Trauer muss die Gleichstellung tragen
Liebe Leserin, lieber Leser,
ich bin in den letzten Wochen immer wieder gefragt worden, ob meiner Meinung nach nun die strukturelle Diskriminierung von Frauen im Bereich des Bundes abgeschafft wird oder wie sich die in letzter Minute vorgenommenen Änderungen an der Novellierung des BGleiG in der Praxis auswirken werden, d.h. wenn Männer „nur“ dort zu fördern sind, wo sie „aufgrund struktureller Benachteiligungen“ unterrepräsentiert sind.
Ich denke nicht, dass die strukturelle Diskriminierung von Frauen im Bereich des Bundes nun abgebaut wird. Erforderlich wäre eine zielgerichtete Ausgestaltung des geltenden BGleiG gewesen, wie sie im Frühjahr 2014 angekündigt worden war, d.h. Schärfung einzelner Bestimmungen wie z.B. entsprechend dem Gutachten von Prof. Papier der Verzicht auf die bisher vorgenommene Ausdifferenzierung von Beurteilungen, bis es keine gleiche Qualifikation mehr gibt und damit die Vorstellung einer solchen ad absurdum geführt wird.
Weiterhin fehlen Regelungen zur Unwirksamkeit einer Maßnahme, wenn die Gleichstellungsbeauftragte nicht beteiligt wurde, und ein Klagerecht der Gleichstellungsbeauftragten bei Maßnahmen, die gegen den Gleichstellungsplan verstoßen bzw. die Erreichung seiner Ziele gefährden. Hier wurde eine echte Chance verpasst, nämlich die, dass die „Sachverwalterin der im BGleiG festgelegten Ziele“ (BVerwG von 2007) erfolgreich tätig werden kann. Das ist eine riesige Enttäuschung für alle, die an Gleichstellung auch im Bereich des Bundes interessiert sind.
Da es zudem eine strukturelle Benachteiligung von Männern nicht gibt, läuft diese Regelung komplett ins Leere. Was diese Bestimmung also soll, wie Männerbenachteiligung ermittelt oder gar in einem Gerichtsverfahren nachzuweisen wäre, erschließt sich nicht. Ein solcher Nachweis ist auch gar nicht möglich, da der Bundesregierung laut eigener Aussage vom Sommer 2014 in der Antwort auf eine Kleine Anfrage der Fraktion Die Linke selbst keine Fälle struktureller Benachteiligung von Männern bekannt sind. Die Regelung hat also eine reine Alibi-Funktion, um einen Gesetzentwurf vor dem Scheitern zu bewahren, der mit einer reinen Unterrepräsentanz-Regelung als Ausgangspunkt für Männerförderung verfassungswidrig gewesen wäre.
Die von Sachverständigen als ineffektiv und handwerklich fragwürdig kritisierte Neufassung des BGleiG ist jetzt also unser „Pech“, d.h. das der Beschäftigten und der Gleichstellungsbeauftragten im Geltungsbereich des Gesetzes. Da können wir nur noch trauern, um das, was wir hatten, und um das, was nun alles nicht passieren wird.
Die einzige Spannung, die noch im Raum steht, ist die nach den Auswirkungen in der Praxis. Mich würde es nach über 30 Jahren im Bundesdienst nicht wundern, wenn Dienststellen plötzlich strukturelle Benachteiligungen von Männern „entdecken“ und uns Gleichstellungsbeauftragte mit weithergeholten Argumenten „beglücken“, um noch gezielter Männer zu fördern. Bisher genügten dazu meist Beurteilungen, die oft als Manipulationsinstrumente für die Karriereförderung bestimmter (männlicher) Menschen herhalten mussten.
Die Wahrheit dazu und zu all den anderen neuen Aspekten wie der aus dem Bundespersonalvertretungsgesetz falsch abgeleiteten 10-Tages-Frist, innerhalb deren die Gleichstellungsbeauftragte nun ihr Votum abgeben muss, wird die Zukunft bringen. Eins ist jedoch jetzt schon klar. Die Neufassung des BGleiG war ein Bärendienst für die Gleichstellung im Bund und wird uns noch lange seufzen lassen.
Herzlich
Ihre Kristin Rose-Möhring
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