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Teilnahme an einem Streik

Ob bzw. wie sich eine Arbeitnehmerin oder ein Arbeitnehmer bei einer Streikteilnahme vorher beim Arbeitgeber abmelden muss

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Liebe Leserin, lieber Leser,

wie Sie alle wissen, laufen aktuell die Tarifverhandlungen in der Tarifrunde für den öffentlichen Dienst (TVöD). Am 27.2.2025 war es dann mal wieder soweit. Ver.di hatte vorab alle Beschäftigten von Stadtreinigung, Hamburg Port Authority sowie den Theatern und Bühnen (u.a. Thalia, Schauspielhaus, Staatsoper) und weiterer Betriebe wie der Bundesagentur für Arbeit oder dem Bundesamt für Seeschifffahrt und Hydrographie zu einem Warnstreik in Hamburg aufgerufen. Die Stadtreinigung Hamburg hat den Warnstreik dann sogar bis zum 3.3.2025 ausgeweitet. Die Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Mecklenburg-Vorpommern vom 26.9.2023, Az. 2 Sa 123/23 passt hierzu wie der berühmte Deckel zum Topf. Das Gericht hatte sich inhaltlich mit einer wegen einer Streikteilnahme ausgesprochenen Abmahnung auseinanderzusetzen.

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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:

Am Abend des 28.2.2023 rief die Gewerkschaft ver.di für den 2.3.2023 im Rahmen der laufenden Tarifrunde öffentlicher Dienst (TVöD) die Beschäftigten der Dienststellen und Betriebe des öffentlichen Dienstes im Bereich des ver.di Bezirks R-Stadt zu einem ganztägigen Warnstreik auf. Am Morgen des 2.3.2023 versammelten sich zehn Mitarbeiter der Beklagten, darunter auch die Klägerin, auf dem Hof des Betriebes der Beklagten, die Mitglied im Kommunalen Arbeitgeberverband für den öffentlichen Dienst ist, um anschließend in der R-Stadt gemeinschaftlich am Streik teilzunehmen. Erst am darauffolgenden Tag informierte die Klägerin ihren Vorgesetzten mündlich über die Streikteilnahme.

Nachdem am 13.3.2023 ein Personalgespräch stattgefunden hatte, übersandte die Beklagte der Klägerin am 20.3.2023 ein „Abmahnungsschreiben“, indem der Klägerin vorgeworfen wurde, dass sie am 2.3.2023 unentschuldigt gefehlt habe.

Sowohl das Arbeitsgericht Rostock als auch das Landesarbeitsgericht Mecklenburg-Vorpommern haben der Klage auf Entfernung der Abmahnung aus der Personalakte stattgegeben.

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Das sind die wesentlichen Entscheidungsgründe des Gerichts:

1. Ein Arbeitnehmer könne generell die Entfernung einer zu Unrecht ausgesprochenen Abmahnung aus der Personalakte verlangen.

Hinweis! Anspruchsgrundlage für den Entfernungsanspruch der/des Beschäftigten ist §§ 242, 1004 iVm. § 611a BGB.

2. Eine Abmahnung könne generell aus zwei Gründen ungerechtfertigt sein. Entweder sie enthalte unrichtige Tatsachenbehauptungen oder sie beruhe auf einer unzutreffenden rechtlichen Bewertung.

3. Hier seien die von der Beklagten erhobenen Vorwürfe nicht berechtigt gewesen. Denn bei einer Streikteilnahme bestehe, von Ausnahmefällen abgesehen, keinerlei Abmeldepflichten. Zudem müsse eine Abmeldung schon gar nicht vor einer Streikteilnahme erfolgen, um eine rechtmäßige Streikteilnahme zu erreichen.

4. Ein rechtmäßiger Streik beginne immer damit, dass eine Gewerkschaft ihre Mitglieder aufruft, für ein tarifvertraglich regelbares Ziel in den Streik zu treten. Allerdings würden durch diese Erklärung allein noch nicht die Hauptleistungspflichten aus den einzelnen Arbeitsverhältnissen suspendiert. Vielmehr müsse die einzelne Arbeitnehmerin bzw. der einzelne Arbeitnehmer konkludent oder ausdrücklich erklären, dass sie/er an den Streik teilnimmt und deshalb die Arbeitspflichten suspendiert werden.

Hinweis! Allein die Streikteilnahme enthält die konkludente Erklärung streiken zu wollen. Dementsprechend bedarf es keiner weiteren Erklärung der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers.

Damit war der Klage im Ergebnis stattzugeben, da allein durch die Streikteilnahme die Hauptleistungspflichten der Klägerin suspendiert waren, so dass es keiner weiteren Entschuldigung der Klägerin für ihre Abwesenheit bedurfte.

Fazit für Sie!

  • Die konkludent oder ausdrücklich erklärte Streikteilnahme führt zur zeitweiligen Aufhebung der Arbeitspflicht.

  • Ein/e Arbeitnehmer/in, die/der am Streik teilnimmt, ist bereits auf Grund dieser Streikteilnahme nicht mehr zur Arbeitsleistung verpflichtet und verliert auf der anderen Seite den Anspruch auf das Entgelt für den Streiktag.

  • Ein Arbeitgeber kann regelmäßig davon ausgehen, dass die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer, die/der nach einem gewerkschaftlichen Streikaufruf nicht zur Arbeit erscheint oder den Arbeitsplatz verlässt, von ihrem/seinem Streikrecht Gebrauch macht. 

  • Nur in besonderen Fällen bedarf es der Klarstellung durch die Arbeitnehmerin/den Arbeitnehmer, dass sie/er am Streik teilnimmt.

Beispiel: Die/der betreffende Arbeitnehmer/in war bereits vor Streikbeginn aus anderen Gründen von der Arbeit befreit, etwa weil sie/er einen bereits bewilligten Urlaub angetreten hatte oder an einer Betriebsratsschulung teilnahm. 

Herzliche Grüße

Ihr Boris Hoffmann


1 LAG M-V 25.6.2024 – 2 Sa 123/23, juris.

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