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Außerordentliche Kündigung

Unberechtigte Strafanzeige gegenüber Vorgesetzten und Arbeitskollegen – wer anderen eine Grube gräbt, muss mit einer Kündigung rechnen.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

in meinem letzten Blog in diesem Jahr widme ich mich einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Sachsen vom 27.6.2024, Az. 4 Sa 245/23. Das Gericht musste sich der Frage stellen, ob die ausgesprochene fristlose Kündigung aus wichtigem Grund das Arbeitsverhältnis tatsächlich beendet hat.

Sponer † / Steinherr † / Donath / Kapitza † / Wollensak

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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Der 1977 geborene Kläger war seit dem 1.8.2006 in der Schwimmhalle der Beklagten beschäftigt. Am 19.11.2021 kam es in der Spätschicht zu Unstimmigkeiten zwischen ihm und seinem Kollegen J. Am 25.11.2021 beabsichtigte die Vorgesetzte G des Klägers die Unstimmigkeiten im Rahmen eines Personalgespräches zu klären. Da J das Personalgespräch jedoch vorzeitig verlies, versuchte die Vorgesetze G am gleichen Tag erneut mit den beiden Streitparteien ein klärendes Gespräch zu führen. Da J auch dieses Gespräch ablehnte, machte der Kläger seiner Vorgesetzten den Vorwurf, ihren Pflichten als Vorgesetzte nicht ordnungsgemäß nachgekommen zu sein, da der Konflikt weiterhin bestehe. Ab dem 26.11.2021 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Er befindet sich in ärztlicher und psychologischer Behandlung.

Am 22.11.2022 kam es dann zu einem Gespräch zwischen dem Kläger und seinem Kollegen J. In diesem wurde der Gesprächsinhalt vom Kläger ohne Wissen des J aufgezeichnet. Den Gesprächsinhalt verbreitete der Kläger u.a. an den Vater von Frau J.

Ab November 2022 forderte der Kläger seine Vorgesetzte mehrfach zu Vier-Augen-Gesprächen auf, was diese ablehnte. Daraufhin verlangte der Kläger in der Folgezeit mehrfach, ihm die Dienstpläne auszuhändigen. Eine entsprechende Herausgabe erfolgte mit dem Hinweis nicht, dass der Kläger arbeitsunfähig sei und er zudem keinen Antrag auf Widereingliederung gestellt habe.

Ab dem 17.12.2022 stellte der Kläger ohne tatsächliche Veranlassung und ohne rechtliche Grundlage mehrere Strafanzeigen unter anderem wegen Nötigung, Vorteilsnahme und Körperverletzung gegen den Oberbürgermeister, seine Vorgesetze und mehrere Arbeitskollegen. Zudem war der Kläger am 31.1.2023 im Stadtrat der Beklagten, wo er behauptete, dass die Beklagte zu einer ordnungswidrigen „Coronaparty“ eingeladen hätte. Schließlich stellte der Kläger einer Beschäftigten der Beklagten nach, die sich in Elternzeit befand.

Das Landesarbeitsgericht Sachsen wies die Klage gegen die am 10.2.2023 ausgesprochene außerordentliche Kündigung rechtskräftig ab.

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe:

  1. Ob ein wichtiger Grund, der eine außerordentliche Kündigung rechtfertigt, vorliegt, ist nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts1 in zwei Schritten zu prüfen:

    • Es ist zunächst zu prüfen, ob der Sachverhalt ohne seine besonderen Umstände „an sich“, d.h. typischerweise als wichtiger Grund geeignet ist.

    Alsdann bedarf es der Prüfung, ob dem Kündigenden die Fortsetzung des Arbeitsverhältnisses unter Berücksichtigung der konkreten Umstände des Falls und unter Abwägung der Interessen beider Vertragsteile – jedenfalls bis zum Ablauf der Kündigungsfrist – zumutbar ist oder nicht.

  2. Neben der Verletzung von vertraglichen Hauptpflichten kann auch die Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten an sich einen wichtigen Grund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB darstellen.

  3. Eine kündigungsrelevante erhebliche Verletzung arbeitsvertraglicher Nebenpflichten kann in der Erstattung einer Strafanzeige gegenüber dem Arbeitgeber, Vorgesetzten oder Arbeitskollegen liegen, insbesondere dann, wenn der Arbeitnehmer in der Strafanzeige wissentlich oder leichtfertig falsche Angaben gemacht hat.

Unter Heranziehung dieser rechtlichen Vorgaben rechtfertigen - so das Landesarbeitsgericht - die durch die Beklagte geschilderten kündigungsrelevanten Vorfälle zum Ausspruch der außerordentlichen Kündigung vom 10.02.2023.

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Fazit für Sie!

  • Kündigungsgrund im Sinne von § 626 Abs. 1 BGB ist jeder Sachverhalt, der objektiv das Arbeitsverhältnis mit dem Gewicht eines wichtigen Grundes belastet.
  • Dies können Störungen im Leistungsbereich sein, insbesondere die Verletzung der Arbeitspflicht durch den Arbeitnehmer aber auch die Verletzung von vertraglichen Nebenpflichten.
  • Eine außerordentliche Kündigung kann allerdings nur auf solche Gründe gestützt werden, die sich konkret nachteilig auf das Arbeitsverhältnis auswirken.

Herzliche Grüße

Ihr Boris Hoffmann


1 BAG 31.7.2014 – 2 AZR 407/13, ZTR 2015, 229.

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