Reaktionen auf das Tarifeinheitsgesetz
Das Tarifeinheitsgesetz ist am 10. Juli 2015 in Kraft getreten. Ziel des Gesetzes ist es, Tarifkollisionen innerhalb eines Betriebs zu vermeiden. Fünf Gewerkschaften haben gegen das Gesetz Beschwerden vor dem Bundesverfassungsgericht eingereicht.
Wesentlicher Inhalt
Das Tarifeinheitsgesetz sieht im Kern vor, dass im Fall der Tarifkollision, bei der mehrere Gewerkschaften unterschiedliche Tarifverträge für ein und dieselbe Beschäftigtengruppe geschlossen haben, im Betrieb nur der Tarifvertrag derjenigen Gewerkschaft zur Anwendung kommt, die dort die meisten Mitglieder hat. Die Gewerkschaften werden zur Zusammenarbeit, zur Bildung von Tarifgemeinschaften und zum Abschluss inhaltsgleicher Tarifverträge bzw. zur Nachzeichnung von Tarifverträgen der Mehrheitsgewerkschaften aufgefordert. Das Gesetz bezieht sich dabei nur auf nach dem 10. Juli 2015 neu abgeschlossene Tarifverträge.
Keine Änderungen gibt es für den Fall der Tarifpluralität, bei der mehrere Gewerkschaften unterschiedliche Tarifverträge für verschiedene Beschäftigtengruppen abgeschlossen haben. Hier bleiben sämtliche Tarifverträge anwendbar. Gewerkschaften können daher insbesondere durch die Abgrenzung ihrer Zuständigkeitsbereiche weiterhin nebeneinander agieren.
Verfassungsbeschwerden
Fünf Gewerkschaften, darunter der Marburger Bund, haben jeweils Verfassungsbeschwerde gegen das Tarifeinheitsgesetz eingereicht. Außerdem liegen drei Eilanträge beim Bundesverfassungsgericht vor, die Anwendung des Gesetzes bis zur Entscheidung in der Hauptsache auszusetzen.
Die Gewerkschaften machen die Verletzung des Grundrechts der Koalitionsfreiheit aus Art. 9 Abs. 3 GG geltend.
Streikrecht
Das Tarifeinheitsgesetz enthält keine Regelungen in Bezug auf die Folgen von Tarifkollisionen für das Streikrecht.
Der Freistaat Bayern hat im Juli eine Entschließung in den Bundesrat eingebracht, das Streikrecht in der Daseinsvorsorge so zu regeln, dass die Versorgung der Bevölkerung durch Streiks nicht gefährdet wird. Dies soll insbesondere durch Einführung eines obligatorischen Schlichtungsverfahrens, einer Ankündigungsfrist von vier Werktagen sowie durch verpflichtende Notdienstvereinbarungen erreicht werden. Der Antrag ist zur Beratung dem Ausschuss für Arbeit und Sozialpolitik zugewiesen worden.
Die Position der VKA
Die VKA fordert seit Aufgabe des Grundsatzes „ein Betrieb, ein Tarifvertrag“ durch das BAG im Jahr 2010, für das Miteinander konkurrierender Gewerkschaften klare gesetzliche Spielregeln aufzustellen und dem Grundsatz der Tarifeinheit wieder Gültigkeit zu verschaffen. In ihrer letztjährigen Herbstsitzung hat die Mitgliederversammlung das Vorhaben, die Tarifeinheit gesetzlich zu regeln, ausdrücklich begrüßt, aber erneut klare und verlässliche gesetzliche Regeln für Arbeitskämpfe angemahnt.
Mit den tarifpolitischen Folgerungen des Gesetzes werden sich die Gremien der VKA in ihren anstehenden Herbstsitzungen befassen.
Quelle: VKA Nachrichten/September 2015
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
