„Wenn eine eine Wahl erlebt, …Teil 1
Liebe Leserin, lieber Leser,
dass Männer protestieren, ist seit zehn Jahren die bekannte Kakophonie1 fast aller GB-Wahlen. Männer sehen sich benachteiligt, wollen mitwählen oder einen eigenen Beauftragten oder sie zweifeln an der Verfassungsmäßigkeit eines rein weiblichen Wahlrechts. Die Kandidatinnen müssen meist viele unangenehme Fragen beantworten oder Häme und Zynismus für diesen „ungerechten Frauenkram“, die „einseitige Bevorzugung von Frauen“ etc. über sich ergehen lassen. Hier empfehle ich allen männlichen Kollegen einen Blick in die Gesetzesbegründung zum Bundesgleichstellungsgesetz von 20012 . An den dort angesprochenen Verhältnissen3 hat sich nicht wirklich viel zum Besseren verändert, wie im Analyseteil des Zweiten Erfahrungsberichts4 nachzulesen ist.
Auch kommt es vor, dass sich im Vorfeld der Wahlen Männer der Dienststelle, selbst (oder gerade?) solche in Führungspositionen, in die Suche nach Alternativkandidatinnen zur amtierenden Gleichstellungsbeauftragten einmischen (siehe Blogbeitrag „Unbequem ist gut“ vom 30.4.2012). Für diese (die Gleichstellungsbeauftragte, nicht die Männer!) natürlich ein „Ritterinnenschlag“ und damit eine historische Sensation5 . Aber irgendwie auch typisch, dass es Männer beim einzigen Vorgang in einer Dienststelle, bei dem sie nichts zu sagen haben – überwiegend Frauen organisieren die Wahl6 , ausschließlich Frauen kandidieren und ausschließlich Frauen wählen – nicht lassen können, sich einzumischen.
Das gilt auch für Personalvertretungen. Auch sie haben sich in einigen Fällen schon auf die Suche nach scheinbar „besseren“ Alternativen zur Amtsinhaberin gemacht und Kandidatinnen damit zu locken versucht, dass sie sie bei der Wahl unterstützen und später im Behördenalltag mit ihr zusammenarbeiten würden. Zusammenarbeit und Erfahrungsaustausch sind natürlich immer gut, aber keine Gleichstellungsbeauftragte darf vergessen – und die meisten wissen das auch genau -, dass die Rollen von Personalrat und Gleichstellungsbeauftragter sehr unterschiedlich sind. Hie Interessenvertretung, da Sachwalterin der BGleiG-Ziele; hie Ehrenamt, da Teil der Verwaltung.
Die kluge Kandidatin weiß zudem, dass ein so lockender Personalrat mit seiner Wahlaufforderung sie gleich zweimal über den Tisch zu ziehen versucht. Er will sich zum einen eine möglicherweise aktivere, bessere oder engagiertere Gleichstellungsbeauftragte vom Halse schaffen und eine vielleicht zugänglichere Kollegin ins Amt hieven; die Aufforderung zur Wahl ist damit ggf. ein sehr zweifelhaftes Kompliment. Er will sich zum anderen aber auch über das Versprechen von Wahlunterstützung und künftig vertrauensvoller Zusammenarbeit – im Behördenjargon oft „grauenvolle Zusammenarbeit“ genannt - ihre Stellung als Teil der Verwaltung zunutze machen. Nach dem Bundesgleichstellungsgesetz ist die Gleichstellungsbeauftragte weit vor dem Personalrat zu beteiligen und so ist es für eine Personalvertretung natürlich eine enorme Verlockung, auf diese Weise ggf. früher an Informationen zu kommen. Also Vorsicht vor zu viel Versprechungen, Lob und Komplimenten.
Passiert das alles nicht und der Personalrat bleibt auf professioneller Distanz, kann Ungemach aus anderer Ecke drohen. In einem Fall wurde ausgerechnet im Zusammenhang mit der Wahl der Gleichstellungsbeauftragten und direkt nach Erscheinen der ersten Wahlinfos der kandidierenden Kollegin die Frage aufgeworfen, wer die Kosten für die – in diesem Falle gedruckten – Wahlinfos tragen müsse.
Na, wer ist das wohl? Die Gleichstellungsbeauftragte ist wie der (Haupt-/Gesamt-/örtliche) Personalrat Teil der Dienststelle, der Wahlkampf eine hausinterne Angelegenheit. Während die Personalvertretungen in der Regel Gewerkschaften oder Verbände hinter sich haben – Ausnahme sind ggf. die sogenannten freien Listen – ist das bei der Gleichstellungsbeauftragten äußerst selten der Fall. Also sind Flyer, Wahlzettel, Infos zu Wahl etc. Teil der internen Information.
So lange hier die Kosten nicht ausufern und die Art der Information nicht völlig der betrieblichen Übung widerspricht, ist gegen solche Wahlinstrumente nichts einzuwenden. Interessant ist aber, dass in dem genannten Fall der Aufhänger für diese Frage ausgerechnet die Wahl einer Gleichstellungsbeauftragten war. Sollte sie verunsichert oder gar mundtot gemacht werden?
Der Wahlvorlauf ist also schon einmal ein erster Hinweis auf die Widrigkeiten, die einer Gleichstellungsbeauftragten im grauen Alltag begegnen können. Toll, dass sich immer noch so viele engagierte Frauen für das Amt interessieren. Das weitere Wahlverfahren und der Wahlkampf selbst können dann wieder neue, andere „Prüfungen“ für die mutigen Kolleginnen bereithalten. Diese diskutieren wir nächste Woche im zweiten Teil dieses Blogs.
Herzlich,
Ihre Kristin Rose-Möhring
1 Kakophonie" (aus dem griechischen „kakós“: schlecht und „phōné“: Laut, Ton, Stimme) bezeichnet u.a. in der Musik Laute und Geräusche, die besonders hart, unangenehm oder unästhetisch klingen. Dissonanzen werden häufig als kakophon bezeichnet. Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Kakophonie
2 BT-Drucks. 14/5679 vom 28.3.2001
3 a.a.O., S. 1: „Über 50 Jahre nach der Festschreibung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern im Grundgesetz (Artikel 3 Abs. 2) und sechs Jahre nach der Schaffung des ausdrücklichen grundgesetzlichen Auftrages, dieses verbindliche Staatsziel auch tatsächlich durchzusetzen, ist es noch immer nicht gelungen, Verhältnisse zu schaffen, in denen Frauen und Männer in gleicher Weise an allen gesellschaftlichen Lebensbereichen teilhaben. Formale Gleichberechtigung und faktische Gleichstellung klaffen auch heute noch weit auseinander. Dies gilt auch immer noch für den Bereich des öffentlichen Dienstes des Bundes.“
4 BT-Drucks. 17/4307 vom16.12.2010
5 „Der Ritterschlag ist ein feierlicher Initiationsritus, mit dem ein Mann von einem Herrscher oder einem anderen Adeligen in den Ritterstand erhoben wurde.“ Siehe auch http://de.wikipedia.org/wiki/Ritterschlag
6 § 6 Gleichstellungsbeauftragten-Wahlverordnung - „Die Dienststelle bestellt einen Wahlvorstand aus drei volljährigen Beschäftigten … Dem Wahlvorstand sollen mindestens zwei Frauen angehören.“
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