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Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit

Wann der Entgelfortzahlungsanspruch trotz erneuter „Krankschreibung“ wegen der Einheit des Verhinderungsfalls auf sechs Wochen beschränkt ist.

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Liebe Leserin, lieber Leser,

der Entgeltfortzahlungsanspruch wegen Arbeitsunfähigkeit und die Einheit des Verhinderungsfalls. Hiermit hatte sich das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern in seinem Urteil vom 17.9.2024, Az. 2 SLa 95/24 intensiv zu beschäftigen. Das Gericht musste sich im Kern mit der Frage auseinandersetzen, ob der in § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG normierte sechswöchige Entgeltfortzahlungszeitraum bei bestehender Arbeitsunfähigkeit durch eine erneute Arbeitsunfähigkeit noch einmal in Anspruch genommen werden kann.

Sponer † / Steinherr † / Donath / Kapitza † / Wollensak

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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Die Klägerin ist bei der Beklagten seit April 2018 als Stationsassistentin beschäftigt. Im Zeitraum vom 12.5.2023 bis zum 26.5.2023 war sie arbeitsunfähig krankgeschrieben. Anschließend legte sie ihrem Arbeitgeber eine Folgebescheinigung für den Zeitraum vom 12.5.2023 bis zum 26.5.2023 vor. Am 26.5.2023 stellte ein weiterer Arzt eine Arbeitsunfähigkeit bis zum 5.6.2023 fest und stellte hierüber eine „Erstbescheinigung“ aus. In der Folgezeit wurden weitere Arbeitsunfähigkeitsbescheinigungen u. a. als Erstbescheinigung ausgestellt, so dass die Klägerin insgesamt vom 1.5.2023 bis zum 3.8.2023 ununterbrochenen arbeitsunfähig krankgeschrieben gewesen ist.

Am 3.7.2023 erkundigte sich die Klägerin bei einer Mitarbeiterin der Buchhaltung der Beklagten telefonisch, ob der Lohn bei einer Erstbescheinigung durch einen Arzt weitergezahlt würde. Insgesamt leistete die Beklagte Entgeltfortzahlung bis zum 31.7.2023. Am 4.8.2023 nahm die Klägerin ihre Arbeit wieder auf. Nachdem die Beklagte für den Monat August 2023 keine Vergütung gezahlt hatte, wies sie für den Monat September lediglich einen Teilbetrag in einer Höhe von 433,26 € netto an. Mit der Abrechnung vom 22.8.2023 änderte die Beklagte die Abrechnung für die Vormonate einschließlich Juli 2023 und forderte im Wege der Aufrechnung einen Gesamtbetrag wegen Überzahlung in einer Höhe von 3.237,18 € brutto von der Klägerin zurück., da der Klägerin Entgeltfortzahlung lediglich bis zum 11.6.2023 zugestanden habe.

Die Klägerin hat mit ihrer beim Arbeitsgericht Stralsund eingereichten Klage Vergütungszahlung für die Monate August und September geltend gemacht.  Das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern gab der Klägerin im Berufungsverfahren im Ergebnis Recht. Zwar stehe der Beklagten gegenüber der Klägerin, weil diese ihr nicht zustehende Entgeltfortzahlung im Zeitraum 12.06.2023 – 31.07.2023 erhalten habe, ein Anspruch auf Rückzahlung infolge ungerechtfertigter Bereicherung zu, die Klägerin könne sich diesem Anspruch gegenüber jedoch erfolgreich auf Entreicherung berufen.

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe des Gerichts:

  1. Die Beklagte habe gegen die Klägerin einen Rückzahlungsanspruch aus § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, da der Klägerin im Zeitraum vom 12.6.2023 bis zum 31.7.2023 Entgeltfortzahlung nicht mehr zustand, da der Entgeltfortzahlungszeitraum nach § 3 Abs. 1 Satz 1 EFZG auf die Dauer von sechs Wochen begrenzt sei. Dementsprechend habe die Klägerin lediglich für den Zeitraum vom 1.5.2023 bis zum 11.6.2023 einen (einheitlichen) Anspruch auf Entgeltfortzahlung wegen bestehender Arbeitsunfähigkeit gehabt.

  2. Nach dem Grundsatz der Einheit des Verhinderungsfalls gelte dies auch, wenn während einer bestehenden Arbeitsunfähigkeit eine neue Krankheit hinzutritt, die ebenfalls Arbeitsunfähigkeit zur Folge hat. In einem solchen Fall könne der 6-Wochen-Zeitraum nur einmal in Anspruch genommen werden.

    Hinweis!  Ein neuer Entgeltfortzahlungsanspruch entsteht nur dann, wenn die krankheitsbedingte erste Arbeitsunfähigkeit zu dem Zeitpunkt beendet war, in dem die weitere krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit auftrat.

  3. Der Rückzahlungsanspruch der Beklagten sei allerdings im Ergebnis ausgeschlossen, da die Klägerin sich erfolgreich auf den Einwand der Entreicherung nach § 818 Abs. 3 BGB berufen konnte.

    Hinweis! Die Arbeitnehmerin bzw. der Arbeitnehmer, die/der den Einwand der Entreicherung geltend machen will, hat im Fall einer Gehaltsüberzahlung darzulegen und im Streitfall zu beweisen, dass sie/er ihren/seinen Vermögensstand infolge der Gehaltsüberzahlung nicht verbessert hat.

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Fazit für Sie!

  • Wird einer Arbeitnehmerin oder einem Arbeitnehmer durch eine Folgebescheinigung eine weitere Arbeitsunfähigkeit attestiert, bedarf es einer Prüfung des Einzelfalls, ob die ursprüngliche Erkrankung zu diesem Zeitpunkt bereits beendet war.

  • Es obliegt der erkrankten Arbeitnehmerin bzw. dem erkrankten Arbeitnehmer darzulegen und gegebenenfalls zu beweisen, dass die Krankheit, welche die erste Arbeitsunfähigkeit bewirkt hat, zum Zeitpunkt des Auftretens der weiteren Krankheit, welche eine weitere Arbeitsunfähigkeit hervorgerufen hat, bereits beendet war.

  • Eine Mitarbeiterin bzw. ein Mitarbeiter kann sich regelmäßig dann auf den Einwand der Entreicherung berufen, wenn die Person mit geringen oder mittleren Einkünften über keine weiteren Einkünfte verfügt, so dass sie die Nettobezüge verwenden muss, um den laufenden Lebensunterhalt für sich und eventuell ihre Familie zu bestreiten.

Herzliche Grüße

Ihr Boris Hoffmann

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