Das Ammenmärchen von der gleichen Qualifikation vom 16.11.2009 und Die Rechtsprechung will keine konsequente Frauenförderung vom 2.1.2012.

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Systemfehler Beurteilung

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Die Rechtsprechung bis hinauf zum Bundesverwaltungsgericht hat in den vergangenen Jahren die Beurteilung als Instrument der sogenannten Bestenauslese für Auswahlentscheidungen, Beförderungen etc. immer weiter gestärkt. Sie geht sogar so weit, das Bundesgleichstellungsgesetz auszuhebeln (siehe Blogs Das Ammenmärchen von der gleichen Qualifikation vom 16.11.2009 und Die Rechtsprechung will keine konsequente Frauenförderung vom 2.1.2012.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Beurteilung gilt als ein „Akt wertender Erkenntnis“, der lediglich einer eingeschränkten gerichtlichen Kontrolle unterliegt. Bei Auswahlentscheidungen auf der Grundlage von Beurteilungen beschränkt sich die verwaltungsgerichtliche Nachprüfung daher darauf, ob die Verwaltung den anzuwendenden Begriff oder den gesetzlichen Rahmen, in dem sie sich frei bewegen kann, verkannt hat oder ob sie von einem unrichtigen Sachverhalt ausgegangen ist, allgemeingültige Wertmaßstäbe nicht beachtet hat, sachfremde Erwägungen angestellt oder gegen Verfahrensvorschriften oder mit höherrangigem Recht vereinbare Richtlinien (Verwaltungsvorschriften) verstoßen hat* (ständige Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts, vgl. BVerwG 2 A 10/98).

Damit hat die Verwaltungsgerichtsrechtsprechung ein Instrument gestärkt, das wie kaum ein anderes fehleranfällig ist. Beurteilungen werden von Menschen gemacht und Menschen haben Vorurteile, Sympathien und Antipathien und sind daher einfach grundsätzlich nicht objektiv, sondern ausgemacht und nachvollziehbar subjektiv. Sie können sich in bester Absicht bemühen, gerecht zu sein, es wird ihnen kaum gelingen.

In einer Zeit, in der alles immer transparenter und demokratischer werden soll, in der Bürger/inne/n immer mehr Rechte auf Auskunft und Information gerade auch gegenüber Behörden eingeräumt werden (siehe Informationsfreiheitsgesetz), in der alles staatliche Handeln überprüfbar sein soll, macht dieser Trend, d.h. diese Verfestigung der Rechtsprechung wenig Sinn und führt vor allem die Betroffenen, d.h. die Beurteilten in eine Sackgasse.

Zum einen ist (Bundes-)Verwaltung wie zu Preußens Gloria fast ultimativ hierarchisch geprägt und funktioniert nach dem Grundsatz „Ober sticht Unter“, d.h. der Mensch auf der oberen Ebene hat das Sagen und kann dem ihm/ihr unterstellten Beamt/inn/en und Tarifbeschäftigte Weisungen erteilen. Zum anderen, und das wissen alle, die in politischen Behörden arbeiten, nimmt immer mal wieder gerne ein Parteibuch (oder auch kein Parteibuch, weil besser als ein falsches) Einfluss auf solche Entscheidungen.

Das Ergebnis kennen wir. In kürzester Zeit werden junge dynamische Mitarbeiter, seltener Mitarbeiterinnen, angeblich aufgrund von Leistung in höchste Beförderungs- und Funktionshöhen katapultiert. Frauen, besonders häufig Teilzeit-Beschäftigte bleiben, weil angeblich kaum anwesend und daher „naturgemäß leistungsschwächer“ auf der Strecke (siehe Blog Teilzeit – der ewige Makel vom 6.9.2010.

Zwar wird in vermutlich allen Beurteilungsrichtlinien die Bedeutung dieses „Akts wertender Erkenntnis“ betont, die Verantwortung der Führungskräfte hervorgehoben und eine Vielzahl von Hinweisen auf vermeidbare Beurteilungsfallen, Gender Mainstreaming und Geschlechtergerechtigkeit gegeben, aber hinter den Kulissen sieht die Welt anders aus. Es bleibt u.U. ein nepotistisches Machtspiel, d.h. Vetternwirtschaft (nicht überraschend gibt es eine „Basenwirtschaft“ nicht) oder es geht nach dem Motto, „wenn auch die Kräfte versagen, ist dennoch der gute Wille zu loben“. Doch mit gutem Willen (allein) kommen wir hier nicht voran.

Wenn Beurteilungen nach Abschluss des Beurteilungsverfahrens gerichtlich praktisch nicht überprüfbar sind, muss das Verfahren als solches geändert werden. Da eine Beurteilung nur von einer Person (Erstbeurteilende/r) unter gewaltiger Einflussnahme einer weiteren Person (Zweitbeurteilende/r) erstellt und, wenn es gut läuft, ggf. noch in einer Beurteilungskonferenz mit anderen abgeglichen wird (bei vorherigem Strippenziehen hinter den Kulissen, versteht sich), kann sie nur ein Element in einer Reihe von anderen Instrumenten sein, die als Erkenntnisquellen für die Übertragung höherwertiger Aufgaben herangezogen werden.

Hier müssen Auswahlverfahren in welcher Form auch immer – als Vorstellungsgespräche, strukturierte Interviews, Assessment Center, Fachvorträge, Tests etc. – hinzukommen. Nur so haben Bewerbende eine Chance auf ein einigermaßen gerechtes Verfahren, schon allein deshalb, weil ggf. zehn Augen besser/mehr sehen als zwei und eine Gleichstellungsbeauftragte dann auch immer dabei wäre, um als Sachwalterin der im Bundesgleichstellungsgesetz festgelegten Ziele über die Gleichstellung zu wachen!

In meiner nun langen Zeit als Gleichstellungsbeauftragte habe ich meinen Glauben an die Gerechtigkeit von Beurteilungen, der vorher schon reichlich wackelig war, weiter verloren. Daher spreche ich mich für eine Erweiterung des Spektrums von „Beurteilungselementen“ aus. Welche Erfahrungen haben Sie gemacht?

Herzlich

Kristin Rose-Möhring


* Wenn Sie den kursiv gedruckten Passus in eine Suchmaschine wie Google oder Bing eingeben, tun sich eine Vielzahl von Entscheidungen auf, an Hand deren Sie diese ständige Rechtsprechung überprüfen können.

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