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Die Pflicht der Verfassungstreue

Nach § 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BeamtStG/§ 7 Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 BBG darf in ein Beamtenverhältnis nur berufen werden, wer die Gewähr dafür bietet, jederzeit für die freiheitlich demokratische Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes einzutreten. Das Erfordernis der Gewähr der Verfassungstreue gilt uneingeschränkt für alle Arten des Beamtenverhältnisses.

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§ 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG bzw. § 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verpflichtet Beamtinnen und Beamte, sich im aktiven Beamtenverhältnis aber auch in Ruhestandsbeamtenverhältnis (s. § 47 Abs. 2 BeamtStG/§ 77 Abs. 2 Satz 1 Nr. 1 BBG) durch ihr/sein gesamtes Verhalten zu der freiheitlichen demokratischen Grundordnung im Sinne des Grundgesetzes zu bekennen und für deren Erhaltung einzutreten.

1. Allgemeines

In der Vergangenheit mussten sich die Gerichte immer wieder mit rassistischen Äußerungen von Beamtinnen und Beamten in (privaten) Chats auseinandersetzen. Bezogen auf den Austausch von Chat-Nachrichten mit verfassungsfeindlichen Inhalten kann eine Verletzung der beamtenrechtlichen Treuepflicht nicht nur im aktiven Versenden von Nachrichten mit verfassungsfeindlichen Inhalten, sondern auch in deren Empfang, ohne den Inhalten entgegen zu treten oder sich zumindest davon zu distanzieren, liegen.

Die Grundentscheidung des Grundgesetzes zur Konstituierung einer wehrhaften Demokratie lässt es nicht zu, dass Beamtinnen und Beamte im Staatsdienst tätig werden, die die freiheitlich demokratische, rechts- und sozialstaatliche Ordnung ablehnen und bekämpfen. Diesen Personen fehlt die Eignung für die Ausübung eines öffentlichen Amtes. Ihnen kann von den Bürgern nicht das zur Wahrnehmung des öffentlichen Amtes berufserforderliche Vertrauen entgegengebracht werden.

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Blog Beamtenrecht

Dr. Maximilian Baßlsperger

„Wem Gott ein Amt gibt, dem gibt er auch den Verstand“. Detailliert, mit großem Sachverstand und gelegentlich auch mit einem Augenzwinkern, liefert Ihnen dieser Blog Informationen aus erster Hand zu aktuellen Themen im Beamtenrecht.

2. Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung

Der Begriff der freiheitlich demokratischen Grundordnung (s. § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG/§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG) umfasst eine Ordnung, die unter Ausschluss jeglicher Gewalt- und Willkürherrschaft eine rechtsstaatliche Herrschaftsordnung auf der Grundlage der Selbstbestimmung des Volkes nach dem Willen der jeweiligen Mehrheit und der Freiheit und Gleichheit darstellt. Zu den grundlegenden Prinzipien dieser Ordnung sind mindestens die Achtung vor den im Grundgesetz konkretisierten Menschenrechten, vor allem vor dem Recht der Persönlichkeit auf Leben und freie Entfaltung, die Volkssouveränität, die Gewaltenteilung, die Verantwortlichkeit der Regierung, die Gesetzmäßigkeit der Verwaltung, die Unabhängigkeit der Gerichte, das Mehrparteienprinzip und die Chancengleichheit für alle politischen Parteien mit dem Recht auf verfassungsmäßige Bildung und Ausübung einer Opposition zu rechnen.

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3. Verfassungstreuepflicht und Dienstvergehen

Nach § 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG/§77 Abs. 1 Satz 1 BBG begehen Beamtinnen und Beamte ein Dienstvergehen, wenn sie schuldhaft die ihnen obliegenden Pflichten verletzen.

Disziplinarmaßnahmen setzen allerdings ein konkretes Dienstvergehen voraus. Dieses besteht nicht bereits in der „mangelnden Gewähr“ dafür, dass die Beamtin/der Beamte jederzeit für die freiheitliche demokratische Grundordnung eintreten werde, sondern erst in der nachgewiesenen Verletzung jener Amtspflicht.

Ein Dienstvergehen ist erst dann verwirklicht, wenn die Beamtin/der Beamte aus ihrer/seiner politischen Überzeugung Folgerungen für ihre/seine Einstellung gegenüber der verfassungsmäßigen Ordnung der Bundesrepublik Deutschland, für die Art der Erfüllung ihrer/seiner Dienstpflichten, für den Umgang mit ihren/seinen Mitarbeitern oder für politische Aktivitäten im Sinne ihrer/seiner politischen Überzeugung zieht. Die zu beanstandende Betätigung muss zudem von besonderem Gewicht sein. Andererseits kann die Pflichtverletzung nicht nur in Aktivitäten, sondern auch in einem Unterlassen bestehen.

Beispiel: Der Vorgesetzte oder Dienstvorgesetzte übersieht verfassungsfeindliche Umtriebe innerhalb seines Verantwortungsbereichs geflissentlich lässt diese geschehen.

Auch ist das geforderte „Mehr“ als das bloße Haben und Mitteilen einer bestimmten Überzeugung nicht erst bei einem offensiven Werben der Beamtin/des Beamten für eine mit der Verfassungstreuepflicht unvereinbare Überzeugung erreicht. Denn ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht setzt weder ein öffentlich sichtbares noch ein strafbares Verhalten der Beamtin/des Beamten voraus. Ausreichend ist vielmehr, wenn sie/er die beanstandungswürdige Überzeugung „nur im Kreis Gleichgesinnter“ offenlegt, mit denen sie/er sie teilt.

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4. Disziplinarrechtliche Einordnung von Chatnachrichten einer Beamtin/eines Beamten

Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht setzt nicht ein öffentlich sichtbares Verhalten voraus. Dies gilt auch für die Kundgabe politischer Überzeugungen.

Soweit eine Beamtin oder ein Beamter sich in einer verfassungsfeindlichen Organisation rein intern engagiert und seine Überzeugung nur dort offenlegt, liegt hierin gleichwohl eine gelebte Folgerung und Betätigung ihrer/seiner politischen Auffassung. Die Überzeugung führt in diesen Fällen zu einer gelebten Identifizierung. Die Öffentlichkeit einer verfassungsfeindlichen Betätigung ist damit nicht Voraussetzung für einen Verstoß gegen die Treuepflicht der Beamtin/des Beamten. Bezogen auf den Austausch von Chat-Nachrichten mit verfassungsfeindlichen Inhalten liegt eine Verletzung der beamtenrechtlichen Treuepflicht damit nicht nur

a) im aktiven Versenden von Nachrichten mit den vorgeworfenen Inhalten, sondern auch

b) in deren Empfang, ohne den Inhalten entgegenzutreten oder sich zumindest davon zu distanzieren.

Dies kann durch eine Mitteilung an eine/n Vorgesetze/n geschehen oder aber durch verbales Einhaltgebieten an die/den Chat-Partner/in. Denn ohne ein solches erweckt die Beamtin/der Beamte den Eindruck, das Versenden derartiger Nachrichten sei in Ordnung.

Wer sich in einer Menschen anderer Hautfarben oder Nationalitäten extrem herabwürdigenden Weise in der Öffentlichkeit oder im Kollegenkreis äußert, begründet grundsätzlich Zweifel daran, dass sie/er jederzeit für die Wahrung der Menschenrechte und die Grundwerte des Staates eintreten wird. Daher sind bereits die Kundgabe und Verbreitung rechtsextremistischer Ansichten, die die Menschenrechte von Ausländerinnen und Ausländern grundlegend negieren, mit der Pflicht zur Verfassungstreue grundsätzlich unvereinbar.

Beispiele nach VG Bremen 13.11.2024 – 8 K 1457/23: Abbildung von zwei Bananen, von denen eine augenscheinlich verfault sei, mit dem Text „Menschen sind wie Bananen...Keiner mag die Schwarzen..!“. Comic-Strip, in dem eine ältere weiße Frau auf einen Kothaufen am Boden zeigt und zu einem danebenstehenden dunkelhäutigen Mann sagt „Entschuldigung, ich glaube Ihr Kollege ist zusammengebrochen.“

Mit der Verfassungstreuepflicht ist zudem ein Verhalten unvereinbar, das objektiv geeignet oder gar darauf angelegt ist, die Ziele des NS-Regimes zu verharmlosen sowie Kennzeichen, Symbole oder sonstige Bestandteile der NS-Ideologie (wieder) gesellschaftsfähig zu machen. So trägt eine Beamtin/ein Beamter durch das Versenden von Bildern und Textnachrichten mit Bezügen zur Person Adolf Hitlers und Hakenkreuzdarstellungen zur Bagatellisierung und Glorifizierung des nationalsozialistischen Unrechtsregimes bei, so dass auch dadurch jedenfalls die Pflicht zum Eintreten für die verfassungsmäßige Ordnung im Sinne von § 33 Abs. 1 Satz 3 BeamtStG/§ 60 Abs. 1 Satz 3 BBG verletzt wird.

Beispiele nach VG Bremen 13.11.2024 – 8 K 1457/23: Bild eines Fußballs mit einem aufgedruckten Hakenkreuz-Symbol und der Bildunterschrift „Mit dem Ball müsste der WM-Titel doch machbar sein...“. Ein Foto, welches Adolf Hitler zeigt, wie er gemeinsam mit weiteren Männern auf die Kamera zugeht, unter der Überschrift „Frankreich wir kommen.“. Foto Adolf Hitlers vor einer Menschenmenge, die den „Hitler-Gruß" zeigen, mit dem Schriftzug „Keine Sorge Jungs Frankreich ist nicht unbesiegbar“. Abbildung eines Wohnhauses, welches mit mehreren Hakenkreuzen und dem Schriftzug „Sieg Heil“ in Frakturschrift versehen worden ist.  Abbildung von Adolf Hitler, der den Hitler-Gruß zeigt.

Verfassungsfeindliche Äußerungen innerhalb einer Chatgruppe können auch im Hinblick auf die Verletzung der allgemeinen Wohlverhaltenspflicht ein innerdienstliches Dienstvergehen darstellen. Denn eine innerdienstliche Pflichtverletzung kann auch außerhalb der Dienstzeit und außerhalb der Diensträume begangen werden, wenn sie in einem funktionalen Zusammenhang mit dem der Beamtin/dem Beamten übertragenen Amt steht. Dies gilt etwa dann, wenn in der Chatgruppe auch dienstliches ausgetauscht wird oder die Chatgruppe für Kolleginnen und Kollegen bestimmt ist.

Ein Verstoß gegen die Verfassungstreuepflicht stellt immer eine innerdienstliche Pflichtverletzung dar.

Prof. Dr. Boris Hoffmann

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