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Personalakte – Einsichtnahme unter Hinzuziehung eines Rechtsanwalts

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In meinen letzten „Novemberblog“ habe ich die Frage der Teilnahmepflicht eines Arbeitnehmers an einem Personalgespräch trotz bestehender Arbeitsunfähigkeit durchleuchtet. Vor einem Personalgespräch kann es für den Arbeitnehmer interessant sein, Einsicht in die eigene Personalakte zu nehmen. Dieser Blog befasst sich mit der Frage, ob es dem Arbeitnehmer gestattet ist, hierzu einen beauftragten Rechtsanwalt beizuziehen.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

das Betriebsverfassungsrecht sieht in § 83 Abs. 1 Satz 2 BetrVG ausdrücklich vor, dass es (nur) dem Betriebsrat gestattet ist, den Arbeitnehmer bei der Einsichtnahme in seine Personalakte zu unterstützen. Anerkannt ist es zudem, dass der Arbeitnehmer im Rahmen seiner Anhörung vor dem Ausspruch einer möglichen Verdachtskündigung beanspruchen kann, von einem Rechtsanwalt begleitet zu werden.1 Doch wie ist die Rechtslage im Falle der Einsichtnahme in die Personalakte? Im Anwendungsbereich des TVöD/TV-L ist die Frage geklärt, da die einschlägigen tarifrechtlichen Vorschriften ein entsprechendes Recht zur Hinzuziehung eines Rechtsbeistandes ausdrücklich vorsehen (§ 3 Abs. 5 Satz 2 TVöD/§ 3 Abs. 6 Satz 2 TV-L.). Doch wie sieht es außerhalb der Anwendungsbereiche der Tarifverträge im öffentlichen Dienst aus?

Mit dieser Frage hat sich das Bundesarbeitsgericht2 nunmehr auseinandergesetzt.

Ausgangslage:

Sowohl das Betriebsverfassungsgesetz als auch die Personalvertretungsgesetze begründen keinen entsprechenden Anspruch des Arbeitnehmers. Ein Anspruch kann daher lediglich aus der in § 241 Abs. 2 BGB normierten Pflicht zur Rücksichtnahme folgen.

Entscheidungsgründe:

Das Bundesarbeitsgericht hat festgestellt, dass die inhaltliche Reichweite der Schutz- und Rücksichtnahmepflicht des Arbeitgebers durch das grundgesetzlich geschützte Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG) näher bestimmt wird. Ein Recht des Arbeitnehmers zur Einsichtnahme in die Personalakte einen Rechtsanwalt hinzuziehen, wird durch Art. 2 Abs. 1 i. V. m. Art. 1 Abs. 1 GG zumindest dann nicht begründet, wenn der Arbeitgeber dem Arbeitnehmer erlaubt, Kopien der in der Personalakte befindlichen Schriftstücke zu fertigen.

Bewertung:

Aus meiner Sicht ist die Argumentation des Bundesarbeitsgerichts stimmig. Soweit die Einsichtnahme auf dem Betriebsgelände zu erfolgen hat – was der Regelfall sein dürfte – steht dem Recht des Arbeitnehmers auf informationelle Selbstbestimmung das Hausrecht des Arbeitgebers gegenüber (vgl. §§ 858 ff. BGB, 903, 1004 BGB). Daher kann der Arbeitgeber grundsätzlich frei darüber entscheiden, wem er den Zutritt zum Betriebsgelände gestattet. Das schließt die Befugnis mit ein, den Zutritt nur zu bestimmten Zwecken zu erlauben. Dementsprechend musste das Bundesarbeitsgericht zwischen den widerstreitenden Interessen des Arbeitgebers und des Arbeitnehmers abwägen. Die Interessenabwägung muss zugunsten des Arbeitgebers ausfallen, wenn es dem Arbeitnehmer gestattet ist, von der Personalakte Kopien zu machen, da in diesem Fall das Transparenzinteresse des Arbeitnehmers durch den Arbeitgeber hinreichend berücksichtigt worden ist.

Hinweis:
Was das Bundesarbeitsgericht leider nicht abschließend entschieden hat, ist die Frage, ob der Arbeitnehmer grundsätzlich das Recht hat, einen Dritten mit der Einsichtnahme in seine Personalakte zu beauftragen oder einen Dritten, der kein Personalrats- bzw. Betriebsratsmitglied ist, bei der Einsichtnahme hinzuzuziehen. Dies ist besonders schade, da diese Frage in der arbeitsrechtlichen Rechtsprechung und Literatur unterschiedlich beantwortet wird (dagegen LAG Schleswig-Holstein 17. April 2014 - 5 Sa 385/13 - zu II 2 a aa der Gründe; ArbG München 7. März 1979 - 24 Ca 434/79 -; HWGNRH/Rose 9. Aufl. § 83 Rn. 45; Schaub/Linck ArbR-HdB 16. Aufl. § 148 Rn. 10; Gola/Hümmerich BB 1974, 1167, 1172; dafür ErfK/Kania 16. Aufl. § 83 BetrVG Rn. 4; Fitting 28. Aufl. § 83 Rn. 12; DKKW/Buschmann 15. Aufl. § 83 Rn. 16; HaKo-BetrVG/Lakies 4. Aufl. § 83 Rn. 12).

Aus meiner Sicht spricht vieles dafür, sich gegen einen generellen Rechtsanspruch auf Hinzuziehung eines Rechtsanwaltes bei der Einsichtnahme in der Personalakte auszusprechen, da es nur dem Arbeitnehmer „persönlich“ gestattet ist, in seine Personalakte Einsicht zu nehmen. Etwas anderes muss allerdings dann gelten, wenn der Arbeitnehmer arbeitsunfähig erkrankt ist und ihm damit die Einsichtnahme nicht möglich ist.

Bis zum nächsten Blog!

Ihr
Boris Hoffmann


1 BAG 13.03.2008 – 2 AZR 961/06 –, NZA 2008, 809.
2 BAG 12.07.2016 – 9 AZR 791/14 –, juris.

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