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Urlaubsabgeltung bei Ausscheiden nach Elternzeit

Ohne Kürzungserklärung während des noch bestehenden Arbeitsverhältnisses sind Urlaubsansprüche aus einer Elternzeit abzugelten.

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BAG, Urteil vom 16.4.2024 – 9 AZR 165/23

Kernaussagen:

Möchte der Arbeitgeber den Urlaubsanspruch einer Beschäftigten nach § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG kürzen, muss er die entsprechende Erklärung im noch bestehenden Arbeitsverhältnis abgeben. Das Kürzungsrecht kann nicht mehr ausgeübt werden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist und die Beschäftigte bereits Anspruch auf Urlaubsabgeltung hat.

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Der Fall:

Eine Beschäftigte war bis zum Ende ihrer zweiten Elternzeit am 25.11.2020 bei ihrem Arbeitgeber als Therapeutin in einer Fünftagewoche mit einer monatlichen Bruttovergütung von zuletzt 3.700,00 Euro beschäftigt. Ihr arbeitsvertraglicher Jahresurlaub betrug 29 Arbeitstage.

Seit August 2015 befand sich die Beschäftigte durchgehend in Mutterschutz und Elternzeit für ihr erstes und unmittelbar anschließend auch für ihr zweites Kind. Zu Beginn des ersten Mutterschutzes am 24.8.2015 stand ihr noch ein Arbeitstag Urlaub aus dem laufenden Urlaubsjahr 2015 zu.

Im Juli 2020 kündigte die Beschäftigte das bestehende Arbeitsverhältnis zum Ablauf der zweiten Elternzeit am 25.11.2020. Bis zur Beendigung des Arbeitsverhältnisses hatte der Arbeitgeber nicht erklärt, den auf die Elternzeit bezogenen Urlaub zu kürzen.

Nach ihrem Ausscheiden forderte die Beschäftigte unter Fristsetzung bis zum 31.3.2021 eine Urlaubsabgeltung für 146 Urlaubstage aus den Jahren 2015 bis 2020 (ein Tag aus dem Jahr 2015 und je 29 Tage aus den Jahren 2016 bis 2020). Sie vertrat die Auffassung, die Urlaubsansprüche seien während der Mutterschutzfristen und der Elternzeit in voller Höhe entstanden. Nach Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe der Arbeitgeber den Urlaub nicht mehr kürzen können.

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Die Entscheidung:

Das BAG gab der Beschäftigten Recht und sprach ihr einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung i. H. v. 24.932,42 Euro nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 1.4.2021 zu.

Der 9. Senat stellte fest, dass der Beschäftigten zum Zeitpunkt der rechtlichen Beendigung des Arbeitsverhältnisses noch 146 Urlaubstage aus den Jahren 2015 bis 2020 zugestanden hätten. Diese seien weder verfallen noch verjährt noch habe der Arbeitgeber wirksam die Kürzung der während der Elternzeit entstandenen Urlaubsansprüche erklärt.

Auch während eines Mutterschutzes bzw. einer Elternzeit entstünden Urlaubsansprüche. Für die Mutterschutzfristen folge dies unmittelbar aus § 24 Satz 1 MuSchG, für die Zeiten einer Elternzeit aus § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG. Die BEEG-Regelung berücksichtige Zeiten einer Elternzeit zunächst bei der Berechnung des Urlaubsanspruchs uneingeschränkt, räume dem Arbeitgeber dann jedoch das Recht ein, den entstandenen Urlaub für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit um ein Zwölftel zu kürzen. Dies sei im vorliegenden Fall jedoch nicht geschehen. Der Arbeitgeber habe während des laufenden Arbeitsverhältnisses nicht die Kürzung des Erholungsurlaubs für die Zeiten der Elternzeit erklärt.

Das Kürzungsrecht könne nicht mehr ausgeübt werden, wenn das Arbeitsverhältnis beendet sei. An die Stelle des Urlaubsanspruchs trete dann nämlich der Urlaubsabgeltungsanspruch. Das Gesetz unterstelle allein den „Erholungsurlaub“ der Kürzungsbefugnis des Arbeitgebers, nicht dagegen den auf Geldzahlung gerichteten Abgeltungsanspruch.

Die Urlaubsansprüche der Beschäftigten seien auch nicht nach § 7 Abs. 3 BUrlG drei Monate nach Ablauf des jeweiligen Urlaubsjahrs verfallen. Während der Elternzeit gingen die gesetzlichen Sonderregelungen in § 17 BEEG den allgemeinen Befristungsregelungen im BUrlG vor. Habe ein Beschäftigter den ihm zustehenden Urlaub vor dem Beginn der Elternzeit nicht oder nicht vollständig erhalten, so habe der Arbeitgeber den Resturlaub gemäß § 17 Abs. 2 BEEG nach der Elternzeit im laufenden oder im nächsten Urlaubsjahr zu gewähren.

Letztlich sei auch keine Verjährung eingetreten. Zwar beginne die regelmäßige dreijährige Verjährungsfrist i. d. R. mit dem Schluss des Jahres, in dem der Anspruch entstanden sei. Allerdings würden für während eines Mutterschutzes sowie einer Elternzeit entstandene Urlaubsansprüche Besonderheiten gelten. Der Urlaubsanspruch werde nicht vor Ablauf der Mutterschutzfristen bzw. der Beendigung der Elternzeit fällig. Während des Beschäftigungsverbots bzw. der suspendierten Arbeitspflicht könne Verjährung daher nicht eintreten.

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Das bedeutet die Entscheidung für Sie:

Das BAG bestätigt mit diesem Urteil seine bisherige gefestigte  Rechtsprechung. Es bleibt also dabei:

Während Mutterschutz und Elternzeit entstehen Urlaubsansprüche (für Mutterschutz und Beschäftigungsverbote bereits: BAG vom 15.12.2015 – 9 AZR 52/15 sowie zur Elternzeit bereits: BAG vom 19.5.2015 – 9 AZR 725/13 und vom 17.5.2011 – 9 AZR 197/10).

Für die Elternzeit können die entstehenden Urlaubsansprüche jedoch durch Erklärung des Arbeitgebers gem. § 17 Abs. 1 Satz 1 BEEG um je ein Zwölftel für jeden vollen Kalendermonat der Elternzeit gekürzt werden. Voraussetzung ist, dass der Anspruch auf Erholungsurlaub noch besteht. Daran fehlt es, wenn das Arbeitsverhältnis beendet ist (so bereits BAG vom 19.5.2015 – 9 AZR 725/13).

Darüber hinaus verfällt der Urlaubsanspruch nicht mit Ablauf des 31. März/Mai des Folgejahres, wenn er wegen Elternzeit oder Mutterschutz bis zu diesem Tage nicht in Anspruch genommen werden konnte. § 24 Satz 2 MuSchG und § 17 Abs. 2 BEEG regeln eine Ausnahme. Danach kann der Urlaub ohne Vorliegen von Übertragungsgründen im Jahr der Rückkehr oder im darauffolgenden Jahr eingebracht werden.

Sofern sich mehrere Elternzeiten aneinander reihen, ist der Resturlaub aus der Zeit vor der ersten Elternzeit nach § 17 Abs. 2 BEEG nochmals ans Ende der zweiten bzw. letzten Elternzeit zu übertragen (so bereits BAG vom 20.5.2008 – 9 AZR 219/07 – ZTR 2008, 621).

Diana Hecht, LL.M. oec., Rechtsanwältin

Weitere Erläuterungen zu diesem Themenfeld finden Sie im Breier/Dassau TVöD PLUS, § 26 TVöD Erl. 4.5.4.1 und Erl. 6.7 sowie TV-L PLUS § 26 TV-L Erl. 4.6.4.1 sowie Erl. 6.7.

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