BAG, Urteil vom 22.2.2024 – 6 AZR 126/23: Der BAG-Entscheidung lag ein Fall zugrunde, in dem über die zutreffende Eingruppierung und Stufenzuordnung der Klägerin vor dem Hintergrund einer mehrfachen Inanspruchnahme von Elternzeit gestritten wurde. Es ging nun um die Frage, ob die Hemmung der Stufenlaufzeit durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD während der Inanspruchnahme von Elternzeit gegen höherrangiges Recht verstößt.
BAG, Urteil vom 22.2.2024 – 6 AZR 126/23:
Redaktionelle Orientierungssätze:
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Die Anordnung der Regeln der betragsbezogenen Stufenzuordnung nach Höhergruppierung durch § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA ist mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar. Das gilt auch für Höhergruppierungen, die ausschließlich auf einer Höherbewertung der unverändert ausgeübten Tätigkeit beruhen.
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Die Hemmung der Stufenlaufzeit durch § 17 Abs. 3 Satz 2 TVöD während der Inanspruchnahme von Elternzeit verstößt nicht gegen höherrangiges Recht.

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Der Fall:
Die Parteien streiten über die zutreffende Eingruppierung und Stufenzuordnung der Klägerin vor dem Hintergrund einer mehrfachen Inanspruchnahme von Elternzeit.
Durch das BAG war nur noch über die Stufenzuordnung zu entscheiden: Das LAG Sachsen hatte zuvor rechtskräftig — also auch für das BAG bindend — zugunsten der Klägerin entschieden, dass ihre Tätigkeit beginnend mit ihrer Einstellung am 1.3.2006 den Tätigkeitsmerkmalen der heutigen EntgGr. 9b FGr. 2 EntgO VKA entspricht.
Die Klägerin meint, dass sie ab dem 1.10.2017 nach der EntgGr. 9b, Stufe 5 EntgO VKA zu vergüten sei. Sie ist der Auffassung, dass die Nichtberücksichtigung bereits absolvierter Stufenlaufzeiten bei Höhergruppierungen sowie die Stufenlaufzeithemmung nach § 17 Abs. 3 TVöD während der Elternzeit gegen höherrangiges Recht verstößt.
Tatsächlich wäre die Klägerin am 1.1.2017 der Stufe 5 der EntgGr. 9b EntgO VKA zuzuordnen, wenn sie keine Elternzeit genommen oder die Elternzeit nicht zu einer Stufenlaufzeithemmung geführt hätte.
Anders als das Arbeitsgericht gab das Landesarbeitsgericht der Klägerin Recht. Die Revision des Arbeitgebers beim BAG hatte Erfolg.

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Die Entscheidung des Gerichts:
Die Klägerin ist ab dem 1.1.2027 nach der EntgGr. 9b, Stufe 4 EntgO VKA zu vergüten; die Stufenlaufzeit in der Stufe 4 beginnt nach der Höhergruppierung neu zu laufen.
Das BAG hat in seiner Entscheidung zunächst klargestellt, dass es sich nicht um eine Höhergruppierung handelt, da die Eingruppierung seit Beginn des Arbeitsverhältnisses unzutreffend ist. Vielmehr sind die Eingruppierung und Stufenentwicklung ab der Einstellung vollumfänglich nachzuzeichnen. Im konkreten Fall umfasste die Nachzeichnung die Ersteingruppierung auf der Basis der seinerzeit geltenden Vergütungsordnung des BAT, die Überleitung in den TVöD, die Nachzeichnung der Stufenentwicklung und schließlich die Überleitung in die neue Entgeltordnung der VKA zum 1.1.2017. Angesichts der Komplexität der einzelnen Schritte wird auf die Darstellung der Nachzeichnung der einzelnen Schritte verzichtet.
Entscheidend ist, dass sich die Beschäftigte aufgrund einer zweimaligen Inanspruchnahme einer Elternzeit und der damit gem. § 17 Abs. 3 TVöD verbundenen Hemmung der Stufenlaufzeit am Stichtag 1.1.2017 — wie bereits seit dem 1.3.2012 — in der Stufe 4 der sog. kleinen EntgGr. 9 befand. Aus dieser Stufe war die Klägerin gem. § 29c Abs. 3 Satz 1 TVÜ-VKA in die EntgGr. 9a Stufe 4 EntgO überzuleiten.
Das BAG hält an seiner Auffassung fest, dass die in § 17 Abs. 3 TVöD bzw. TV-L verankerte Hemmung der Stufenlaufzeit im Fall von Elternzeit weder eine unmittelbare noch eine mittelbare Diskriminierung des weiblichen Geschlechts darstellt. Vielmehr wird allein an das Ruhen des Arbeitsverhältnisses — und den damit einhergehenden fehlenden Zuwachs an Berufserfahrung — angeknüpft.
Entgegen der klägerischen Auffassung verlangen § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG und die seinerzeit geltende europäische Rahmenrichtlinie 2010/18/EU keinen Nachteilsausgleichs im Sinne einer Stufennachzeichnung. Erforderlich — und zugleich ausreichend — ist, dass die Rechte, die der Arbeitnehmer zu Beginn der Elternzeit erworben hatte, bestehen bleiben. Das ist hier der Fall: Die vor Beginn der Elternzeit absolvierte Stufenlaufzeit bleibt nach der Wiederaufnahme der Tätigkeit uneingeschränkt erhalten und wird nahtlos fortgesetzt. Die Beschäftigte befindet sich nach der Elternzeit in Bezug auf die Stufenlaufzeit in derselben Situation wie vor der Elternzeit. Die von der Klägerin geforderte Anrechnung der Elternzeit auf die Stufenlaufzeit ist weder nach nationalem Recht noch europarechtlich geboten.
Die im zweiten Schritt antragsgemäß durchzuführende betragsmäßige Höhergruppierung gem. § 29b Abs. 2 TVÜ-VKA führt „nur“ in die EntgGr. 9b Stufe 4 EntgO VKA. Das BAG judiziert, dass die Schutzwirkung des § 15 Abs. 2 Satz 6 BEEG und der RL 2010/18/EU mit der Höhergruppierung endet, da die Stufenlaufzeit neu beginnt und insoweit keine Rechte vorliegen, die die Beschäftigte vor Beginn der Elternzeit „dabei war, zu erwerben“. Die betragsmäßige Höhergruppierung ist lediglich Folge der Stufenlaufzeithemmung und des gesetzlich nicht gebotenen Nachteilsausgleichs.
Im Übrigen verstößt eine betragsmäßige Höhergruppierung (hier: nach durch § 29b Abs. 2 Satz 1 TVÜ-VKA) auch bei unveränderter Tätigkeit nicht gegen Art. 3 GG.
Annette Salomon-Hengst
Referatsleiterin, Ministerium des Innern und für Kommunales, Land Brandenburg
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