Vorverlegung des vereinbarten Arbeitsbeginns – Muss der Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich fixiert sein?
Liebe Leserin, lieber Leser,
heute darf ich Ihnen von einer Entscheidung des „Befristungssenates“ des Bundesarbeitsgerichtes berichten. Der 7. Senat hat sich in seinem Urteil vom 16.8.2023, Az. 7 AZR 300/221 mit der Frage beschäftigt, ob es bei einem kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrag für die Wahrung des Schriftformgebots nach § 14 Abs. 4 TzBfG erforderlich ist, dass neben dem schriftlich benannten Beendigungsdatum das Datum des Beginns des Arbeitsverhältnisses schriftlich festgehalten ist.
Mit anderen Worten: Muss auch der Beginn des Arbeitsverhältnisses schriftlich fixiert sein ja oder nein?
TVöD/TV-L PRO
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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der spätere Kläger und die Arbeitgeberin als spätere Beklagte unterzeichneten unter dem Datum 1. April 2029 einen befristeten Arbeitsvertrag. Im Rahmen des Arbeitsvertrages wurde folgende Befristungsabrede getroffen:
„Der Arbeitnehmer wird als Kassierer im Südbad für den Zeitraum vom 15. Mai 2019 bis zum 30. September 2019 befristet eingestellt.“
Nach der Vertragsunterzeichnung aber noch vor der Aufnahme der Tätigkeit einigten sich die Vertragsparteien mündlich auf einen früheren Arbeitsbeginn. Die Arbeitgeberin übersandte dem Kläger daraufhin eine geänderte erste Seite des Arbeitsvertrags, in der eine befristete Einstellung „für den Zeitraum vom 1. Mai 2019 bis zum 30. September 2019“ und eine modifizierte Vertragsnummer ausgewiesen gewesen sind, und verband dies mit der Bitte, die erste Seite des Vertrags auszutauschen und die „alte“ erste Seite zurückzusenden. Dieser Bitte kam der Kläger nicht nach. Gleichwohl nahm er seine Tätigkeit im Südbad beanstandungsfrei am 4. Mai 2019 auf.
Nach Ablauf der Befristung erhob der Kläger am 21.10.2019 fristgerecht Entfristungsklage beim Arbeitsgericht Gera. Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Berufungsgericht, das Landesarbeitsgericht Thüringen, haben das Begehren des Klägers zurückgewiesen. Das Bundesarbeitsgericht hat diese Entscheidungen im Revisionsverfahren bestätigt.

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe des Gerichts:
- Die Befristung eines Arbeitsvertrages bedarf nach § 14 Abs. 4 TzBfG zu ihrer Wirksamkeit der Schriftform, wobei formbedürftig allein die tatsächliche Befristungsabrede ist (z. B. „… vom … bis …“).
Hinweis! Gemeint ist hiermit die sog. gesetzliche Schriftform im Sinne der §§ 126 und 126a BGB. - Eine lediglich mündlich vereinbarte Befristung ist nach § 125 Satz 1 BGB nichtig. Damit entsteht nach § 16 Satz 1 TzBfG ein unbefristetes Arbeitsverhältnis.
- Die Beklagte habe dem Kläger kein „neues“ Arbeitsvertragsangebot unterbreitet. Denn sie wollte lediglich den Beginn der Vertragslaufzeit vorverlegen, dem der Kläger mit der früheren Tätigkeitsaufnahme nachgekommen sei.
- Die Auslegung der Befristungsabrede ergebe, dass die Parteien einen kalendermäßig befristeten Arbeitsvertrag mittels Festlegung eines Endtermins vereinbart haben.
Hinweis! Da es sich bei der Befristungsabrede um eine Allgemeine Geschäftsbedingung oder zumindest um eine Einmalbedingungen handele, erfolge die Auslegung der Befristungsabrede nach der Ansicht des Senats nach § 310 Abs. 3 Nr. 2 BGB. Danach sei ausgehend vom Vertragswortlaut eine entsprechende Erklärung nach ihrem objektiven Inhalt und ihrem typischen Sinn einheitlich so auszulegen, wie sie von verständigen und redlichen Vertragspartnern unter Abwägung der Interessen der normalerweise beteiligten Verkehrskreise verstanden werden, wobei nicht die Verständnismöglichkeiten des konkreten, sondern die des durchschnittlichen Vertragspartners des Verwenders zu Grunde zu legen sind. - Damit genüge die Befristungsabrede dem in § 14 Abs. 4 TzBfG normierten Schriftformerfordernis. Denn der Anfangszeitpunkt eines befristeten Arbeitsvertrags bedürfe allenfalls dann der Schriftform, wenn er zur Bestimmung des Endzeitpunkts maßgeblich ist.

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Erforderlich ist stets, dass der Endzeitpunkt eindeutig bestimmt oder bestimmbar ist.
Entsprechend unterliegen bei kalendermäßigen Befristungen entweder das Beendigungsdatum oder der Vertragsbeginn und die Vertragsdauer („ab einem bestimmten Datum für eine bestimmte Dauer“) dem Schriftformgebot.
Auch die mit dem Hinausschieben eines Beendigungstermins verbundene Verlängerung eines befristeten Arbeitsvertrags ist formbedürftig, weil hierin grundsätzlich eine (weitere) eigenständige Befristung liegt.
Dies gilt aber eben nicht für die Vorverlegung des vereinbarten Beginns eines - mittels Datumsangabe des Beendigungszeitpunkts - befristeten Arbeitsvertrags und der damit gleichfalls verbundenen „Verlängerung“ der Vertragsdauer.
Mit diesen Hinweisen sage ich für heute „tschüss“ und verbleibe mit
herzlichen Grüße
Ihr
Boris Hoffmann
1 BAG 16.8.2023 – 7 AZR 300/22 – ZTR 2024, 44.
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