rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Verbale Inkontinenz

Jetzt bewerten!

„Er kann das Wasser nicht halten“ sagte „man“ früher über jemanden, der wichtige Informationen nicht vertraulich behandeln konnte, d.h. nicht für sich behielt. Bei Frauen war – je nach Region – sehr schnell die Rede von „Plaudertasche“, „Klatschbase“, „Schnabbelschnüss“ oder „Ratschkathl“. Gemeint war damit oft auch das „hirnlose Vielreden“, das Frauen ja ach so gerne tun, vor allem über Mode, Diäten und natürlich Männer!

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

es lebe das Klischee. Studien haben nämlich ergeben, dass Männer genauso viel, wenn nicht länger reden, nur über andere Themen. Sie reden z.B. viel, lange, dominant und monologartig über unpersönliche Themen; aus eigener Erfahrung möchte ich gerne ergänzen: und wenn Technik involviert ist.

Als Vielreisende im Zug habe ich fast wöchentlich das Vergnügen, mir unfreiwillig, d.h. eher gezwungenermaßen, Lebens-, Leidens- und Karrieregeschichten meiner Mitreisenden anzuhören. Sicher ist mal die eine oder andere Frau dabei, aber die Vieltelefonierer, Dampfplauderer und Laut-Sprecher sind in der Regel Männer.

Während ich mich mit Laptop und den zu bearbeitenden Akten in meinem Sitz einrichte, beginnen meine geschätzten Mitreisenden, kaum dass sie ihren Platz warmgesessen haben, mit weltbewegenden Mitteilungen wie „Schatz, ich bin gerade eingestiegen“, „ich komme in x Stunden an“ oder dergleichen erschütternder Nachrichten mehr. Gerne werden auch gesamte Geschäftsunterlagen, Angebote, Vorlagen oder was auch immer im Detail durchdekliniert. Noch gerner werden Mitarbeiter, ich schätze eher Mitarbeiterinnen „zusammengeschissen“ und am gernsten wird dieser Erfolg im nächsten Telefonat dem Kollegen brühwarm erzählt. Das alles geschieht sehr häufig im lauten Brustton selbstgerechtester Überzeugung und – zum Missvergnügen aller Mitreisenden – in jeder Silbe mithörbar.

Diese Welle verbaler Inkontinenz schwappt also über mich hinweg und das Konzentrieren auf Laptop und Akten wird zunehmend schwer. Seufze ich mal hörbar oder bitte um Absenken des Heldentenors, ernte ich Blicke wie „Spaßbremse“ oder „Gewitterziege“ und handele mir auch mal einen Rüffel ein, absolute Ruhe gäbe es im Zug nun mal nicht und ich sei hier schließlich nicht allein.

GENAU, Ihr Lieben. Ihr mögt noch so wichtig sein und euer Handy, IPhone oder was immer noch so toll. Reden ist gut, aber nicht überall, über alles und mit Stentorstimme.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring

Mein Kommentar
Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
0 Kommentare zu diesem Beitrag
Twitter-Icon

Folgen Sie uns auch auf Twitter!
Wir informieren Sie rund um das Thema Gleichstellungrecht.
https://twitter.com/GleichstellungR

banner-gleichstellungs-und-gleichbehandlungsrecht.png
rehm_e-line_banner_355x355_L1_Var1.jpg
SX_LOGIN_LAYER