Urlaub – Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen
Kernaussagen:
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Urlaubsabgeltungsansprüche unterliegen der Verjährung. Die Verjährungsfrist beginnt mit Schluss des Kalenderjahrs, in dem der Beschäftigte aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Sie endet drei Jahre später am 31. Dezember. Auf die Erfüllung von Mitwirkungsobliegenheiten (nach oder während des Arbeitsverhältnisses) kommt es für die Verjährung des Abgeltungsanspruchs nicht an.
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Nur wenn Beschäftigte vor 2018 aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden sind, der Arbeitgeber seine Mitwirkungsobliegenheiten nicht erfüllt hatte und die Beschäftigten wegen damals noch gegenteiliger BAG-Rechtsprechung bei ihrem Ausscheiden davon ausgehen mussten, dass die gerichtliche Geltendmachung von Urlaubsabgeltungsansprüchen sinnlos sei, weil diese als verfallen erschienen, begann die Verjährungsfrist unabhängig vom Jahr des Ausscheidens erst am 31.12.2018. Sie endete in diesem seltenen Spezialfall drei Jahre später am 31.12.2021.
Der Fall:
Ein seit 2010 außerhalb der Anwendung eines Tarifvertrags beschäftigter Mitarbeiter schied am 19.10.2015 aus dem Arbeitsverhältnis aus. Während des laufenden Arbeitsverhältnisses hatte der Arbeitgeber keinerlei Urlaub gewährt. Auch hatte er den Beschäftigten nicht über dessen Urlaubsanspruch von 30 Arbeitstagen (laut Arbeitsvertrag), die Einbringungsfristen und den drohenden Verfall aufgeklärt und damit seine Mitwirkungsobliegenheiten verletzt. Eine Ausschlussfrist für die Geltendmachung von Ansprüchen aus dem Arbeitsverhältnis war nicht vereinbart.
Knapp vier Jahre nach seinem Ausscheiden aus dem Arbeitsverhältnis erhob der Beschäftigte Klage u.a. auf Abgeltung von Urlaub aus den Jahren 2010 bis 2015 i. H. v. insgesamt 44.899,80 Euro. Der Arbeitgeber berief sich auf Verjährung. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht wiesen den Urlaubsabgeltungsanspruch ab.
Die Entscheidung des Gerichts:
Das BAG sprach dem Beschäftigten hingegen einen Anspruch auf Abgeltung von 150 Urlaubstagen i. H. v. 37.416,50 Euro für die Jahre 2010 bis 2014 zu. Für das Jahr 2015 blieb es bei der Klageabweisung.
Urlaubsabgeltungsansprüche unterliegen der dreijährigen Verjährung, urteilte der 9. Senat. Dabei komme es nicht darauf an, ob der Arbeitgeber zu irgendeinem Zeitpunkt seine Mitwirkungsobliegenheiten erfüllt habe.
Dennoch sei die Annahme unzutreffend, die Urlaubsabgeltungsansprüche aus den Jahren 2010 bis 2014 seien zum Zeitpunkt der Klageerhebung im Jahr 2019 bereits verjährt gewesen.
Die dreijährige Verjährungsfrist beginne im vorliegenden Fall nicht – wie normalerweise – mit dem Ende des Jahrs, in dem ein Beschäftigter aus dem Arbeitsverhältnis ausgeschieden ist. Verjährungsbeginn sei hier erst Ende 2018, nachdem der EuGH mit Urteil vom 6.11.2018 neue Regeln für den Verfall von Urlaub aufgestellt hatte. Vor diesem Urteil sei es dem Beschäftigten nicht zumutbar gewesen, Klage auf Abgeltung zu erheben. Dem stand nämlich die damalige BAG-Rechtsprechung entgegen, nach der Urlaubsansprüche als verfallen galten, wenn sie nicht rechtzeitig genommen wurden. Auf die Mitwirkung des Arbeitsgebers bei der Einbringung von Urlaub kam es nach damaligem Kenntnisstand nicht an.
Deshalb musste der Beschäftigte hier davon ausgehen, dass seine Urlaubsansprüche aus 2010 bis 2014 bei seinem Ausscheiden im Oktober 2015 bereits verfallen waren und eine Klage deshalb sinnlos sei. Aus verfassungsrechtlichen Gründen konnte die Verjährungsfrist deshalb nicht vor dem Ende des Jahrs 2018 beginnen, in dem der EuGH die Mitwirkungsobliegenheiten etablierte.
Diese Überlegen greifen aber nicht für Urlaubsabgeltungsansprüche aus 2015, so das BAG weiter. Denn nach der Beendigung des Arbeitsverhältnisses am 19.10.2015 hätte der Beschäftigte Urlaubsabgeltung für das Jahr 2015 innerhalb der Verjährungsfrist geltend machen können und müssen. Dem Abgeltungsanspruch stand im Moment des Ausscheidens keine höchstrichterliche Rechtsprechung entgegen. Der Urlaubsanspruch aus 2015 war nicht vermeintlich verfallen, sondern stand auch nach damaliger Rechtsprechung zu. Dem Beschäftigten war es zumutbar, den Anspruch innerhalb von drei Jahren nach seinem Ausscheiden vor dem Arbeitsgericht einzuklagen. Da dies nicht bis zum 31.12.2018 geschehen ist, ist der Urlaubsabgeltungsanspruch aus dem Jahr 2015 nach Auffassung des BAG verjährt.
Das bedeutet die Entscheidung für Sie:
Im öffentlichen Dienst kommt dieser BAG-Entscheidung nur eingeschränkte Bedeutung zu. Zum einen unterliegen Urlaubsabgeltungsansprüche im Anwendungsbereich von TVöD und TV-L der tariflichen Ausschlussfrist des § 37 TVöD/TV-L (ausführlich Breier/Dassau TVöD Kommentar bei § 26 TVöD Erl. 10.3). Wenn Urlaubsabgeltungsansprüche nicht innerhalb von sechs Monaten nach Ausscheiden vom Beschäftigten in Textform gegenüber dem Arbeitgeber geltend gemacht wurden, sind die Ansprüche in aller Regel erloschen, ohne dass es auf die Verjährung noch ankäme (siehe Breier/Dassau TVöD Kommentar § 26 TVöD Erl. 11.2.4).
Zum anderen betrifft die Entscheidung den Spezialfall eines Ausscheidens vor 2018, bei dem jedoch innerhalb der „nach hinten verschobenen“ dreijährigen Verjährungsfrist zwischen dem 31.12.2018 und dem 31.12.2021 (und damit fristwahrend) Klage auf Urlaubsabgeltung erhoben wurde. Diese Fälle dürften heute kaum noch von Bedeutung sein.
In der Kommentierung finden Sie zur Arbeitserleichterung zwei Checklisten zur Verjährung von Urlaubsabgeltungsansprüchen. Mit Hilfe der Checkliste im Breier/Dassau TVöD Kommentar bei § 26 TVöD Erl. 11.2.2 können Sie Schritt für Schritt prüfen, ob Beschäftigten bei ihrem Ausscheiden ein Urlaubsabgeltungsanspruch zusteht. Für die Abgeltung von Alturlaub bei einem Ausscheiden vor dem Bekanntwerden der EuGH-Entscheidung am 6.11.2018 verwenden Sie bitte die Checkliste im Breier/Dassau TVöD Kommentar bei § 26 TVöD Erl. 11.2.6.
Rechtsanwältin Diana Hecht, LL.M. oec.
