Neues zur Benachteiligung schwerbehinderter Bewerber
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
Sie wissen alle, dass Sie mit Bewerbungen von schwerbehinderten oder diesen gleichgestellten Personen besonders sorgfältig umgehen müssen. Dies gilt zumindest dann, wenn die Bewerbung mit dem deutlichen Hinweis auf den Grad der Behinderung oder die entsprechende Gleichstellung mit einem schwerbehinderten Menschen versehen ist.
Hinweis! In diesen Fällen sind Sie „ohne Wenn und Aber“ gesetzlich verpflichtet, diese Personen zu einem Vorstellungsgespräch einzuladen. Es sei denn, diese Person ist für die Stelle offensichtlich fachlich nicht geeignet.
In einem aktuellen Fall, welchen das BAG am 21.01.2020 unter dem Aktenzeichen 8 AZR 484/16 (die Entscheidung ist allerdings noch nicht veröffentlicht) entschieden hat, wurde dem Kläger im Ergebnis eine Entschädigung in einer Höhe von 3.717,30 Euro zugesprochen.
Das BAG führte hierzu aus, dass dem Kläger nach § 15 Abs. 2 Satz 2 AGG eine angemessene Entschädigung zuzusprechen war. In diesem Zusammenhang machte das Gericht nochmals deutlich, dass die Nichteinladung des Klägers die Vermutung begründe, dass er wegen seiner Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden sei.
Hinweis! Die Vermutungsregel des § 22 AGG bezieht sich ausschließlich auf das Merkmal der Kausalität zwischen der bestehenden Behinderung und der Benachteiligung (sog. Beweislasterleichterung).
Das Besondere an dem Fall war, dass das beklagte Land versuchte, diese Vermutungsregelung zu entkräften, indem es behauptete, die Bewerbung des Klägers sei aufgrund eines schnell überlaufenden Outlook-Postfachs und wegen ungenauer Absprachen unter den befassten Mitarbeitern nicht in den Geschäftsgang gelangt. Schon aus diesem Grund sei der Kläger nicht wegen der (Schwer)Behinderung bzw. Gleichstellung benachteiligt worden.
Hinweis! Diese Begründung lies im Übrigen das in erster Instanz entscheidende Arbeitsgericht noch ausreichen und wies die Klage im Ergebnis vollumfänglich ab.
Dies sah das BAG allerdings zu Recht anders. Denn das beklagte Land habe mit seinem Vortrag diese Vermutung nicht ausreichend widerlegt. Insoweit habe sich das beklagte Land nicht mit Erfolg darauf berufen können, die Bewerbung sei nicht in den Geschäftsgang gelangt. Dass ihm trotz Zugangs der Bewerbung ausnahmsweise eine tatsächliche Kenntnisnahme nicht möglich war, habe das beklagte Land im Ergebnis nicht vorgetragen. In diesem Zusammenhang liegt aus meiner Sicht der Begriff des sog. „Organisationsverschuldens“ nahe.
Ich finde das Ergebnis völlig richtig. Denn ansonsten würde man es dem Arbeitgeber wirklich zu einfach machen, die Vermutungsregelung des § 22 AGG zu entkräften. Dafür braucht es etwas mehr „Butter bei den Fischen“.
Damit verbleibe ich mit herzlichen Grüßen
Ihr
Boris Hoffmann
