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Schwestern von gestern (18) - Madame de Staël

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Anne Louise Germaine Necker, fast ausschließlich bekannt als Madame de Staël, war eine deutsch-schweizerisch-französische Schriftstellerin, Literatin und politisch hoch engagierte Frau in unruhigen Zeiten und zudem eine der bekanntesten Frauen ihrer Epoche. Vor 250 Jahren, 1766, wurde sie geboren und war eine Zeitgenossin von Olympe de Gouges (s. Blog „Menschenrechte – Frauenrechte“ vom 26.9.2011).

Liebe Leserin, lieber Leser,

als Tochter des Bankiers Jacques Necker, zeitweilig Finanzminister von Ludwig XVI., und ihrer Schweizer Mutter Suzanne, die für ihren Literatur-Salon berühmt war, erhielt Germaine Necker eine für Frauen ihrer Zeit hervorragende Bildung. „Schon als Kind sitzt Germaine jede Woche neben ihrer Mutter, die an diesem jour fixe in ihrem Salon mit bedeutenden Persönlichkeiten des kulturellen Lebens wie Denis Diderot die Kunst der hochgeistigen Konversation pflegt“, schreibt Dieter Wunderlich, Verfasser zahlreicher Biographien berühmter Frauen1. Bereits mit 15 Jahren schrieb Germaine 1781 einen Kommentar zu Montesquieus „Geist der Gesetze“.

Mit 20 Jahren heiratete sie den schwedischen Botschafter, Eric Magnus von Staël-Holstein, und gründete ihren eigenen Salon. Obwohl mit Schönheit, damals das Kapital von Frauen, wenn sie etwas erreichen wollten, nicht gerade gesegnet, übte sie laut Zeitzeugen „mit ihrem Geist und Charme, ihrer Impulsivität und Großzügigkeit ... auf ihre Gäste eine fast magische Anziehungskraft aus.“ Ihre Ehe war unglücklich und sie trennte sich 1800 von ihrem Mann, aber schon Jahre zuvor war sie berühmt für ihre zahlreichen Affären z.B. mit dem Politiker Talleyrand und dem Schriftsteller Constant, über die sie auch immer wieder politisch Einfluss nahm.

In ihren beiden Romanen Delphine (1802) und Corinne (1807) verarbeitete sie ihre Beziehungen, die oft konfliktreich verliefen; beides Mal geht es um emanzipierte Frauen, die ihr Glück nicht finden, weil die Männer nicht so stark sind, wie die Heldinnen dies erwarten. Mme de Staël war eine solche emanzipierte Frau; sie schrieb, reiste viel, nahm politisch Einfluss und bekam „nebenbei“ fünf Kinder von verschiedenen Männern, das letzte mit 46 Jahren, fünf Jahre vor ihrem Tod.

Mme de Staël war zunächst eine Anhängerin der Revolution von 1789, ihr Salon ein Treffpunkt der gemäßigten Revolutionäre; große Teile der ersten Verfassung von 1790 sollen in ihrem Salon ausgearbeitet worden sein. Als jedoch die Jakobiner immer radikalere Töne anschlugen und der „Terreur“ wütete, änderte sie ihre Meinung. In einer anonymen Streitschrift über den Prozess gegen Königin Marie Antoinette protestierte sie gegen das staatliche Morden und rief vor allem die Frauen zum Widerstand auf.

Auch Napoleon begrüßte sie zuerst als einen Mann der Zukunft. Später ging sie zu ihm auf Distanz, sah ihn als den Despoten, zu dem er sich zunehmend entwickelte, und wurde 1795 schließlich von ihm aus Paris, dann aus ganz Frankreich verbannt. Napoleon hatte sie verdächtigt, an einem Aufstand der Royalisten beteiligt gewesen zu sein.

Mme de Staël reiste 1803/04 u.a. nach Deutschland und traf in Weimar Schiller, Goethe und Wieland. In Berlin lernte sie Fichte und Rahel Varnhagen kennen (siehe Blog Netzwerken – gestern und heute eine gute Idee!“ vom 5.3.2015), wurde zum Geburtstag von Königin Luise eingeladen und war dort eine der "VIP"-Gäste.

Ihre Erlebnisse hielt sie in ihrem wohl berühmtesten und meistgelesenen Buch „Über Deutschland“ fest, das zwischen 1807 und 1810 entstand. Das Werk sollte in drei Bänden erscheinen, aber Napoleon untersagte 1810 die Veröffentlichung des dritten Teils, ließ schon erschienene Ausgaben einstampfen und die Druckplatte zerstören. Er reagierte damit auch auf poltisiche Aktivitäten von Germaine de Staël, die auf ausgedehnten Reisen nach Wien, St. Petersburg, Stockholm etc. bei den widerwillig mit Frankreich verbundenen Staaten Stimmung gegen ihn machte. „Das Bild eines regionalistisch vielfältigen, musik-, philosophie- und literaturbegeisterten, gefühls- und phantasiebetonten, mittelalterlich-pittoresken, allerdings auch etwas rückständigen und harmlosen Deutschlands“, so Kritiker, „das Madame de Staël so entwarf, sollte nach 1815 jahrzehntelang die Sicht der französischen Eliten prägen. Die Bezeichnung Deutschlands als „Land der Dichter und Denker geht auf „De l’Allemagne“ zurück und ist bis heute erhalten geblieben2.

Immer wieder widmete Germaine de Staël sich in ihrer schriftstellerischen Arbeit Fragen der Literatur. So veröffentlichte sie u.a. 1800 ein zweibändiges Werk, in dem sie der Literatur eine bedeutende gesellschaftspolitische Aufgabe einräumt. Sie gilt daher auch als Vorläuferin der Literatursoziologie und der Komparatistik, d.h. der vergleichenden Literaturwissenschaften.

Nach Napoleons zweiter Niederlage 1815 kehrt sie endgültig nach Paris zurück, war aber gesundheitlich schon schwer angeschlagen. Ein Schlaganfall warf sie, wie sie schrieb, „wie eine Schildkröte auf den Rücken“ und am 14. Juli 1817, dem Jahrestag der Erstürmung der Bastille, starb sie, mit erst 51 Jahren.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring

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