Zugespitzt: Ein Mann als Bundesgleichstellungsminister?
Liebe Leserin, lieber Leser,
einen Mann an der Spitze hatte das Bundesministerium schon mehrfach; allerdings ist das schon sehr lange her; zuletzt war es Heiner Geißler von 1982 bis 1985, als es die Frauen noch nicht einmal in den Namen des zuständigen Ministeriums geschafft hatten. Sein Erziehungsgeld und die damals noch „Erziehungsurlaub“ genannte Elternzeit sowie die Anerkennung von Erziehungszeiten in der Rentenversicherung gingen in die richtige Richtung und er bereitete den Weg, den die erste Bundesfrauenministerin Prof. Dr. Rita Süssmuth dann entschlossen weiterging. Geißler war vor allem Generalsekretär der CDU und nur „nebenbei“ Minister für Jugend, Familie und Gesundheit. Nach seiner Aussage war dies eher ein Halbtagsjob.
Warum also nach der Erfahrung die Idee eines Mannes an der Spitze? Wegen der Männerförderung, die sich wie eine Wahnvorstellung durch die aktuelle Gleichstellungspolitik des Bundes zieht. Ein Mann hat vielleicht einen anderen Blick darauf, weniger verstellt von der eigenen bisherigen Karriere.
Wir Gleichstellungsbeauftragte haben uns früher immer mal wieder gefragt, ob nicht ein Mann in den 50er oder 60er Jahren seines Lebens mit Töchtern, die gerade mit all den Vereinbarkeitsfragen von Frauen kämpfen, einen offeneren Blick auf deren Wirklichkeit haben könnte und so einen guten beamteten Staatssekretär oder gar Minister abgeben könnte.
Die Frauen in diesen Positionen sind Karrierefrauen. Sie haben sich in einer Männerwelt durchgesetzt, waren zu gut und/oder zu geschickt, „unten“ hängen zu bleiben. Sie kennen zwar gläserne Decken, für sie sind das aber Fußböden und oft Startebenen für weitere Karrieren. Ihre Erfolge verdanken sie in ihren Augen nur sich allein. Oft geben sie sich als die „besseren“ Männer.
Quote ist für sie ein Schimpfwort, ein Schandfleck, ungeachtet der Tatsache, dass sie meist doch ihre Karriere gefördert hat. Eine Ministerin war sogar dafür bekannt, dass sie Kohls Sechsfachquote erfüllt hat: weiblich, jung, aus dem Osten, verheiratet, Kind, katholisch. Das Geschlecht war für die meisten Ministerinnen kein Nachteil, sondern ein Vorteil.
Diese Frauen sind meist zu jung, um die Zeiten der schweren Kämpfe um Gleichstellung zu kennen oder gar erlebt zu haben. Rechtslagen, nach denen ein Mann den Arbeitsvertrag seiner Ehefrau kündigen konnte, wenn er meinte, sie vernachlässige die Hausarbeit, oder nach denen eine Frau das Einverständnis ihres Ehemannes brauchte, um ein Konto zu eröffnen, sind für sie keine erlebte Vergangenheit, sondern kuriose geschichtliche Randerscheinungen.
Mit diesem persönlichen Hintergrund und ohne Kenntnis der historischen und der modernen Frauenbewegung kann es schwer sein, strukturelle Benachteiligung wirklich zu verstehen und Frauenförderung zum eigenen Thema zu machen. Da spielen die erfolgsverwöhnten Ministerinnen lieber mit dem Gedanken einer Männerförderung. Das halten sie für chic und modern, ohne zu sehen, dass sie damit die schwere Gleichstellungsarbeit der Vergangenheit und die im Schneckentempo erreichten Frauenfördererfolge mit Füssen treten. Aber es ist ja auch nicht ihre Arbeit gewesen und dass ihre eigene Karriere dadurch erst möglich wurde, ist in ihrem Bewusstsein nicht wirklich verankert.
Das führt mich zu dem Gedanken, ob ein Mann an der Spitze einen anderen Ansatz fände. Zurzeit geschieht dort nichts außer leeren Ankündigungen und Männerförderung. Vielleicht wäre sich ein Mann dann doch zu fein für ein banales Fifty/fifty-Zahlenspiel, für ein simples „planwirtschaftliches“ Vorgehen, wie ein Gleichstellungsexperte es einmal nannte.
Oder es könnte ein zweiter Heiner Geißler sein, der den Weg bereitet für eine Frau à la Rita Süssmuth, die die echte Gleichstellung von Frauen mit Männern dann wirklich angeht.
Spüren Sie meine Verzweiflung?
In diesem Sinne grüße ich Sie herzlich
Ihre Kristin Rose-Möhring
P.S. Wegen der Osterferien folgt nun eine Pause; wir lesen uns hier wieder am 27. April. Und der Vollständigkeit halber noch der Hinweis, dass ich inzwischen in den Ruhestand gegangen bin. Ich hoffe, viele engagierte und entschlossene Gleichstellungsbeauftragte werden den Weg bis zur echten Gleichstellung von Frauen weitergehen.
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