Aberkennung des Ruhegehalts nach über 40 Jahren
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
das Disziplinarrecht endet nicht mit dem Eintritt in den Ruhestand (vgl. § 1 Satz 1 BDG). Mögliche Disziplinarmaßnahmen gegen Ruhestandsbeamte sind die Kürzung (§ 11 BDG) und die Aberkennung des Ruhegehalts (§ 12 BDG). Mit der Aberkennung des Ruhegehalts verliert der Ruhestandsbeamte den Anspruch auf Versorgung einschließlich der Hinterbliebenenversorgung und die Befugnis, die Amtsbezeichnung und die Titel zu führen, die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehen wurden. Dass ein Beamter auch noch viele Jahre nach seinen Vergehen seine Pensionsberechtigung verlieren kann, zeigt eine Entscheidung des BayVGH vom 9.4.2014 (Az.: 16a D 12.1439).
Der Fall:
Ein 1939 geborener Lehrer unterrichtete in der Zeit vom 1.8.1971 bis 31.7.1976 im Ausland die Kinder deutscher Missionare und sonstiger Mitarbeiter des Missionswerks der Evangelisch-Lutherischen Kirche. Er wurde für diese Tätigkeit von seinem Dienst an einem bayerischen Gymnasium beurlaubt. Der Beamte verging sich in dieser Zeit an vier Schülerinnen. Nach dem Bekanntwerden der Vorfälle durch entsprechende Zeugenaussagen im Jahr 2010 wurde ein Disziplinarverfahren gegen den mittlerweile pensionierten Studiendirektor eingeleitet und in der Folge Disziplinarklage erhoben. Der beklagte Lehrer trug vor, der verhängten Disziplinarmaßnahme stünden eine Verwirkung bzw. ein Verzicht auf die Disziplinarbefugnis entgegen. Dem widersprach jetzt der BayVGH und erkannte nach über 40 Jahren den Anspruch des Beamten auf Ruhegehalt ab.
Die wesentlichen Urteilsgründe:
Die Verfehlungen des Beklagten gegenüber den vier Schülerinnen stellen ein einheitliches Dienstvergehen dar (§ 47 Abs. 1 Satz 1 BeamtStG). Sie stehen in einem inneren und äußeren Zusammenhang, da sie anlässlich des Dienstes des Beklagten als Lehrer im Auftrag der Evangelisch-Lutherischen Mission/Evangelisch-Lutherischen Kirche begangen wurden. Durch seine Taten hat der Beklagte ein außerdienstliches Dienstvergehen (vgl. jetzt § 47 Abs. 1 Satz 2 BeamtStG) begangen und dadurch vorsätzlich schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt:
Durch sein Verhalten hat der Beklagte vorsätzlich gegen seine auch außerdienstliche Pflicht zu achtungs- und vertrauenswürdigem Verhalten (vgl. jetzt § 34 Satz 3 BeamtStG) verstoßen und dadurch vorsätzlich schuldhaft die ihm obliegenden Dienstpflichten verletzt. Er hat außerdem gegen das Strafrecht verstoßen, indem er als Lehrer im kirchlichen Dienst ihm anvertraute Kinder sexuell missbrauchte. Das Fehlverhalten war nach dem Gericht geeignet, das Vertrauen der Schüler, der Eltern, der Kollegen, der Vorgesetzten und der gesamten Öffentlichkeit in die Lehrerstellung zu untergraben und die Dienstausübung zu beeinträchtigen. Seine Handlungen rechtfertigten nach Ansicht des BayVGH auch jetzt noch – nach über 40 Jahren – die Aberkennung des Ruhegehalts. Dies gelte, obwohl bisher keine strafrechtliche Verurteilung erfolgte und wegen der (strafrechtlichen) Verjährung auch nicht erfolgen wird. Der sexuelle Missbrauch von Kindern sei bereits unabhängig von dem konkreten Amt geeignet, das Ansehen des Berufsbeamtentums derart schwerwiegend zu beeinträchtigen, dass bei aktiven Beamten nur die Entfernung aus dem Beamtenverhältnis und bei Ruhestandsbeamten die Aberkennung des Ruhegehalts erfolgen müsse.
Auch die langjährige Bewährung des Beklagten im staatlichen Gymnasialdienst nach den begangenen Taten (1976 bis zu seiner Pensionierung im Jahr 1999) rechtfertigte für das Gericht kein Absehen von dieser Entscheidung. Ein Maßnahmeverbot wegen Zeitablaufs (Verjährung) besteht für die Aberkennung des Ruhegehalts gerade nicht (vgl. § 15 BDG und das entsprechende Landesdisziplinarrecht, wie im konkreten Fall Art. 13 BayDG). Der schwerwiegenden Disziplinarmaßnahme stehe nach dem BayVGH auch nicht entgegen, dass der Ruhestandsbeamte – da er nicht mehr als Lehrer im aktiven Dienst tätig sei – keine Gelegenheit mehr habe, seine strafrechtlichen Handlungen fortzusetzen:
„Es wären Rückwirkungen auf das Vertrauen in die Integrität des Berufsbeamtentums zu erwarten, wenn ein Ruhestandsbeamter, der wegen eines schweren Dienstvergehens als aktiver Beamter nicht mehr tragbar wäre, weiterhin sein Ruhegehalt beziehen könnte und berechtigt bliebe, die Amtsbezeichnung und die im Zusammenhang mit dem früheren Amt verliehenen Titel zu führen.“
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
Zur Aberkennung des Ruhegehalts siehe:
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Gansen, § 12 BDG, Rn. 1 ff. und
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Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 13 BayDG, Rn. 1 ff.
Zum Maßnahmeverbot siehe:
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Gansen, § 15 BDG, Rn. 1 ff. und
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Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 16 BayDG, Rn. 1 ff.

