Wehrdienst, Zivildienst und Gleichstellung
Liebe Kolleginnen und Kollegen,
Sie werden sich und mich nun vielleicht fragen, ob dies ein gleichstellungspolitisches Thema ist. Auf den ersten Blick: nein, denn was haben Militär und Gleichstellung miteinander zu tun, außer dass es gut wäre, sie hätten etwas mit einander zu tun.
Auf den zweiten Blick: sehr wohl. Der Zivildienst brachte oder bringt derzeit noch junge Männer in Berufssparten, die sonst fast reine Frauendomänen sind: Arbeit in Krankenhäusern und Altenpflegeheimen, in Kindergärten und anderen sozialen Einrichtungen sowie im Bereich mobiler Hilfs- und Pflegedienste für alte, kranke und schwerbehinderte Menschen. Bedarf und Nachfrage waren und sind groß.
Die Zivildienstleistenden, liebevoll „Zivis“ genannt, lernten den Alltag dieser „Frauenberufe“ kennen, erlebten hautnah die permanente psychische und physische Überforderungen der meist weiblichen Pflegekräfte und hörten von der Unterbezahlung dieser Dienste.
Vor allem aber: Sie lernten bei der Arbeit vor Ort soziale Kompetenzen wie Verantwortung für hilfsbedürftige Menschen, Zuverlässigkeit, Mitgefühl, Hilfsbereitschaft, Arbeiten im sozialen Team und vieles mehr. Und die Zivis spürten auch die Dankbarkeit derjenigen, denen sie außer Hilfe im Alltag Aufmerksamkeit und Zeit schenkten, wenn deren Kontakt zur Außenwelt eingeschränkt oder verloren gegangen war und diese sich einsam und vergessen fühlten.
Viele Zivildienstleistende haben später berichtet, dass sie in ihrer Zivildienstzeit Erfahrungen gemacht und Prägungen erfahren haben, die sie nicht mehr missen wollten. Und es entschied sich auch eine nicht zu unterschätzende Zahl junger Männer für Berufe in Pflege und Betreuung, als Sozialarbeiter oder Sozialpädagoge.
Diese Sozialisationsstation im Lebenslauf junger Männer fällt nun weg und sie müssen – und werden hoffentlich – solche Erfahrungen an anderer Stelle machen. Viel Geld wird ausgegeben werden, um z.B. junge Männer für den Beruf des Erziehers in Kitas und Kinderheimen zu gewinnen. Freiwillige sollen gewonnen werden und noch ist offen, ob und wie es gelingt, den Bedarf künftig zu decken.
Natürlich sind das alles keine Argumente, um einen Ersatzdienst, der an einen Pflichtdienst gekoppelt ist, aufrechtzuerhalten. Aber ein wenig schade ist es aus Gleichstellungssicht schon, dass junge Männer soziale Kompetenzen nicht mehr auf diese Weise, quasi per Verordnung, erlangen müssen.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
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