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Abschaffung des Widerspruchsverfahrens

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Grundsätzlich sieht das Beamtenrecht in § 126 Abs. 2 BBG für Bundesbeamte und in § 54 Abs. 2 BeamtStG für Landesbeamte vor, dass vor jeder Klage eines Beamten ein Widerspruchsverfahren durchzuführen ist. Es ist dabei – anders als nach der VwGO – nicht Voraussetzung dieses Verfahrens, dass ein Verwaltungsakt Streitgegenstand einer späteren Klage ist. Siehe dazu auch den Blog-Beitrag „Besserer Rechtsschutz für übergangene Bewerber“.

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

§ 54 Abs. 2 Satz 3 BeamtStG gibt den Ländern die Möglichkeit, das Widerspruchsverfahren nicht mehr zwingend vor eine Klageerhebung zu schalten. Es gibt mittlerweile sehr unterschiedliche Regelungen zu Widerspruchsverfahren in den Bundesländern. So wurde das Widerspruchsverfahren in einigen Ländern in den vergangenen Jahren ganz oder teilweise abgeschafft, oder – wie in Bayern1 – zur Wahl gestellt. Hat der Beamte ein Wahlrecht, so stellt die Durchführung des Wider­spruchs­verfahrens keine zwingende Sach­urteils­voraussetzung mehr dar.

Worin liegt  der Sinn und Zweck des Widerspruchsverfahrens?

Diesem Verfahren kommt allgemein eine dreifache Funktion zu.

  • In erster Linie dient das Widerspruchsverfahren dem Rechtsschutz des Bürgers (Beamten) (Rechtsschutzfunktion).

  • Der vom Gesetzgeber gewährte Rechtsschutz geht dabei über den nach Art. 19 Abs. 4 GG bestehenden Rechtsschutz vor den Verwaltungsgerichten hinaus, weil im Widerspruchs­verfahren nicht nur über die Rechtmäßigkeit und über subjektiv öffentliche Rechte, sondern auch über die Zweckmäßigkeit staatlichen Handelns in einem dem Prozess vorgeschalteten Verwaltungsverfahren nochmals entschieden werden soll. Dabei überprüfen sowohl die Ausgangsbehörde im Abhilfeverfahren (§ 72 VwGO) als auch die oberste Dienstbehörde (= Widerspruchsbehörde) die getroffene Entscheidung in rechtlicher und tatsächlicher Hinsicht. Insofern besitzt das Widerspruchsverfahren eine Selbstkontroll­funktion für die Verwaltung.

  • Letztendlich dient das Widerspruchsverfahren aber auch der Entlastung der Gerichte, denn für den Fall, dass die Ausgangs- oder Widerspruchsbehörde aufgrund der erneuten Rechts- und Zweckmäßigkeitsprüfung im Abhilfe- oder Widerspruchsbescheid dem Anliegen des Bürgers (Beamten) stattgibt, entfällt (in der Regel) das Rechtsschutzbedürfnis für eine Klage vor den Verwaltungsgerichten.2

Wenn nun einige Länder von der Kompetenz zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens Gebrauch machen, so liegt darin ein eindeutiger Einschnitt in die Rechtsposition ihrer Bürger und ihrer Landesbeamten.

Der Grund für das ursprünglich von § 126 Abs. 3 BRRG für alle Klagen zwingend vorgeschriebene beamtenrechtliche Widerspruchsverfahren lag in der Rechtsnatur des Beamtenverhältnisses, das in einer besonderen Bindung zwischen dem Dienstherrn und dem Beamten besteht. In diesem auf Gegenseitigkeit angelegten Dienst- und Treueverhältnis kommt der Schutz- und Kontrollfunktion des Widerspruchsverfahrens eine besondere Bedeutung zu: Vor dem Weg zu den Gerichten soll in jedem Fall – also auch dann, wenn das streitige Rechtsverhältnis nicht auf einem Verwaltungsakt beruht - durch eine erneute Prüfung der Recht- und Zweckmäßigkeit eine den beiden Seiten gerecht werdende Lösung bereits im Vorfeld gesucht und gefunden werden.3

Das mit besonderen gegenseitigen Rechten und Pflichten ausgestattete Beamtenverhältnis sollte also nur dann durch eine gerichtliche Auseinandersetzung belastet werden, wenn sich diese nicht bei Ausschöpfung aller sonstigen Möglichkeiten vermeiden lässt.

Es wäre deshalb schon nach dem Sinn und Zweck des Beamtenverhältnisses zu wünschen, dass die Länder  von der ihnen eingeräumten Kompetenz zur Abschaffung des Widerspruchsverfahrens keinen Gebrauch machten. Siehe dazu auch den Blog-Beitrag „Zum Selbstverständnis des Berufsbeamten“.

Herzlich,

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
__________________________

1 Vgl. Art. 15 AGVwGO
Baßlsperger, ZBR 2002, 186 (187).
3 Hilg, Das beamtenrechtliche Widerspruchsverfahren, apf 1997, 190 ff.

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