Unwort Quotenfrau
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
gerade junge Frauen auf dem Sprung in die Karriere wenden sich mit Abscheu von dem Begriff in der Angst, dass sie mit dem Etikett „keine Leistung, nur Frau“ versehen werden. Sie übersehen dabei zweierlei. Zum einen geht es bei Quoten immer um die Auswahlentscheidung zugunsten von Frauen, wenn Bewerberin und Bewerber die gleiche Leistung aufweisen und auf der Zielebene Frauen unterrepräsentiert sind. Zum anderen sind Quoten anderer Art überall Alltag; es wird nur nicht darüber gesprochen.
Im ersten Fall stellt sich grundsätzlich die Frage, was Leistung eigentlich ist und wer sie wie beurteilt. Geht es um reine Sachkenntnisse, lässt sich das manchmal in der Tat anhand von Noten auf Zeugnissen, Abschlüssen etc. beantworten. Aber selbst hier werden unterschiedliche Entscheidungsträger zu unterschiedlichen Bewertungen kommen, da nicht alle Bewerbenden immer deckungsgleiche Qualifikationen mitbringen. Oft muss entschieden werden, ob z.B. eine inhaltliche Zusatzqualifikation wichtiger ist als ein Auslandsaufenthalt. Schon da fangen die selbst gesetzten Prioritäten an und gehen weiter bei Fragen, ob Fachkenntnisse wichtiger sind als in einem Auswahlverfahren gezeigte Sozialkompetenz. Ein „Eindeutig Besser“ gibt es daher fast nie und es geht in der Regel nach „Geschmack“, d.h. eigenen, persönlichen Prioritäten.
Im zweiten Fall gibt es unausgesprochene Quoten und Quoren auch bei Männern, die nie offengelegt werden. Nehmen Sie das Beispiel der Politik. In den Kabinetten auf Landes- und Bundesebene sitzen nicht diejenigen, die sich in einem Fachbereich wie Wirtschaft, Finanzen, Umwelt etc. wirklich am besten auskennen. Es werden Leute berufen, die zum Austarieren eines solchen Gremiums Mann oder Frau sind; links oder rechts in der jeweiligen Partei stehen; aus Nord oder Süd, seit der „Wende“ auch aus Ost oder West kommen; als Evangelische aus einer katholische Region stammen oder umgekehrt; einem starken oder weniger starken Landesverband innerhalb der Partei angehören etc. pp. Die Liste ließe sich endlos fortsetzen. In einem Kabinett der Nachwendezeit saß eine Ministerin, die praktischerweise eine sechsfache Quote erfüllte: jung, weiblich, aus dem Osten, aktiv katholisch, verheiratet, mit Kind.
In Wirtschaftsgremien ist es nicht anders: Da rückt in einen Aufsichtsrat ein Mann ohne besondere Qualifikation, aber von Beruf „Sohn“ seinem Vater nach und dafür muss im Wege eines Kungelgeschäfts im „old boys‘ network“ ein anderes Mitglied akzeptieren werden, das so mancher nicht hatte haben wollen.
Das Leistungsprinzip besteht in dem Fall darin, dass das Gremium es sich leisten kann, diese beiden Personen in seiner Mitte zu verkraften. Auch das sind Quotenpersonen, aber bei einer Frau wäre sofort die Parole „unfähige, weil protegierte Frau“ ausgegeben worden, und – was noch schlimmer ist – die Frau hätte sich diese Parole vermutlich sofort zu Herzen genommen.
Zudem: Was heißt schon Bestenauslese – auch und gerade im öffentlichen Dienst mit seinem z.T. unsäglichen Beurteilungswesen? Was ist die Definition von der/die/das „Beste“? Das alles ist subjektiv und von den Vorstellungen einzelneR geprägt.
Also liebe Frauen: Wenn Sie vor der Entscheidung stehen, als Quotenfrau in einen Job oder ein Gremium zu kommen: Greifen Sie zu, stellen Sie ihre Ohren bei den entsprechenden Vorwürfen auf Durchzug und machen Sie sich an die Arbeit. Entscheidend ist, was Sie – zur Not eben auch als „Quotenfrau“ – aus Ihrer Aufgabe machen.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
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