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Vor 40 Jahren: Fräulein, ade!

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Mit Beginn dieses Jahres hat eine kleine Gemeinde in Frankreich als erste Kommune des Landes auf amtlichen Formularen die „Mademoiselle“ abgeschafft. Noch im September vergangenen Jahres berichtete die Süddeutsche Zeitung aus Frankreich, wo es bis heute üblich sei, „dass ledige Frauen sich auf Behörden- oder Unternehmensformularen als unverheiratet ´outen´ müssen, indem sie sich als ´Mademoiselle´ bezeichnen. Schlimmer noch: Wer das Kreuzchen an der falschen Stelle macht, riskiert, dass Verträge wegen falscher Angaben für ungültig erklärt werden.“

Liebe Leserin, lieber Leser,

nicht zu fassen in heutiger Zeit und doch scheint so mancheM der Untergang des (frankophonen) Abendlandes zu drohen, weil mit der Mademoiselle „ein Stück Kulturgut“ verloren gehen werde.2 Arme Kultur, wenn sie davon abhängig ist.

In Deutschland, zumindest in den alten Bundesländern, ist diese Diskussion schon älter. 1955 verfügte das Bundesinnenministerium, „dass in amtlichen Schreiben jede weibliche Person, die das wünsche, mit ´Frau´ bezeichnet werden müsse.“3

1972 schließlich ordnete das BMI an, dass der Gebrauch des Wortes „Fräulein“ in Bundesbehörden zu unterlassen sei: „Es ist an der Zeit, im behördlichen Sprachgebrauch der Gleichstellung von Mann und Frau und dem zeitgemäßen Selbstverständnis der Frau von ihrer Stellung in der Gesellschaft Rechnung zu tragen“.4In der Tat! Damals war die Bundesregierung noch fortschrittlich, denn die moderne Frauenbewegung hatte gerade erst Fahrt aufgenommen.

Und so werden wir deutschen Frauen im Erwachsenenalter schon seit 40 Jahren nicht mehr verkleinert und versächlicht, denn DAS Fräulein hatte auch noch diesen Makel. Allerdings kann ich mich als nicht mehr ganz taufrisches Semester erinnern, dass ich noch bis in die 1980er Jahre als „Frollein“ angesprochen wurde. Jede Richtigstellung in „Frau“ wurde als Anmaßung oder gar unberechtigte Aneignung des Ehestatus‘ betrachtet und mit missbilligendem Kopfwackeln sanktioniert. Im schlimmsten Fall galt ich als „Emanze“ – das Schimpfwort schlechthin in der damaligen Zeit. Heute würde ich gelassen antworten: „Danke, immer wieder gern“.

Ein europäischer Arbeitgeber ging einmal so weit, die Sachlage zu hinterfragen, um mich dann im offiziellen Schriftverkehr, in allen Listen und Verzeichnissen wieder auf die Stufe Fräulein abzusenken. Das geschah bei Männern nie, denn ein Herrlein wurde noch nicht gesichtet. Aber ein Mann ist eben ein Mann – verheiratet oder nicht – und ihn zu verkleinern? Undenkbar!

Und selbst im Kindesalter werden wir schon auf Unterschiede getrimmt. Zum neutralen Begriff „Junge“ gibt es als Gegenentwurf nur „Mädchen“, DAS Mädchen wohlgemerkt und wortgeschichtlich eine Verkleinerungsform von „Magd“.

Sprache bestimmt das Denken und es muss also etwas dran sein an den weisen Worten der vor 25 Jahren verstorbenen Feministin und Philosophin Simone de Beauvoir „Man wird nicht als Frau geboren, man wird es.

Herzlich,

Ihre Kristin Rose-Möhring

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