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Entgeltfortzahlung – Urlaubsentgelt – Betriebsratsarbeit

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BAG vom 8.11.2017 – 5 AZR 11/17: Vor dem Bundesarbeitsgericht ging es um die Rückzahlung von Urlaubsentgelt und Entgeltfortzahlung.

 

 

 

 

Leitsätze

 

  1. Leistet ein Arbeitnehmer außerhalb seiner individuellen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit und erhält er hierfür nach Maßgabe von § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG eine Abgeltung, kann er gemäß § 4 Abs. 1a EFZG für diese Zeit im Krankheitsfall vom Arbeitgeber grundsätzlich keine Entgeltfortzahlung verlangen. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied ständig zusätzlich zu seiner individuellen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit leistet und regelmäßig eine bezahlte Arbeitsbefreiung nach näherer Maßgabe von § 37 Abs. 3 BetrVG nicht gewährt werden kann.

  2. Die urlaubsbedingt ausfallende Zeit der Betriebsratsarbeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit des Betriebsratsmitglieds, für die nach § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG eine Abgeltung vom Arbeitgeber zu leisten wäre, ist bei der Bemessung des Urlaubsentgelts i. S. von § 11 Abs. 1 BUrlG einzubeziehen.

  3. Das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG lässt die Vereinbarung einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten nicht zu, wenn sie ohne sachlichen Grund wegen der Betriebsratstätigkeit gewährt wird und zu einer Verdiensterhöhung führt. Entsprechende Vereinbarungen sind gemäß § 134 BGB nichtig. Die Rückforderung geleisteten Entgelts richtet sich in diesen Fällen nicht nach § 812 Abs. 1 Satz 1 Alt. 1 BGB, sondern nach § 817 Satz 1 BGB. Dieser schließt die Anwendung des § 814 BGB aus.

 

 

Orientierungssätze

 

  1. Verlangt der Arbeitgeber die Rückzahlung geleisteter Bruttoarbeitsvergütung, schließt dies die Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung ein. Bei der Antragstellung ist hinsichtlich der Sozialversicherungsbeiträge § 26 SGB IV zu beachten. Der Arbeitgeber hat gegen den Arbeitnehmer deshalb nur einen Anspruch auf Abtretung dieses gegen den Sozialversicherungsträger bestehenden Anspruchs. Nur wenn die Abtretung nicht möglich ist, weil dem Arbeitnehmer von der Einzugsstelle die zu Unrecht entrichteten Sozialversicherungsbeiträge bereits ausgezahlt wurden, hat der Arbeitnehmer den Wert des Anspruchs zu ersetzen. Der auf Abtretung des Erstattungsanspruchs gerichtete Klageantrag ist – ebenso wie ein entsprechender Zahlungsantrag bei bereits erfolgter Erstattung an den Arbeitnehmer – nur dann hinreichend bestimmt i. S. von § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO und damit zulässig, wenn die Höhe der abgeführten Arbeitnehmeranteile zur Sozialversicherung beziffert ist.

  2. Leistet ein Betriebsratsmitglied außerhalb der individuellen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit, ist diese – soweit die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG vorliegen – wie Mehrarbeit zu vergüten. Sie unterliegt damit grundsätzlich dem Ausschlusstatbestand des § 4 Abs. 1a EFZG und kann deshalb bei der Entgeltfortzahlung nicht berücksichtigt werden. Etwas anderes gilt nur dann, wenn das Betriebsratsmitglied ständig zusätzlich zu seiner individuellen Arbeitszeit Betriebsratsarbeit leistet und eine bezahlte Arbeitsbefreiung nach näherer Maßgabe von § 37 Abs. 3 BetrVG nicht gewährt werden kann. Die Zeit der Betriebsratsarbeit ist dann als Arbeitszeit i. S. von § 4 Abs. 1 EFZG zu behandeln.

  3. Die unter den Voraussetzungen von § 37 Abs. 3 Satz 3 Halbs. 2 BetrVG erbrachten Entgeltzahlungen sind wie Arbeitsverdienst i. S. von § 11 BurlG zu behandeln. Deshalb sind Zeiten der Betriebsratsarbeit außerhalb der individuellen Arbeitszeit und die hierfür zu zahlende Vergütung bei der Bemessung des Urlaubsentgelts zu berücksichtigen, sofern die Voraussetzungen des § 37 Abs. 3 BetrVG vorliegen.

  4. Vereinbarungen, die gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG verstoßen, sind gemäß § 134 BGB nichtig. Dies betrifft u. a. die Vereinbarung einer pauschalen Stundenvergütung zur Abgeltung von Betriebsratstätigkeiten, wenn sie ohne sachlichen Grund wegen der Betriebsratstätigkeit gewährt wird und zu einer Verdiensterhöhung führt. Eine Begünstigungsabsicht ist nicht erforderlich. Es genügt die objektive Besserstellung gegenüber Nichtbetriebsratsmitgliedern. Ob eine Vereinbarung gegen das Begünstigungsverbot des § 78 Satz 2 BetrVG verstößt, ist vom Gericht ohne Rüge einer Partei von Amts wegen zu prüfen. Die Rückforderung zu Unrecht geleisteten Entgelts richtet sich dann nach § 817 Satz 1 BGB, der die Anwendung des § 814 BGB ausschließt.

 

Auf die vollständige Urteilsbegründung wird verwiesen.

 

BAG vom 8.11.2017 – 5 AZR 11/17 –

 

Bernhard Faber

Richter am Arbeitsgericht Augsburg a. D.

 

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