragetten, aber wie Agatha Christie (s. Blog vom 24.8.2015 http://www.rehmnetz.de/gleichstellungsrecht-blog/schwestern-von-gestern-12-agatha-christie/ ) war sie eine der erfolgreichsten Schriftstellerinnen Großbritanniens – in Beatrix Potters Fall für Kinderbücher.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Autorin von „Die Geschichte von Peter Hase“ (The Tale of Peter Rabbit) und der „Die Geschichte von Jemina Pratschel-Watschel“ („The Tale of Jemima Puddle Duck“) ist im Vereinigten Königreich, in den USA und den Commonwealth-Staaten so berühmt wie bei uns Astrid Lindgren oder der Struwwelpeter.

Dabei war ihre Schaffenszeit als Kinderbuchautorin nur kurz. Ihre erste Geschichte – eben die von jenem Peter Hase – erschien erstmalig 1901, ihre letzte selbstgeschriebene Geschichte 1913 mit einem Nachzügler im Jahre 1918. Das hatte zwei Gründe: eine sehr späte Heirat 1913 – gegen den erklärten Widerstand ihrer schrecklich standesbewussten Eltern – und ihr Interesse an Landwirtschaft, Schafzucht und Landschaftserhaltung, denen sie sich ab ca. 1910 immer intensiver widmete.

Im Grunde lebte sie drei Leben: Erst das der Kinderbuchautorin, das der wunderbare Film „Miss Potter“ mit Renée Zellweger, Ethan Hawke und Emily Watson aus dem Jahr 2006 zeigt. Am Ende deutet der Film ihr zweites Leben an, das der Landbesitzerin. Denn das mit den Kinderbüchern verdiente Geld machte sie nicht nur von ihren (spieß)bürgerlichen Eltern unabhängig, es ermöglichte ihr auch den Ankauf von Grundbesitz. Vor allem die Landschaft im Lake District hatte es ihr angetan und sie kaufte über die Jahre immer mehr Grund und Boden, Höfe und landwirtschaftliche Betriebe. Sie liebte die Schafzucht und konzentrierte sich immer mehr auf die Nachzucht der alten Rasse der Herdwick-Schafe. Das machte sie in diesem Feld berühmt, sie wurde von den fast ausschließlich männlichen Züchtern und Landwirten als (weibliche) Autorität anerkannt und kurz vor ihrem Tod sogar zur Präsidentin des Züchtervereins gewählt.

Das Landleben machte ihr auch deutlich, dass die Land(wirt)schaft durch Industrialisierung und Tourismus bedroht war und so engagierte sie sich in ihrem quasi dritten Leben nachdrücklich für den Erhalt der Kulturlandschaft des Lake District, heute eines der Hauptferiengebiete Englands. Am Ende ihres Lebens vermachte sie ihren riesigen Grundbesitz dem „National Trust“, einem großen und inzwischen mächtigen Verein, der u.a. mehr als 250.000 ha Landschaft besitzt und in Großbritannien das kulturelle, architektonische und landschaftliche Erbe pflegt und bewahrt1.

Ausgangspunkt zu all dem waren ihre Kinderbücher, in denen sie  –  auch aus schierer Einsamkeit  –  umsetzte, was sie als Kind gelernt hatte: das eng an der Natur orientierte sehr detaillierte Zeichnen und die Begegnung mit Tieren, die ihr die Kinderfreundinnen und -freunde ersetzen mussten. Ihre klassenbewussten Eltern isolierten sie fast völlig von einer Umwelt und Menschen, die nach deren Auffassung nicht „standesgemäß“ waren. So verzögerten und verhinderten sie letztendlich auch die Ehe mit dem jüngsten Sohn der Verlegerfamilie, die ihre Bücher herausgab. Da dieser Norman Warne2 einem Beruf nachging, passte er nach der Auffassung der Eltern nicht zur ihrer Klasse der „gentry“, die ihren Besitz ererbt hatte und „nicht arbeiten musste“3.

Erst mit 35 Jahren also wagte Beatrix Potter den ersten Schritt in die Selbstständigkeit – zuerst im Selbstverlag, dann im Verlag der Brüder Warne erschien „Peter Rabbit“ mit so großem Erfolg (mehr als 56.000 Exemplare), dass der Verlag auf neue Geschichten drängte. Bis 1913 erschienen jedes Jahr zwei bis drei Bücher mit wunderschönen Zeichnungen, die in ihrer Detail- und Naturtreue mit den Bildern des großen englischen Landschaftsmalers John Constable verglichen wurden, wie ihre Biographin Margaret Lane4 berichtet.

Ab ihrer Heirat 1913 im Alter von 47 Jahren - und wieder gegen den Widerstand ihrer Eltern - mit Wiliam Heelis, einem Rechtsanwalt und Notar, der sie bei ihren ersten Landkäufen beraten hatte, legte sie ihre Identität als Beatrix Potter praktisch ab. Sie bestand darauf, „Mrs. Heelis“ genannt zu werden und ärgerte sich über jede Kontaktaufnahme mit „Miss Potter“.

Geblieben sind dennoch lange, auch nachdem sie 1943 starb, bis heute ihre Kinderbuchklassiker, die sie in aller Welt berühmt machten und deren Rechte sie einem Neffen ihres verstorbenen Verlobten und Verlegers Norman Warne vermachte. Diese Bücher werden bis heute ununterbrochen verlegt und verkauft.


2 Wie sehr sie ihn geliebt hatte und wie sehr sie nach seinem frühen Tod um ihn trauerte, zeigt eine späte Begebenheit, von der ihre Biographin Margret Lane berichtete. Bei Erntearbeitern meinte sie 1918, den Verlobungsring von Norman Warne verloren zu haben; sie fand ihn zu ihrer großen Erleichterung wieder, aber Norman Warne war zu diesem Zeitpunkt bereits 13 Jahre tot und sie seit fünf Jahren mit William Heelis verheiratet.

3 Das kennen wir in Deutschland aus den spießigen Zeiten der 1950er und 1960er Jahren, als viele Ehemänner stolz darauf waren, dass ihre Frauen „als Hausfrauen zu Hause bleiben durften und nicht arbeiten mussten”.

4 Margaret Lane „the tale of Beatrix Potter“, London 1946

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