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Besetzung von sachgrundlos befristeten Stellen im öffentlichen Dienst

Unter welchen Voraussetzungen der Arbeitgeber berechtigt ist, Bewerberinnen und Bewerber mit einschlägigen Vorbeschäftigungszeiten aus einem Auswahlverfahren zur Besetzung einer sachgrundlos befristeten Stelle auszuschließen.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

in meinem heutigen Blog darf ich Ihnen von einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Niedersachsen vom 18.12.2023, Az. 4 Sa 913/22 berichten, die zwar in der Fachliteratur keinen allzu großen Wirbel verursacht, die es aber aus meiner Sicht in sich hat, da sie eine in der Praxis immer mal wiederkehrende Frage in Auswahlverfahren behandelt.

Das Landesarbeitsgericht Niedersachsen musste sich insbesondere mit der Frage auseinandersetzen, ob bzw. wenn ja, unter welchen Umständen, Bewerberinnen und Bewerber als „bewerbungsunfähig“ aus einem Stellenbesetzungsverfahren ausgeschlossen werden können, wenn die entsprechende Stelle sachgrundlos befristet besetzt werden soll.

Sponer † / Steinherr † / Donath / Kapitza † / Wollensak

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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Parteien streiten darum, ob die Klägerin in ein Auswahlverfahren hinsichtlich der Besetzung einer sachgrundlos befristeten Stelle einzubeziehen war und ob sie zukünftig bei Stellenausschreibungen dieser Art trotz ihrer Vorbeschäftigung beim beklagten Land zu berücksichtigen ist.

Im Zeitraum von Oktober 2016 bis Juli 2020 schloss die Klägerin insgesamt sieben befristete und auf die jeweilige Vorlesungszeit von vier bis fünf Monaten beschränkte Arbeitsverträge mit dem beklagten Land ab. Ende Juli 2021 schrieb das beklagte Land ua. für die M.schule in B. eine Stelle als pädagogische Mitarbeiterin/pädagogischer Mitarbeiter als sozialpädagogische Fachkraft (w/m/d) in der sozialen Arbeit in schulischer Verantwortung ab 01.10.2021 „befristet bis 31.07.2023“ aus. Im Rahmen des Ausschreibungstextes wurde nicht darauf hingewiesen, dass eine Einstellung ausschließlich im Rahmen eines sachgrundlos befristeten Arbeitsvertrages möglich ist. Die Klägerin bewarb sich ua. auf diese für die M.schule ausgeschriebene Stelle. Am 2.9.21 wurde der Klägerin durch das regionale Landschaftsamt für Schule und Bildung mitgeteilt, dass ihre Bewerbung aufgrund der vereinzelten, kurzfristigen Beschäftigungen als studentische Hilfskraft während ihres Studiums an der Universität V. wegen „Bewerbungsunfähigkeit“ im weiteren Auswahlverfahren nicht berücksichtigt werden kann.

Hiergegen richtete sich die beim Arbeitsgericht Osnabrück eingereichte Klage. Mit Urteil vom 2.11.2022 hat das Arbeitsgericht Osnabrück die Klage abgewiesen. Die gegen die erstinstanzliche Entscheidung eingelegte Berufung vor dem Landesarbeitsgericht Niedersachsen hatte teilweise Erfolg.

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe:

  1. Der in Art. 33 Abs. 2 GG statuierte Leistungsgrundsatz werde verfassungsrechtlich unbeschränkt und vorbehaltlos gewährleistet. Soweit Belange, die nicht im Leistungsgrundsatz verankert sind, in einem Auswahlverfahren berücksichtigt werden sollen, muss ihnen selbst Verfassungsrang eingeräumt sein.

  2. Aus Art. 33 Abs. 2 GG folge im Hinblick auf die dort normierten Kriterien Eignung, Befähigung und fachliche Leistung ein subjektives Recht einer jeden Bewerberin oder eines jeden Bewerbers auf chancengleiche Teilnahme an einem Bewerbungsverfahren.

  3. Allerdings sei dem Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG ein davon abzugrenzender Bereich der allein öffentlichen Interessen dienenden Organisationshoheit des öffentlichen Arbeitgebers vorgelagert.

    Hinweis! Diese Organisationshoheit ist mit einem weiten Gestaltungs-, Beurteilungs- und Ermessensspielraum verbunden. Daraus folgt, dass Betroffenen insoweit keine subjektiv-rechtliche Rechtspositionen zustehen. Daher obliegt es alleine dem öffentlichen Arbeitgeber darüber zu entscheiden, ob bzw. wann er eine (freie) Stelle besetzen will.

  4. Im Rahmen einer Organisationsentscheidung kann auch festgelegt werden, dass Bewerberinnen und Bewerber vom Bewerbungsverfahren um sachgrundlos befristete Stellen wegen einer Zuvorbeschäftigung ausgeschlossen werden.

    Hinweis! Zwar unterliegt die Organisationsentscheidung nicht der Dokumentationspflicht, die die Rechtsprechung zu Konkurrentenstreitigkeiten um Beförderungsämter aus Art. 33 Abs. 2 iVm. Art. 19 Abs. 4 GG hergeleitet hat. Gleichwohl ist allerdings ein gewisser Nachweis zu fordern, der verhindert, dass die Grundlagen der Auswahlentscheidung nachträglich zulasten einzelner Bewerberinnen oder Bewerber verändert werden.
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Fazit für Sie!

  • Über die Bereitstellung und Bewirtschaftung von Stellen des öffentlichen Dienstes entscheiden Sie alleine im Rahmen des Ihnen zustehenden Organisationsermessens. Der Schutzbereich des Art. 33 Abs. 2 GG ist insoweit (noch) nicht eröffnet.
  • Machen Sie grundsätzlich bereits in der Stellenausschreibung hinreichend deutlich, dass es sich bei der ausgeschriebenen Stelle um eine sachgrundlos befristete Stelle handelt.
  • Zudem sollten Sie immer das der Auswahlentscheidung zugrundeliegende Anforderungsprofil (hierzu zählt auch der zugelassene Bewerberkreis) im Rahmen eines Aktenvermerkes verschriftlichen.

Herzliche Grüße

Ihr
Boris Hoffmann

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