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Lebensmittelrecht – Beschluss des VGH Mannheim vom 24.10.2024 zum Tatbestand „Inverkehrbringen“

Die Legaldefinition für ein Inverkehrbringen von Lebensmitteln findet sich in Art. 3 Nr. 8 der Lebensmittelbasisverordnung (EG) Nr. 178/2002. Mit dem Beschluss vom 24.10.2024 -9S 1010/24- und zwei amtlichen Leitsätzen beschreibt der VGH Mannheim ein Inverkehrbringen mit Bezug auf die Tatbestände „eines Bereithaltens von Lebensmitteln zu Verkaufszwecken“ und einer „Weitergabe“ näher.

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Im Eilverfahren gegen die Veröffentlichung von Verstößen und Benennung von Unternehmen nach § 40 Abs. 1a LFGB hat der VGH Baden-Württemberg die Tatbestände des Inverkehrbringens näher beleuchtet. Zu den Hintergründen:

Nach Art. 14 Abs. 1 sowie Abs. 2 a) und b) BasisVO ist das Inverkehrbringen von unsicheren in Form von gesundheitsschädlichen oder für den menschlichen Verzehr nicht geeigneten Lebensmitteln verboten. In der Überwachungspraxis ergibt sich dabei oftmals die Fragestellung, dass einerseits eine Gesundheitsschädlichkeit oder Verzehrsungeeignetheit eines Lebensmittels ausreichend sicher erwiesen ist und dass dagegen jedoch ein etwaiges Inverkehrbringen noch nicht geklärt ist. Diese Szenarien sind beispielsweise gegeben, wenn ein tatsächlicher Abverkauf oder ein Bereithalten für die Verbraucher im Verkaufsraum nicht nachweisbar ist und demnach weniger eindeutige Indizien für die Bewertung im Zuge der Beweiswürdigung relevant sind.

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In diesem Zusammenhang stellt der VGH mit Bezug auf einen der äußerst möglichen Tatbestände in Form eines „Bereithaltens zu Verkaufszwecken“ mit dem amtlichen Leitsatz 1 klar, dass das betreffende Lebensmittel sich in einem verkaufsfertigen Zustand befinden muss, mithin der Herstellungsprozess abgeschlossen ist und die Ware im Betrieb auf einem etablierten Prozess beruhenden Kontrollmaßnahmen durchlaufen hat.

Die Legaldefinition mit der nachvollziehbar relativ weiten Auslegung eines Inverkehrbringens nennt diesbezüglich auch „jede andere Form der Weitergabe“. Diesbezüglich ist der VGH gemäß Leitsatz 2 der Auffassung, dass unter Berücksichtigung der relativ weiten Auslegung gleichwohl mindestens eine Abgabe aus dem Verantwortungsbereich eines Unternehmens hinaus und damit an Dritte gemeint ist.

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Mit Bezug auf vorstehende Tatbestände hat der VGH im vorliegenden Einzelfall ein Inverkehrbringen von Brühwürsten mit Schimmelbefall noch nicht gegeben gesehen. Dabei lagen die im Ursprungsbetrieb produzierten Erzeugnisse in einem Kühlraum in einer Filiale. Nach Einschätzung des VGH waren jedoch noch nicht alle Kontrollschritte mit möglichen Korrekturen bzw. einer Aussonderung der Würste durch Unternehmenspersonal durchlaufen worden. Im Ergebnis war damit im Einzelfall maßgeblich, dass das Unternehmen erfolgreich einen noch anstehenden Kontrollschritt mit einer möglichen Aussonderung der Erzeugnisse glaubhaft machen konnte. Hinsichtlich ähnlicher Sachverhalte bejaht das Praxishandbuch „Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen“, Ludwig, 8. Auflage, 2024, mit Bezugnahme auf einschlägige Rechtsprechung, dass ein Inverkehrbringen bei beispielsweise einem angebrochenen Glas Aprikosenkonfitüre mit Schimmelbefall in einem Hotelkühlschrank oder Fleisch in einem Kühlraum mit erkennbarer Absicht zum Verkauf gegeben sein kann.

Mit Bezug auf die Überwachungspraxis und zugehörige behördliche Beweiswürdigungen ist demnach Folgendes festzuhalten: Wenn ein tatsächlicher Abverkauf von Erzeugnissen oder das Bereithalten im Verkaufsbereich direkt für die Verbraucher noch nicht eindeutig nachgewiesen werden können, so kann eine nähere Gesamtbetrachtung der einzelnen Sachverhalte bzw. Indizien gemäß der Leitsätze des VGH erforderlich sein. Im Zuge solcher Szenarien werden Unternehmen absehbar geltend machen, dass die unsicheren Erzeugnisse z. B. in einem Kühlschrank oder in einem Kühlraum noch nicht abverkauft wurden und diese im Zuge von Korrekturmaßnahmen noch ausgesondert worden wären. Dagegen können tragende Indizien für ein Inverkehrbringen sein, wenn Mängel nach fachkundiger Einschätzung mindestens über einen gewissen Zeitraum bestanden haben und währenddessen unter solchen Bedingungen die entsprechenden Lebensmittel abgegeben wurden. Bei Grenzfällen kann ebenso die (ergänzende) Argumentation hilfreich sein, dass Lebensmittel in einem Unternehmen bestimmungsgemäß grundsätzlich Lebensmittel sind, solange sie nicht als Abfall oder Retoure gekennzeichnet sind bzw. sich in entsprechenden Behältnissen befinden. Wenn eine Behörde in einem Einzelfall ein entsprechendes Inverkehrbringen noch nicht ausreichend sicher nachweisen kann, kommt in Betracht, das Unternehmen auf den Sachverhalt in solch einer Grauzone ausdrücklich hinzuweisen und dass bei einer Wiederholung eines solchen Szenarios erhärtete Indizien für ein Inverkehrbringen vorliegen. Vorsorglich ist ergänzend zu erwähnen, dass eine objektive behördliche Beweiswürdigung ohnehin beinhaltet, dass eine Fachbehörde sogenannte Ausreißer in einem Betrieb in Verbindung mit einer tatsächlich mangelnden Absicht eines Inverkehrbringens zu Gunsten eines Unternehmens erkennt.

Stephan Ludwig
Landratsamt Göppingen, Lebensmittelüberwachung

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