Schwestern von gestern (19): Jane Austen
Liebe Leserin, lieber Leser,
Jane Austen lässt sich nicht auf den ersten Blick in die Kategorie Feministin einordnen, wie es z.B. ihre Landsfrau und Zeitgenossin Mary Wollstonecraft war – siehe Blog „Schwestern von gestern (2)“ vom 10.9.2012. Dennoch passt sie in einen Gleichstellungsblog, denn sie hatte ein feines Gespür für die Situation der Frauen ihrer Zeit, die in absoluter Abhängigkeit von den Männern ihrer Familien lebten:
Waren sie verheiratet, gingen sämtlicher Besitz der Frauen sowie alle familiären Verfügungsrechte über sie und ihre Kinder auf ihre Ehemänner über, blieben sie unverheiratet, waren sie oft die geduldeten und „mit durchgefütterten alten Jungfern“ der Familie oder konnten bestenfalls noch - eine gute Bildung vorausgesetzt - Gouvernanten in Familien der sogenannten besseren Kreise werden, in denen sie dann ebenfalls in großer Abhängigkeit lebten.
Genau diese Situation der Frauen beschreibt Jane Austen in ihren Romanen und sie tut es so geistreich und charmant, mit spitzer Feder und so viel Komik, Dialog- und Sprachwitz, dass uns ihre Bücher auch heute nach mehr als 200 Jahren noch bestens unterhalten.
Literaturkritiker/innen heben immer wieder ihre besondere Beobachtungsgabe und ihr feines Gespür für die Kommunikation und Interaktion ihrer handelnden Personen hervor. Dies in der Kombination mit Witz und Ironie haben sie Dialoge schreiben lassen, die noch heute ungeheuer amüsant sind. Denken wir nur an den Streit zwischen Elizabeth Bennet und Lady Catherine de Burgh in „Stolz und Vorurteil“, als letztere versucht, eine Bestätigung für einen Heiratsantrag aus der jungen Heldin der Geschichte herauszupressen, den sie selbst für unmöglich und gesellschaftlich völlig absurd hält. Trotz des großen Standesunterschieds lässt sich die junge Frau nicht einschüchtern und wehrt sich so selbstbewusst und schlagfertig gegen diese übergriffige Einmischung in ihr Leben, dass allein schon das ein Akt der Emanzipation ist2.
Jane Austen wusste, wovon sie schrieb, denn sie beschränkte sich auf die Schilderung der Umgebung und der Gesellschaftsschicht, die sie kannte und der sie selbst angehörte: Ländlich-dörfliche Gemeinschaften, in denen die sogenannte „Gentry“ den Ton angab, d.h. Familien von niederem Adel und/oder Menschen, die sich als Abkömmlinge von „Gentlemen“ betrachteten, von ererbtem Geld lebten und meist nicht arbeiten mussten. Ausnahmen waren die Pfarrer, die „Vicars“ der Gemeinden, die oft selbst aus verarmten Familien der „besseren Gesellschaft“ stammten und sich die Rechte an der Pfarre durch Beziehungen erkauft hatten und günstig in der dazugehörenden „Vicarage“ wohnten.
Arbeitende Menschen wurden oft mit einer gewissen Verachtung betrachtet, selbst wenn sie erfolgreich waren wie der Onkel der Heldin Elizabeth Bennet aus „Stolz und Vorurteil“, der in London als Geschäftsmann ein so großes Vermögen erarbeitet hatte, dass er der Familie Bennet in einer Notsituation aus der Patsche helfen konnte.
Frauen spielen in den Romanen von Jane Austen die Hauptrolle, geht es doch meist darum, dass sie einen Ehemann finden wollen oder sollen, um selbst versorgt zu sein, die wirtschaftliche Lage ihre Familien zu verbessern oder die Chance auf gute Partien für ihre Schwestern zu erhöhen. In diesem Thema liegt auch die Kernfrage, um die sich für Jane Austen alles dreht: Sollte eine Frau eine Vernunftehe eingehen, nur um sich oder die Familie zu versorgen oder soll sie nur aus Liebe heiraten, um sich treu zu bleiben und sich nicht selbst zu verraten. Für Jane Austen war die Antwort klar: Eine "marriage of convenience", eine Vernunftehe, kam für sie nicht in Frage und so hielt sie es auch in ihrem nicht sehr langen Leben.
Jane Austen wird am 16. Dezember 1775 in einem Pfarrhaus in Steventon als siebtes von acht Kindern geboren. Die sehr gebildete Familie, die über ein beträchtliche Bibliothek verfügt – ein Luxus, denn Bücher sind extrem teuer –, ermöglicht Jane eine für die damalige Zeit vergleichsweise gute Bildung. Mit 12 Jahren beginnt sie zu schreiben und hat im Alter von 18 Jahren bereits drei Bände mit kurzen Prosastücken, Kurzromanen, Theaterstücken und Fragmenten verfasst. Besonders Satiren und Persiflagen haben es ihr angetan. In Steventon entstehen zwischen 1792 und 1799 auch die ersten Fassungen ihrer späteren Romane, oft in der Form des Briefromans, die damals sehr beliebt sind, Lady Susan (erst Jahrzehnte nach ihrem Tode veröffentlicht und als Film später „Love and Friendship“) sowie Elinor und Marianne und First Impressions (in überarbeiteter Fassung später erschienen als „Sense and Sensibility“ bzw. „Pride and Prejudice“).
Von 1801 bis 1806 lebt Jane Austen mit ihrer Familie in Bath, einem Ort, den sie überhaupt nicht mag. In ihrem Roman „Persuasion“ (Überredung) scheint die Hauptfigur Anne Elliot ihr Alter Ego, denn auch sie hasst Bath, muss aber als unverheiratete Tochter ihrem Vater dorthin folgen, nachdem er sich in finanzielle Schwierigkeiten gebracht hat und sein großes Haus auf den Land gewinnbringend vermieten muss.
Aus der Zeit in Bath sind keine weiteren Schreibversuche und -erfolge bekannt. Lediglich der Romanentwurf „The Watsons“ wird meist dieser Zeit zugeordnet, aber Jane Austen hat ihn nicht vollendet und so blieb er wie Sanditon ein Romanfragment, von dem nur wenige Kapitel existieren; beide wurden später von anderen Schriftstellerinnen vollendet.
Nach dem Tod ihres Vaters 1805 gerät Jane Austen mit ihrer Mutter und ihrer Schwester in genau die Situation, die sie in ihren Romanen so oft anspricht: Sie ist auf Zuwendungen und Unterkommen von und bei Verwandten angewiesen. Von zwei Heiratsanträgen ist die Rede, die sie bekommt, aber ablehnt, weil sie um ihrer Freiheit als Schriftstellerin fürchtet. Das ist für ihre Zeit eine durchaus emanzipierte Entscheidung. Sie zieht nach Southampton, später nach Chawton, wo sie ihre Romane vollendet und zum Teil veröffentlicht. Dies geschah allerdings anonym unter dem Bezeichnung „by a lady“, da das Schreiben, zumal von Romanen, für eine Dame als „unziemlich“ galt.
Zu ihren Lebzeiten erscheinen vier Romane: die beiden sogenannten Frühwerke Sense and Sensibility (Verstand und Gefühl, 1796 geplant unter dem Titel o.g. Elinor and Marianne) 1811, Pride and Prejudice (Stolz und Vorurteil), den sie schon 1797 unter dem Titel First Impressions geschrieben und später überarbeitet hat, 1813 sowie Mansfield Park 1814 und Emma 1816, die beide ihrem späteren „reiferen“ und damit gesellschaftskritischeren Werk zugeordnet werden. Northanger Abbey (Die Abtei von Northanger), das – da bereits 1798/99 geschrieben - ihren drei frühen Romanen zugerechnet wird, erscheint wie das o.g. Persuasion (Überredung oder Anne Elliot) erst 1817 nach ihrem Tod.
Zwar kann Jane Austen mit ihren Romanen etwas Geld verdienen, das ihr unter den finanziell beengten Verhältnissen, unter denen sie lebt, sehr zugute kommt, aber leben könnte sie von ihrer Arbeit nicht. Immerhin erlangt sie noch zu Lebzeiten solche Berühmtheit, dass der Prince Regent sie über seinen Bibliothekar bitten lässt, ihr nächstes Werk – Emma – ihm zu widmen. Begeistert ist sie nicht, denn der Prinzregent war ein notorischer Ehebrecher, was Jane Austen nachdrücklich verurteilt. Dennoch kommt sie nicht umhin, das Buch mit einem – wenn auch recht gedrechselten – Hinweis zu versehen3.
Auch andere Zeitgenossen und Autoren loben ihre Arbeit wie Walter Scott, der „besonders die Genauigkeit der Beobachtung, die sprachliche Eleganz und die vollkommene Beherrschung der Mittel in ihren Werken“ hervorhebt.
Nachdem Jane Austen 20/30 Jahren nach ihrem Tod 1817 in Vergessenheit gerät, holt Virginia Woolf sie in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts wieder aus der Versenkung. Seit dieser Zeit boomen ihre Werke geradezu. Ihre Bücher werden immer wieder neu aufgelegt, es entstehen zahlreiche Verfilmungen und sowohl die Romanfragmente werden vollendet als auch die abgeschlossenen Romane in Fortsetzungen weitergeschrieben. Selbst die Krimi-Ikone P. D. James schreibt mit „Death Comes to Pemberly“ eine Krimifortsetzung von „Stolz und Vorurteil“.
Und auch Jane Austen selbst gerät in den Fokus: Erst erscheint der sehr einfühlsame Film „Miss Austen Regrets“, später der Augenschmaus „Geliebte Jane“. Der Markt wird fast unüberschaubar, aber die „Janites“ lieben es.
Höhepunkt und ultimative Anerkennung ist sicher die Ankündigung der Bank of England, 2017 eine neue 10-Pfund-Note mit dem Portrait von Jane Austen herauszugeben. Im September soll es soweit sein.
Bei all den Nachrichten, die uns derzeit von jenseits des Ärmelkanals erreichen, ist der „Austen-Hype“ 2017 eine wunderbare und erfrischende Ablenkung.
Mit herzlichen Grüßen einer intensiven und langjährigen „Fanin“
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 http://www.janeaustensoci.freeuk.com/pages/events_uk.htm
2 Zur Frage „Jane Austen für Feministinnen“ – siehe den sehr interessanten literaturwissenschaftlichen Essay von Renate Kraft auf fembio – http://www.fembio.org/biographie.php/frau/biographie_extra/jane-austen/
3 „To His Royal Highness The Prince Regent, This Work Is, By His Royal Highness‘s Permission, Most Respectfully Dedicated, By His Royal Highness’s Dutiful and Obedient Humble Servant, The Author”.
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