Konkretisierung der Arbeitspflicht – Ausübung des Direktionsrechts
Liebe Leserin, lieber Leser,
in diesem Blog möchte ich Ihnen eine Entscheidung aus meiner Heimatstadt näherbringen. Das Landesarbeitsgericht Köln hat sich in seinem Urteil vom 17.10.2023, Az. 4 Sa 1/23 mit einer für die Praxis sehr interessanten Frage auseinandergesetzt. Es ging letztlich darum, ob die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber einer nicht schwerbehinderten Arbeitnehmerin oder einem nicht schwerbehinderten Arbeitnehmer, soweit diese/r krankheitsbedingt nicht mehr auf ihrem/seinen ursprünglichen Arbeitsplatz beschäftigt werden kann, im Rahmen des ihr/ihm zustehenden Direktionsrechts im Sinne des § 106 Satz 1 GewO einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuweisen muss oder nicht?
TVöD/TV-L PRO
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Der Entscheidung lag folgender Sachverhalt zugrunde:
Der im Jahr 1960 geborene Kläger war bei der Rechtsvorgängerin der späteren Beklagten bereits seit dem Jahr 1984 beschäftigt. Der Arbeitsvertrag selbst enthält keine weiteren Angaben zum Tätigkeitsbereich, der für den Kläger vorgesehen ist.
Hinweis! In den „Musterarbeitsverträgen“ im öffentlichen Dienst findet sich heutzutage häufig lediglich der Hinweis darauf, dass die Arbeitnehmerin/der Arbeitnehmer als „Beschäftigte/r“ eingestellt worden ist. Eine weitere Konkretisierung der Tätigkeitsbeschreibung ist allerdings möglich (z. B. „… wird als Erzieherin/Erzieher eingestellt.“).
Zum Aufgabengebiet des Klägers als Vermögensspezialist im Bereich Private Banking im Firmenkundencenter gehörte zuletzt u.a. die eigenverantwortliche Betreuung der Firmenkunden des Firmenkundencenters in der Vermögensbetreuung, der ziel- und ergebnisorientierte Vertrieb der gesamten zugeordneten Produktpalette unter Berücksichtigung der Bank- und Kundenbedürfnisse sowie die aktive Terminierung von Kundengesprächen.
Seit dem 19.10.2020 war der Kläger arbeitsunfähig erkrankt. Am 10.01.2022 teilte er mit, dass er zum Ende des ersten Quartals 2022 eine Rückkehr zu seinem Arbeitsplatz plane. Insoweit wies er mit Schreiben vom 28.3.2022 darauf hin, dass aus seiner Sicht ein Einsatz auf der von der Beklagten ausgeschriebenen Stelle als "Mitarbeiterbetreuer Vermögen" vorstellbar sei sowie ein Einsatz im Back-Office-Bereich Wertpapiere zur Vertriebsunterstützung. Die Beklagte lehnte eine entsprechende Beschäftigung des Klägers ab. Erst ab dem 15.7.2022 wurde der Kläger bei der Beklagten wieder beschäftigt. Der Kläger machte danach klageweise entsprechende Vergütungsansprüche geltend.
Sowohl das Arbeitsgericht als auch das Landesarbeitsgericht Köln gaben dem Begehren des Klägers nicht statt.

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Das Landesarbeitsgericht Köln begründete seine Entscheidung im Wesentlichen wie folgt:
- Der Arbeitgeber sei nach § 294 BGB nicht verpflichtet, die von ihm zunächst wirksam konkretisierte Arbeitspflicht neu zu bestimmen.
Hinweis! Entsprechende Wünsche der Arbeitnehmerin oder des Arbeitnehmers sind damit insoweit irrelevant. - Die Konkretisierung der Arbeitsleistung sei Sache des Arbeitgebers. Damit können dieser erst dann in Annahmeverzug geraten, wenn er von seinem Direktionsrecht entsprechend Gebrauch gemacht habe, soweit der Arbeitnehmer aus einem in seiner Person liegenden Grund die aufgrund des Direktionsrecht näher bestimmte Arbeitsleistung nicht mehr ausüben könne.
- Das schuldhafte Unterlassen, einem Arbeitnehmer einen leidensgerechten Arbeitsplatz zuzuweisen, könne allerdings einen Anspruch des Arbeitnehmers auf Schadensersatz begründen.
Hinweis! Der Anspruch auf Schadensersatz nach § 280 Abs. 1 BGB findet seinen Ursprung in der Verletzung der Rücksichtnahmepflicht nach § 241 Abs. 2 BGB durch die Arbeitgeberin oder durch den Arbeitgeber. - Verlange der Arbeitnehmer die Umsetzung auf einen leidensgerechten Arbeitsplatz, sei dem Arbeitgeber die Zuweisung einer anderen Tätigkeit jedoch dann nicht zumutbar, wenn dem Ansinnen des Arbeitnehmers betriebliche Gründe entgegenstehen.
Hinweis! Betriebliche Gründe werden in der Regel entgegenstehen, wenn kein entsprechender Arbeitsplatz frei ist und die Arbeitgeberin/der Arbeitgeber kein Bedarf für die Tätigkeit hat.
Da für den in Streit stehenden Zeitraum vom 12.4 bis zum 11.7.2022 kein freier leidensgerechter Arbeitsplatz bestand, wurde die Klage im Ergebnis zu Recht abgewiesen.

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Fazit für Sie!
Sie entscheiden als Arbeitgeberin oder als Arbeitgeber grundsätzlich alleine darüber, welche Arbeitsplätze Sie mit welchem Personal besetzen wollen.
Allerdings haben Sie auch die Pflicht, das Angebot einer Arbeitnehmerin oder eines Arbeitnehmers auf Beschäftigung auf einem leidensgerechten Arbeitsplatz näher zu prüfen. Dies gilt insbesondere dann, wenn Sie die Tätigkeit Ihrer Mitarbeiter/innen im Arbeitsvertrag nicht weiter konkretisieren.
Mit diesen Hinweisen sage ich für heute „tschö“, wie man bei uns in Köln so sagt (während der französischen Besatzung haben die Rheinländer/innen das Wort "Adieu" kennengelernt und daraus "Adschö" gemacht; später wurde daraus kurz "Tschö").
Herzliche Grüße
Ihr
Boris Hoffmann
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