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Veröffentlichung von Lebensmittelverstößen: BVerfG rügt lange Eilverfahren

Bei erheblichen oder wiederholten lebensmittelrechtlichen Verstößen mit einer Bußgeldprognose ab 350 € müssen Behörden die Unternehmen nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB unverzüglich benennen. Grund ist, dass der Informationswert für Verbraucher mit der Zeit abnimmt und Eingriffe in Unternehmensrechte sonst unzulässig sein können. Bloßer Personalmangel rechtfertigt keine lange Verzögerung. Einstweiliger Rechtsschutz galt bisher als unbedenklich; das BVerfG stellte nun klar, dass 14 Monate Verfahrensdauer in zweiter Instanz nicht ohne nähere Prüfung akzeptiert werden dürfen.

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I. Sachverhalt und Rechtslage

Bei nicht unerheblichen oder wiederholten lebensmittelrechtlichen Verstößen mit einer Bußgeldprognose von mindestens 350,- € sind die Überwachungsbehörden zur Publikation der Verstöße unter Benennung der Unternehmen verpflichtet nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 Lebensmittel- und Futtermittelgesetzbuch. Nach der gesetzlichen Vorgabe muss die Veröffentlichung „unverzüglich“ erfolgen. Die Rechtsprechung1 hat hierzu bereits dargelegt, dass bei einem zeitlichen Abstand von 6 Wochen zwischen dem Verstoß und der Publikation die Zeitspanne noch sachlich gerechtfertigt und somit unbedenklich ist. Dies ergibt sich daraus, dass „unverzüglich“ nach seiner Legaldefinition in § 121 BGB und „ohne schuldhaftes Verzögern“ zwar an ein subjektives Verhalten anknüpft. Jedoch ist in den Verfahren nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB „unverzüglich“ jeweils nach objektiven Kriterien auszulegen. Demnach ist maßgeblich, ob Sachargumente in Verbindung mit beispielsweise Anhörungen, Ermittlungen und einstweiligen Rechtsschutzverfahren einen zeitlichen Abstand entsprechend rechtfertigen können.

In diesem Zusammenhang wurde bislang die Dauer von einstweiligen Rechtsschutzverfahren als rechtsstaatliches Instrument -quasi auch im Interesse der Unternehmen- als grundsätzlich unbedenklich angesehen. Im vorliegenden Fall dauerte das Beschwerdeverfahren in der 2. Instanz vor dem Verwaltungsgerichtshof jedoch 14 Monate. Dazu hat das BVerfG nun mit Beschluss vom 28.7.2025 -1 BvR 1949/24- klargestellt, dass eine Dauer eines einstweiligen Rechtsschutzverfahrens von 14 Monaten bzgl. einer Instanz nicht einfach als unbedenklich angesehen werden kann, sondern dass dann ebenfalls – wie in den vorausgehenden behördlichen Verwaltungsverfahren – die Gründe näher zu beleuchten sind. Folglich kann eine Veröffentlichung nicht mehr zulässig sein.

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II. Ergebnis/Fazit:

Das BVerfG hat nachvollziehbar Grenzen gesetzt: Danach können auch gerichtliche Verzögerungen die Pflicht zur Veröffentlichung von Verstößen und Unternehmen entfallen lassen. Dies folgt dem Grundsatz, dass der Wert der Information für eine Kaufentscheidung der Verbraucher mit der Zeit abnimmt und ab einem gewissen Zeitpunkt einen Eingriff in die Rechte der Unternehmen durch die Publikation nicht mehr rechtfertigen kann.

Welche konkreten Auswirkungen dieser Beschluss auf zukünftige Veröffentlichungsverfahren hat, bleibt abzuwarten – wir halten Sie auf dem Laufenden.

Die Veröffentlichung von Verstößen unter Benennung der Unternehmen wird auch im Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Ludwig, 8. Auflage, Oktober 2024, abgehandelt: rehm eLine | Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstoessen - 16.2 Veröffentlichung nach § 40 Abs. 1a LFGB

Die Verfahren nach § 40 Abs. 1a Nr. 3 LFGB wurden auch mit den vorliegenden Newslettern schon näher beleuchtet: Veröffentlichung auf der Grundlage des § 40 Abs. 1a Satz 1 Nr. 1 LFGB

Stephan Ludwig
Landratsamt Göppingen, Lebensmittelüberwachung


1 vgl. Kapitel 16.2 im Praxishandbuch Behebung und Verfolgung von Lebensmittelverstößen, Ludwig, 8. Auflage, bezugnehmend auf Beschluss VG München vom 30.10.2023 – M 26a E 23.5106 verweisend auf Beschluss OVG Bremen vom 25.2.2022 – 1 B 487/21 – BeckRS 2022, 4522 Leitsatz und Rn. 28; Beschluss VGH Baden-Württemberg vom 9.11.2020 – 9 S 2421/20 – BeckRS 2020, 3 und Beschluss BayVGH vom 4.11.2022 – 20 CE 22.2069 – BeckRS 2022, 31585 Rn. 19 ff.

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