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Auch Sex mit erwachsenen Schülern ist ein Dienstvergehen

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Auch bei älteren Schülern gelten sexuelle Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern als Dienstvergehen des Lehrers. Dies entschied jetzt das OVG Koblenz in einem „obiter dictum“.1

Liebe Leserinnen, liebe Leser,

ein sexueller Missbrauch von minderjährigen Schülern ist grundsätzlich mit „der disziplinarischen Höchstmaßnahme“ zu ahnden. Daher musste der Lehrer in dem Fall, der dem OVG Koblenz zur Entscheidung vorlag, aus dem Beamtenverhältnis entfernt werden. Der Einwand des Lehrers, es sei bei dem einmaligen Fall geblieben, war für die Richter kein Grund, anders zu entscheiden. Ein Lehrer darf das besonders enge Verhältnis zu Schülern nicht für eigene Bedürfnisse ausnutzen. Dies gilt insbesondere bei Verhältnissen zwischen Lehrern und minderjährigen Schülern.

Die strafrechtliche Wertung kann aber im Einzelfall auch etwas anderes ergeben, wie eine Entscheidung des OLG Koblenz zeigt.2 In dem zugrundeliegenden Fall hatte das Landgericht Koblenz in der Vorinstanz entschieden, dass der Angeklagte wegen sexuellen Missbrauchs von Schutzbefohlenen in 22 Fällen zu einer Gesamtfreiheitsstrafe von zwei Jahren mit Bewährung zu verurteilen ist. Da es sich bei dem Unterricht des Lehrers nur um Vertretungsunterricht handelte, hatte sein Unterricht keine Auswirkungen auf die Noten der Schülerin. Das Landgericht nahm dennoch eine Strafbarkeit wegen des Missbrauchs von Schutzbefohlenen gemäß § 174 Abs. 1 Nr. 1 StGB an, da die Zeugin dem Angeklagten zur Erziehung und zur Ausbildung anvertraut gewesen sei.

Das Oberlandesgericht hatte seinen Freispruch letztendlich damit begründet, dass für eine Strafbarkeit ein „Obhutsverhältnis“ vorliegen muss. Das sei aber hier nicht der Fall gewesen, weil der Lehrer nicht ihr Klassenlehrer war. Der Freispruch hatte viel Empörung ausgelöst.

Das Oberverwaltungsgericht Koblenz hat dagegen im Disziplinarverfahren gegen den verbeamteten Lehrer darauf erkannt, dass die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nicht davon abhängen kann, ob das Verhalten des Beamten einen Straftatbestand erfüllt oder nicht. Sexuelle Übergriffe auf Minderjährige haben – so das OVG Koblenz – „in höchstem Maße schädliche Auswirkungen auf die seelische und soziale Entwicklung der Kinder und Jugendlichen“ und „zerstören das Vertrauen der Eltern in ein partnerschaftliches Zusammenwirken mit der Schule bei der Erfüllung des staatlichen Erziehungsauftrages“. Deshalb seien solche Handlungen grundsätzlich mit der Entfernung aus dem Dienst zu ahnden. Das OVG entschied weiterhin, dass die Frage, ob der Beamte als Klassenleiter oder (nur) als Stellvertreter oder als aufsichtsführende Lehrkraft bei dem betroffenen Schüler tätig war, einer disziplinarrechtlichen Ahndung nicht entgegensteht. „Der Anspruch von Schülern und Eltern auf Schutz vor Übergriffen besteht ausnahmslos gegenüber allen Lehrern einer Schule“.3

Auch bei erwachsenen Schülern gelten sexuelle Beziehungen zwischen Lehrern und Schülern grundsätzlich als Dienstvergehen des Lehrers4, so das OVG Koblenz: „Mag auch mit zunehmenden Alter die Fähigkeit zur Selbstbestimmung wachsen, wirkt doch der Anspruch der Eltern darauf, dass sich die sexuelle Entwicklung ihrer Kinder… unabhängig von Abhängigkeitsverhältnissen vollzieht… über die Volljährigkeitsgrenze hinaus fort.“ 

Das Gericht machte deutlich: Welche Disziplinarmaßnahme angemessen sei, hänge nicht davon ab, ob das Verhalten des Beamten einen Straftatbestand erfülle und welcher Strafrahmen dafür gelte. „Das Beamtendisziplinarrecht und das Strafrecht haben unterschiedliche Zwecke und daher auch unterschiedliche Maßstäbe“, so OVG-Sprecher Manfred Stamm.5 Das Disziplinarrecht solle die Integrität des öffentlichen Dienstes schützen.

  • Nach § 13 Abs. 1 BDG und den entsprechenden landesrechtlichen Bestimmungen ergeht die Entscheidung über eine Disziplinarmaßnahme nach pflichtgemäßem Ermessen. Die Disziplinarmaßnahme ist nach der Schwere des Dienstvergehens zu bemessen. Das Persönlichkeitsbild des Beamten ist angemessen zu berücksichtigen. Ferner soll berücksichtigt werden, in welchem Umfang der Beamte das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit beeinträchtigt hat.

  • Nach § 13 Abs. 2 BDG ist ein Beamter, der durch ein schweres Dienstvergehen das Vertrauen des Dienstherrn oder der Allgemeinheit endgültig verloren hat, aus dem Beamtenverhältnis zu entfernen.

Ich denke:
Es handelt sich immer um eine Einzelfallentscheidung. Man sollte deshalb genau unterscheiden6:

  • Bei sexuellen Handlungen mit Minderjährigen sollte die Entfernung aus dem Dienst die Regel sein – von der es gleichwohl Ausnahmen geben kann (wie wäre zu entscheiden, wenn z.B. eine Schülerin zur „Tatzeit“ 17 Jahre, 11 Monate und 29 Tage alt war?).

  • Eine Entfernung des Lehrers / der Lehrerin aus dem Dienst sollte bei intimen Beziehungen zwischen Erwachsenen dagegen eine Ausnahme bleiben.

Neben dem „Ansehen der Verwaltung“ muss auch das Recht einer erwachsenen Schülerin auf freie Selbstbestimmung in den Entscheidungsprozess einbezogen werden.

Gleichwohl wird sich der Lehrer / die Lehrerin, die mit einer erwachsenen Schülerin / einem erwachsenen Schüler eine sexuelle Beziehung eingeht, anderen – geringeren – Disziplinarmaßnahmen wie Verweisen, Geldbußen oder Rückstufungen ausgesetzt sehen. Es existiert nun einmal ein allgemein anerkannter, beamtenrechtlicher Wertekodex, der es verbietet, auch nur den Anschein zu erwecken, dass ein Lehrer ein bestehendes Abhängigkeitsverhältnis ausnützen könnte.

Herzlich,
Ihr Dr. Maximilian Baßlsperger


1 OVG Koblenz, vom 24.2.2012, Az.: 3 A 11426/11, ZBR 2012, 317 ff.'
2  Beschluss vom 29.12.2011, Az.: 1 Ss 213/11
3  OVG Koblenz, vom 24.2.2012, Az.: 3 A 11426/11, ZBR 2012, 320.
4 http://www.general-anzeiger-bonn.de/lokales/region/Sex-mit-Schuelern-ist-ein-Dienstvergehen-article711852.html
5 http://www.general-anzeiger-bonn.de/lokales/region/Sex-mit-Schuelern-ist-ein-Dienstvergehen-article711852.html
6 Vgl. dazu: http://www.focus.de/schule/lehrerzimmer/schuelerliebe/heikles-thema_aid_26985.html


§ 174 StGB Sexueller Missbrauch von Schutzbefohlenen lautet:

(1) Wer sexuelle Handlungen
1. an einer Person unter sechzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut ist,
2. an einer Person unter achtzehn Jahren, die ihm zur Erziehung, zur Ausbildung oder zur Betreuung in der Lebensführung anvertraut oder im Rahmen eines Dienst- oder Arbeitsverhältnisses untergeordnet ist, unter Missbrauch einer mit dem Erziehungs-, Ausbildungs-, Betreuungs-, Dienst- oder Arbeitsverhältnis verbundenen Abhängigkeit oder
3. an seinem noch nicht achtzehn Jahre alten leiblichen oder angenommenen Kind
vornimmt oder an sich von dem Schutzbefohlenen vornehmen lässt, wird mit Freiheitsstrafe von drei Monaten bis zu fünf Jahren bestraft.

(2) Wer unter den Voraussetzungen des Absatzes 1 Nr. 1 bis 3
1. sexuelle Handlungen vor dem Schutzbefohlenen vornimmt oder
2. den Schutzbefohlenen dazu bestimmt, dass er sexuelle Handlungen vor ihm vornimmt,
um sich oder den Schutzbefohlenen hierdurch sexuell zu erregen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu drei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.

(3) Der Versuch ist strafbar.


Zur Zumessung der Disziplinarmaßnahme wird empfohlen:

  • Zängl, Bayerisches Disziplinarrecht, Art. 14 Rn. 1ff

  • Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 13, Rn. 1ff 

  • Baßlsperger, Einführung in das Beamtenrecht, Kapitel 14 (Buch) bzw. Kapitel 15 (ebook)

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