rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Sprache gendern – ist das nötig?

Jetzt bewerten!

Dieses Thema habe ich in meinen Blogbeiträgen schon häufiger aufgegriffen und es bleibt auf der Tagesordnung, denn inzwischen macht sich hier wieder eine gewisse Trägheit breit. Gendern scheint wieder aus der Mode zu kommen und dieser „Lapsus“ wird seltener gerügt. Selbst in behördlichen Schriftstücken begegne ich, obwohl es dort anders vorgeschrieben ist, so unsäglichen Formulierungen in Fußnoten wie „die weiblichen Formen werden bei den männlichen mitgedacht“.

Liebe Leserin, lieber Leser,

wenn das mit dem Mitdenken so einfach wäre, bräuchten wir kein Gendern. Aber gerade, weil Frauen nicht mitgedacht werden, müssen sie eigens erwähnt werden. Im öffentlichen Dienst sind das z.B. Beamte und Beamtinnen. „Tarifbeschäftigte“ ist ein neutraler Begriff. Da stecken auch die weiblichen Tarifbeschäftigten mit drin. Aber selbst hier findet bei vielen aufgrund von Spracherziehung und Gewohnheit noch kein 100%iges Mitdenken statt. Traditionell stehen meist die männlichen Tarifbeschäftigten im Focus und erst in zweiter Linie wird an die weiblichen gedacht.

Vor der Formulierung „mitgedacht“ hieß es öfter „mitgemeint“. Ein Ausbund an Schreib- und Denkfaulheit. Wer wirklich Frauen mit meint, nennt sie auch beim Namen. Alles andere ist verlogen.

Sprache formt das Denken, so die Sapir-Whorf-Hypothese in der Sprachwissenschaft. Schon Wilhelm von Humboldt hat im 19. Jahrhundert in „Über die Verschiedenheit des menschlichen Sprachbaus und ihren Einfluss auf die geistige Entwicklung des Menschengeschlechts“ den Anstoß zu entsprechenden Forschungen in der Linguistik gegeben. Zum Beweis der Sapir-Whorf-Hypothese und aus ihrer Erkenntnis, dass viele Sprachen dazu geeignet sind, vor allem die Ideen und Welterfahrung von Männern auszudrücken, hat die Schriftstellerin Suzette Elgin dann 1982 eine feministische Sprache erfunden. Das Experiment Láadan sollte nicht wie andere Sprachen nur spezifisch männliche Kommunikationsbedürfnisse befriedigen, sondern neben der Aussage auch das Gefühl der Sprechenden neben dem Sprechakt transportieren.

Soweit sind wir nicht und werden wir wohl nie kommen. Aber das Bewusstsein für unsere strukturell auf männliche Bedürfnisse zugeschnittene Sprache muss wachgehalten und gestärkt werden und diese da korrigiert werden, wo Frauen ganz offensichtlich in den gesendeten Botschaften fehlen. Deshalb müssen Frauen nicht nur „mitgedacht“ werden – wie und von wem auch immer -, sondern sie müssen ausdrücklich genannt werden.

Die Tatsache, dass das sprachliche Gendern wieder vernachlässigt wird, zeigt eben nicht, dass es überflüssig geworden ist. Es zeigt nur, wie tief die alten männlichen Denkmuster in unserer Sprache verwurzelt sind. Auf korrektes Gendern kann daher nicht oft genug hingewiesen werden. Sind die weiblichen Sprachformen erst einmal selbstverständlich geworden, wirkt sich das vielleicht auch gemäß der Sapir-Whorf-Hypothese auf das Denken und damit unser aller Realität aus. Die gesprochene und die gedachte Welt kann so etwas weiblicher werden.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring

Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
Twitter-Icon

Folgen Sie uns auch auf Twitter!
Wir informieren Sie rund um das Thema Gleichstellungrecht.
https://twitter.com/GleichstellungR

banner-gleichstellungs-und-gleichbehandlungsrecht.png
rehm_e-line_banner_355x355_L1_Var1.jpg
SX_LOGIN_LAYER