Vollzeitäquivalente und die Unterrepräsentanz von Frauen
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Hurra“, dachte ich beim Lesen, „endlich kommen wir an, wo wir lange sein sollten“, denn diesen Ansatz verfolge ich schon länger und hatte auch schon verschiedene Vorstöße in diese Richtung gemacht – bisher leider ohne Erfolg (siehe Blogbeitrag vom 21.6.2010 „Jeder Kopf zählt gleich!“).
Unter dem Aspekt des Gender Mainstreaming, d.h. der Berücksichtigung geschlechtsspezifischer Belange ist das bisher übliche Zählen nach Köpfen nämlich recht fragwürdig. Gender Mainstreaming verlangt, dass bei allen Entscheidungen die Auswirkungen auf die Betroffenen betrachtet und eventuelle Nachteile für eine Gruppe ausgeglichen werden müssen.
Keine/r wird bestreiten, dass sich Teilzeit vor allem für Frauen negativ auswirkt – in Repräsentanz und Karriere, in Macht und Geld, in Ansehen und Einfluss. Also müssen das Reservoir an Frauen erhöht und die Ressourcen gleichmäßig verteilt werden.
Ich will an einem Beispiel darstellen, was ich meine:
Eine Behörde hat 100 Stellen, die mit 100 Männern besetzt sind, die 100 % arbeiten. Nun bekommt der Dienststellenleiter Druck von oben, dass er Gleichstellung herstellen soll. Also arbeiten künftig alle Männer 90% und die 100x10% gehen an 100 Frauen, die je 10% arbeiten. Dann hätten wir eine Verdoppelung der Beschäftigtenzahl und wunderbare 50%:50% Männer und Frauen. Aber hätten wir Gleichstellung? Ganz sicher nicht!
Das Beispiel ist zugegebenermaßen überspitzt, macht aber die Notwendigkeit, in Vollzeitäquivalenten zu rechnen, überdeutlich.
Dennoch schreckt viele – gerade auch Gleichstellungsbeauftragte - der Gedanken, dass durch das Rechnen in Vollzeitäquivalenten die Unterrepräsentanz von Frauen in Zahlen noch deutlicher erkennbar wird. Wir alle haben schließlich immer noch Schwierigkeiten, auch nur die Zahl der Köpfe, d.h. die Zahl der in einer Dienststelle arbeitenden Frauen und Männer in ein 50:50%-Gleichgewicht zu bekommen.
Dennoch ist das Rechnen in Vollzeitäquivalenten kein Luxusproblem. Es ist eine Frage fairer Chancen, ein Gender Mainstreaming-Muss und auch notwendiges Stellen- und Planstellen-Gender Budgeting.
Es ist zudem nichts wirklich Neues, denn alle Dienststellen rechnen seit Jahrzehnten in Vollzeitäquivalenten. Jede Dienststelle hat heutzutage wesentlich mehr Beschäftigte als Planstellen und Stellen. Das liegt an den vielen verschiedenen Formen von Teilzeit, die inzwischen üblich sind. Stellenreste werden für die Einstellung weiterer Personen genutzt und am Ende ist es für Personalhaushälter/innen lediglich wichtig, dass sie ihren Stellenhaushalt ausgeglichen, d.h. nicht überbucht haben. Dieses Prinzip ist überall akzeptiert und wird von niemandem in Frage gestellt. Nur bei der Gleichstellung soll diese Art des Rechnens nicht möglich sein. Das können wir Gleichstellungsbeauftragte nicht zulassen.
Also: Die Errungenschaft flexibler Arbeitszeitmodelle darf nicht aufgrund familienfeindlichen Beharrungsvermögens von Männern zu einer mittelbaren Benachteiligung von Frauen in Form einer geringeren Teilhabe am Gesamtvolumen von Arbeit und Einkommen führen.
Daher sollten wir uns, falls in der kommenden Legislatur eine Novellierung des Bundesgleichstellungsgesetzes in Angriff genommen wird, dafür einsetzen, dass der o.g. Passus aus dem Entwurf des hessischen Gleichstellungsgesetzes ins Bundesgleichstellungsgesetz übernommen wird und auch für uns in den Bundesbehörden und Bundesgerichten gilt.
Herzlich
Ihre Kristin Rose-Möhrin
* § 9(4) Gesetzentwurf der Fraktion der SPD für ein Hessisches Gesetz über die Gleichberechtigung von Frauen und Männern und zum Abbau von Diskriminierungen von Frauen in der öffentlichen Verwaltung (HGlG), Drucksache 18/7246 vom 16.4.2013 – Hessischer Landtag, 18. Wahlperiode
|
Folgen Sie uns auch auf Twitter! |

