VKA zum Thema „kommunaler Nahverkehr“
Rechtsgrundlage dieser eigenwirtschaftlichen Anträge ist eine Regelung im deutschen Personenbeförderungsgesetz. Hiernach kann selbst im Falle einer nach EU-Vorschriften zulässigen Direktvergabe von Verkehrsleistungen an ein kommunales Nahverkehrsunternehmen ein Konkurrent einen Antrag auf Erteilung der entsprechenden Genehmigung zur Beförderung von Personen stellen. Wenn dieser Antrag als eigenwirtschaftlich eingestuft wird – was im Wesentlichen dann der Fall ist, wenn der Anbieter den Aufwand für die in Rede stehenden Verkehrsleistungen durch Beförderungserlöse und Unternehmenserträge decken kann, also keine Zuschüsse erforderlich sind – genießt er Vorrang gegenüber der Direktvergabe.
Eigenwirtschaftlich können die privaten Verkehrsdienstleister vor allem auch deshalb arbeiten, weil sie in der Regel ein wesentlich niedrigeres Entgeltniveau als die kommunalen Nahverkehrsunternehmen aufweisen – sofern sie überhaupt an Tarifverträge gebunden sind.
Die Konsequenzen, die diese Regelung mit sich bringt, sind fatal. Entweder müssen in langwierigen und schwierigen Verhandlungen mit den Gewerkschaften abweichende Tarifverträge abgeschlossen werden, die für die Beschäftigten Einschnitte in beträchtlicher Höhe mit sich bringen, um in dieser Hinsicht „konkurrenzfähig“ mit den privaten Anbietern zu sein. In einem konkreten Fall hat das u. a. zur Absenkung der Monatstabellenentgelte, zur Reduzierung des Jahresurlaubs um zwei Tage, zum Wegfall des 13. Monatsgehalts und zur Verringerung von Zuschlägen geführt. Sind solche Vereinbarungen nicht möglich, droht die Abwicklung der kommunalen Unternehmen, so wie dies in einem konkreten Fall bereits erfolgt ist.
Die Bundesregierung hat bisher eine Änderung des Personenbeförderungsgesetzes abgelehnt. Allerdings gibt es zunehmend Bestrebungen, eine solche Änderung zu erwirken. So haben die kommunalen Spitzenverbände die Parteien im Bundestag ersucht, den Vorrang eigenwirtschaftlicher Verkehre und das Verfahren zur Berücksichtigung eigenwirtschaftlicher Angebote auf den Prüfstand zu stellen. Sie fordern in einem gemeinsamen Schreiben, dass auch in Zukunft die Möglichkeit einer Direktvergabe von ÖPNV-Leistungen durch eine Stadt oder einen Kreis an ein eigenes, kommunales Verkehrsunternehmen rechtssicher möglich sein muss.
Die Mitgliederversammlung der VKA hat sich im Rahmen ihrer Herbstsitzung dafür ausgesprochen, dass die VKA sich für die Abschaffung des Vorrangs von eigenwirtschaftlichen Anträgen einsetzt, insbesondere im Vorfeld der 2017 anstehenden Koalitionsverhandlungen im Bund.
Quelle: VKA Nachrichten Dezember 2016
Bernhard Faber
Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.
