Wann der Arbeitgeber verpflichtet ist, schwerbehinderte Bewerber nach § 165 Satz 3 SGB IX zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Gilt die Pflicht, einen schwerbehinderten Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch bei internen Stellenbesetzungen?
Liebe Leserin, lieber Leser,
in meinem heutigen ersten Blog nach den Sommerferien möchte ich mich nochmals der für öffentliche Arbeitgeber in § 165 Satz 3 SGB IX statuierten Einladungspflicht schwerbehinderter Bewerberinnen und Bewerber widmen.
Der achte Senat des Bundesarbeitsgerichtes hatte sich in einer aktuellen Entscheidung vom 25.4.2024, Az. 8 AZR 143/23 in diesem Zusammenhang insbesondere mit folgenden Fragen auseinanderzusetzen:
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Gilt die Pflicht, schwerbehinderte Menschen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch bei internen Stellenbesetzungsverfahren?
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Muss eine Bewerberin/ein Bewerber, der ihre/seine Schwerbehinderung bei einer Bewerbung berücksichtigen wissen will, den Arbeitgeber hierüber in den Bewerbungsunterlagen in Kenntnis setzen?
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Ist es selbst dann erforderlich, in den Bewerbungsunterlagen auf eine bestehende Schwerbehinderung hinzuweisen, wenn dem Arbeitgeber diese im Arbeitsverhältnis bereits in einem anderen Zusammenhang mitgeteilt worden ist?
TVöD/TV-L PRO
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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten darüber, ob das beklagte Land der Klägerin eine Entschädigung wegen eines Verstoßes gegen das Verbot der Benachteiligung aufgrund einer Behinderung nach § 15 Abs. 2 AGG zu zahlen hat.
Zwischen den Parteien bestand vom 15.2.2021 bis zum 14.2.2022 ein befristetes Arbeitsverhältnis. Die Klägerin hat einen Grad der Behinderung (GdB) von 40 und ist einem schwerbehinderten Menschen gleichgestellt.
Am 29.4.2021 veröffentlichte das beklagte Land eine interne Ausschreibung für die Stelle einer Sekretärin (m-w-d) der Naturwissenschaftlichen Fakultät II, Institut für Physik. Am 3.5.2021 veröffentlichte das beklagte Land eine weitere interne Ausschreibung für die Stelle einer Sekretärin (m-w-d) der Naturwissenschaftlichen Fakultät III, Institut für Agrar- und Ernährungswissenschaften. Keine der beiden Ausschreibungen enthielt einen Hinweis darauf, dass die Personalakte im Bewerbungsverfahren beigezogen wird.
Die Klägerin bewarb sich auf beide ausgeschriebenen Stellen und zwar unmittelbar bei den in den Stellenausschreibungen angegeben Instituten. Auf ihre Behinderung und Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen wies sie in den Bewerbungsunterlagen nicht (nochmals) hin. Beide Bewerbungen der Klägerin blieben in der Folgezeit unbeantwortet.
Das Bundesarbeitsgericht wies das Begehren der Klägerin auf Entschädigung abschließend zurück.

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Der achte Senat des Bundesarbeitsgerichts beantwortete die obigen Fragen wie folgt:
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§ 165 Satz 3 SGB IX sei unter Berücksichtigung des Wortlauts, des systematischen Zusammenhangs, der Entstehungsgeschichte sowie von Sinn und Zweck der Bestimmung dahingehend auszulegen, dass die Pflicht des öffentlichen Arbeitgebers, eine/n schwerbehinderte/n Bewerber/in zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen, auch bei internen Stellenbesetzungsverfahren besteht.
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Eine Bewerberin oder ein Bewerber, die/der ihre/seine Schwerbehinderung bei der Behandlung ihre/seiner Bewerbung berücksichtigt wissen will, müsse den Arbeitgeber hierüber in Kenntnis setzen, soweit dieser nicht ausnahmsweise bereits über diese Information verfügt. Unterlasse sie/er das, fehle es an der Ursächlichkeit der Schwerbehinderung für die benachteiligende Maßnahme.
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Einer Mitteilung der Schwerbehinderung oder Gleichstellung bedürfe es nicht, wenn dem Arbeitgeber außerhalb des Bewerbungsverhältnisses die Schwerbehinderteneigenschaft positiv bekannt ist. Das könne bei einer internen Bewerbung auf eine intern ausgeschriebene Stelle der Fall sein. Ein „erneuter“ Hinweis auf die bestehende Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung bedürfe es allerdings regelmäßig bei dezentral durchgeführten Bewerbungsverfahren. Dies gelte insbesondere dann, wenn aus der Stellenausschreibung ersichtlich ist, dass alle für die Auswahlentscheidung relevanten Informationen in den Bewerbungsunterlagen mitzuteilen sind.

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Fazit für Sie!
Im Rahmen von dezentral durchgeführten internen Auswahlverfahren kann sich eine Bewerberin bzw. ein Bewerber regelmäßig nur dann auf eine bestehende Schwerbehinderung bzw. Gleichstellung berufen, wenn diese/dieser auf diese im Rahmen der Bewerbung „nochmals“ ausdrücklich hingewiesen hat.
Dies gilt allerdings dann nicht, wenn Sie die Personalakten Ihrer Beschäftigten zum Auswahlverfahren beiziehen.
Herzliche Grüße
Ihr
Boris Hoffmann
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