Zugang einer Kündigungserklärung – Anscheinsbeweis, wenn ein Bediensteter der Deutschen Post AG einen Brief zu den postüblichen Zeiten zustellt.
Liebe Leserin, lieber Leser,
bereits zu Beginn meiner beruflichen Tätigkeit vor über 25 Jahren habe ich mich mit der Frage auseinandergesetzt, wie ich eine Kündigungserklärung einer Mitarbeiterin oder einem Mitarbeiter am besten rechtswirksam zustelle. Diese Frage ist allerdings nach wie vor von hoher aktueller Bedeutung. Ich denke da nur an den Klassiker des abgehängten Postbriefkastens. Ich möchte Ihnen daher in diesem Blog von einer sehr aktuellen Entscheidung des Zweiten Senats des Bundesarbeitsgerichts berichten. Das Gericht hatte sich in seiner Entscheidung vom 20.6.2024, Az. 2 AZR 213/231 mit der Frage auseinanderzusetzen, wann ein durch einen Bediensteten der Deutschen Post AG in den Briefkasten eingeworfenes Schreiben dem Empfänger tatsächlich zugeht.
Hinweis! Einen großartigen Überblick über alle aktuellen Rechtsfragen des Zugangs und der Zustellung von Kündigungen im Arbeitsrecht liefert das Autorenduo Rambach und Rambach in der aktuellen Ausgabe der ZTR2.
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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Die Parteien streiten ausschließlich über den tatsächlichen Zeitpunkt, zu dem das zwischen ihnen bestehende Arbeitsverhältnis tatsächlich durch die vom Arbeitgeber ausgesprochene Kündigung beendet bzw. aufgelöst worden ist.
Arbeitsvertraglich vereinbart war eine Kündigungsfrist von einem Vierteljahr zum Quartalsende. Der beklagte Arbeitgeber kündigte das Arbeitsverhältnis mit Schreiben vom 28.9.2021 ordentlich zum 31.12.2021. Das Kündigungsschreiben wurde am 30.9.2021 (unstrittig) von einem Bediensteten der Deutschen Post AG in den Hausbriefkasten der Klägerin eingeworfen.
Im arbeitsgerichtlichen Verfahren bestritt die Klägerin einen Einwurf des Kündigungsschreibens in ihren Hausbriefkasten zu den üblichen Postzustellungszeiten. Dementsprechend sei ihr die Kündigung erst am nächsten Tag zugegangen, da mit der Entnahme des Schreibens am selben Tag nicht zu rechnen gewesen sei. Damit sei ihr die Kündigung erst am 1.10.2021 zugegangen, so dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 31.12.2021, sondern erst zum 31.3.20221 aufgelöst worden sei.
Hinweis! Dieser Fall macht nochmals besonders deutlich, dass der Arbeitgeber mit einer Kündigung nicht bis zum letzten „Drücker“ warten sollte. Dies gilt im Hinblick auf die in § 626 Abs. 2 BGB normierte zweiwöchige materielle Ausschlussfrist bzw. in Bezug auf die in § 1 Abs. 1 KSchG geregelte sechsmonatige Wartefrist insbesondere für außerordentliche Kündigungen sowie für die sogenannte Wartezeitkündigung (in der Praxis häufig mit der „Probezeitkündigung“ gleichgestellt).
Die Klägerin hatte in allen drei Instanzen mit ihrer Klage keinen Erfolg. Das Arbeitsverhältnis endete damit durch die Kündigung mit Schreiben vom 28.9.2021 zum 31.12.20221.

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe:
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Nach der ständigen Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts gehe eine verkörperte Willenserklärung unter Abwesenden iSv. § 130 Abs. 1 Satz 1 BGB zu, sobald
• sie in verkehrsüblicher Weise in die tatsächliche Verfügungsgewalt des Empfängers gelangt sei und
• für diesen unter gewöhnlichen Verhältnissen die Möglichkeit bestehe,
• von ihr Kenntnis zu nehmen. -
Der Einwurf in einen Briefkasten bewirke den Zugang, sobald nach der Verkehrsanschauung mit der nächsten Entnahme durch den Empfänger zu rechnen sei.
Hinweis! Im Hinblick auf die Rechtssicherheit ist hierbei nicht auf die jeweiligen individuellen Verhältnisse des Empfängers abzustellen, die ja sehr unterschiedlich sein können (z. B. Vereinbarung mit dem Postboten über persönliche Zustellzeiten, eigene Leerungsgewohnheiten, krankheits- oder urlaubsbedingte Abwesenheit). Vielmehr bedarf es einer generalisierenden Betrachtungsweise.
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Bei Hausbriefkästen könne im Allgemeinen mit einer Leerung unmittelbar nach Abschluss der üblichen Postzustellzeiten gerechnet werden.
- Es bestehe grundsätzlich ein Anscheinsbeweis, dass eine Kündigungserklärung – so weit die Zustellung durch einen Bediensteten der Deutschen Post AG erfolge – am Zustelltag zu den üblichen Postzustellzeiten in den Briefkasten eingelegt worden ist.
Hinweis! Besteht ein Anscheinsbeweis für den Zugang der Kündigungserklärung hat die Arbeitnehmerin oder der Arbeitnehmer atypische Umstände des Einzelfalls darzulegen und im Bestreitensfall zu beweisen, die die ernsthafte Möglichkeit eines abweichenden Geschehensablaufs nahelegen.
Da die Klägerin der ihr obliegenden Darlegungs- und Beweislast nicht nachkommen konnte, bestand damit der erste Anschein, dass das Kündigungsschreiben durch den Einwurf in den Briefkasten am 30.9.2021 am selben Tag zugegangen ist. Die Klage war damit abzuweisen.

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Fazit für Sie!
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Die Entscheidung des BAG sorgt für Rechtssicherheit und vereinfacht für den Arbeitgeber die Darlegung im Kündigungsschutzrechtsstreit.
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Die Zustellung eines Kündigungsschreibens mittels Einwurf-Einschreiben der Deutschen Post AG ist ein geeignetes Mittel zur Zustellung einer Kündigungserklärung.
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Sie benötigen bei einem Einwurf-Einschreiben immer den Einlieferungsbeleg zusammen mit der Reproduktion des Auslieferungsbelegs, da dieser den Beweis des ersten Anscheins für die Zustellung des Schreibens erbringt.
Herzliche Grüße
Ihr
Boris Hoffmann
1 BAG 20.6.2024 – 2 AZR 213/23, ZTR 2024, 524.
2 Rambach/Rambach ZTR 2025, 519.
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