Außerdienstliche Trunkenheitsfahrt eines Beamten
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
im Straßenverkehr gelten allgemein folgende Promillegrenzen:
- 0,3 Promille:
Verhält sich ein Autofahrer durch Fahrfehler (Schlangenlinien, Überfahren einer Verkehrsampel bei „Rot“, Benutzen der falschen Straßenseite, Beschädigung anderer Fahrzeuge beim Ein- und Ausparken, etc.) auffällig, oder verursacht er einen Unfall, so kann dies bereits ab 0,3 Promille zu erheblichen rechtlichen Konsequenzen führen, wenn durch ein rechtsmedizinisches Gutachten nachgewiesen wird, dass sein Fahrfehler alkoholbedingt war.
- 0,5 Promille:
Auch ohne Fahrfehler begeht der Fahrer eine Ordnungswidrigkeit. Diese wird mit einem Bußgeld, einem Fahrverbot und Punkten in Flensburg geahndet (§ 24 a StVG).
- 1,1 Promille:
Ab 1,1 Promille gilt der Fahrer eines Kfz unwiderlegbar als fahruntüchtig (= absolute Fahruntüchtigkeit). Es wird ein Strafverfahren nach § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) eingeleitet. Hier droht eine hohe Geldstrafe oder gar eine Haftstrafe. Der Führerschein kann für bis zu 5 Jahre eingezogen werden.
- 1,6 Promille:
Wer mit 1,6 Promille und mehr ein Fahrzeug lenkt, muss sich darüber hinaus zwingend einer medizinisch-psychologischen Untersuchung (MPU) unterziehen, bevor er seine Fahrerlaubnis wieder neu erwerben kann.
Welche zusätzlichen disziplinarrechtlichen Folgen ergeben sich nun, wenn ein Beamter eine außerdienstliche Trunkenheitsfahrt begeht?
Ein rechtswidriges Verhalten im Straßenverkehr kann nach der Rechtsprechung des Bundesverwaltungsgerichts1 nur dann – gleichzeitig – eine Dienstpflichtverletzung darstellen, wenn es sich um eine „bedeutsame Pflicht“ im Straßenverkehr handelt und die Schuld des Beamten „das Durchschnittsmaß übersteigt“. Eine relevante Pflichtverletzung ist auch dann gegeben, wenn – bei sonst geringem Verschulden – erschwerende Umstände hinzutreten, welche:
-
auf ein charakterliches Fehlverhalten schließen lassen und
-
die „Schuld das Durchschnittsmaß übersteigt“.2
Ich denke:
Bei der disziplinären Ahndung eines Verhaltens im Straßenverkehr müssen nicht die straßenverkehrsrechtlichen oder strafrechtlichen, sondern die dienstrechtlichen Aspekte im Vordergrund stehen.3
Aus einem erstmaligen Verstoß gegen die 0,5 Promille–Grenze lässt sich jedenfalls nach der Rechtsprechung noch kein Persönlichkeitsmangel ableiten, der bei einem Beamten zu einer außerdienstlichen Pflichtverletzung führt.
Wie stellt sich die Rechtslage aber bei einer Fahrt mit mehr als 1,1 Promille und damit bei einem Verstoß gegen die Strafvorschrift des § 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) dar?
Nach einer langjährigen Rechtsprechung wurde ein solches Delikt als außerdienstliches Fehlverhalten gewertet, welches eine zusätzliche disziplinarrechtliche Maßnahme erforderte. Dies zeigte sich in Entscheidungen des BVerwG aus den Jahren 19684 bis zum Jahr 1997.5
Im Jahr 2000 wurde diese Rechtsprechung jedoch aufgegeben.6 Danach wird in einem (erstmaligen) Verstoß gegen § 316 StGB keine außerdienstliche Pflichtverletzung mehr gesehen. Der Grund: Weder eine erstmalige vorsätzliche, noch eine fahrlässige Trunkenheitsfahrt lässt einen (regelmäßigen) Rückschluss auf ein Fehlverhalten zu, das zu dienstrechtlichen Konsequenzen führen muss.
Daneben ist zu bedenken, dass nach § 14 BDG und den entsprechenden Vorschriften der Landesdisziplinargesetze wegen des „Doppelbestrafungsverbotes“ des Art. 103 Abs. 3 GG („Niemand darf wegen derselben Tat auf Grund der allgemeinen Strafgesetze mehrmals bestraft werden“) eine weitere Einschränkung gegeben ist:
„ Ist gegen einen Beamten im Straf- oder Bußgeldverfahren unanfechtbar eine Strafe, Geldbuße oder Ordnungsmaßnahme verhängt worden oder kann eine Tat nach § 153a Abs. 1 Satz 5 oder Abs. 2 Satz 2 der Strafprozessordnung nach der Erfüllung von Auflagen und Weisungen nicht mehr als Vergehen verfolgt werden, darf wegen desselben Sachverhalts
1. ein Verweis, eine Geldbuße oder eine Kürzung des Ruhegehalts nicht ausgesprochen werden,
2. eine Kürzung der Dienstbezüge nur ausgesprochen werden, wenn dies zusätzlich erforderlich ist, um den Beamten zur Pflichterfüllung anzuhalten.“
Ein solcher Sonderfall ist etwa dann gegeben, wenn der Beamte auch dienstlich mit dem Führen eines Kfz betraut ist oder sich wiederholt eines Alkoholvergehens im Straßenverkehr schuldig macht.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 BVerwGE 33, 58.
2 BVerwGE 33, 58.
3 So auch Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 34 BeamtStG, Rn. 207
4 BVerwGE 33, 72.
5 BVerwGE 103, 375.
6 BVerwGE 112, 19.
Zur außerdienstlichen Trunkenheitsfahrt vgl. insbesondere
-
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, § 34 BeamtStG, Rn. 206 ff
-
Zängl, BayDiszR, MatR / II Rn. 403.
Zum Verbot der Doppelbestrafung vgl. insbesondere:
-
Zängl, BayDiszR, Art. 15 BayDG, Rn. 1ff und
-
Gansen, Disziplinarrecht in Bund und Ländern, § 14 BDG, Rn. 1 ff.
§ 24a StGB (0,5 Promille-Grenze) lautet:
(1) Ordnungswidrig handelt, wer im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt, obwohl er 0,25 mg/l oder mehr Alkohol in der Atemluft oder 0,5 Promille oder mehr Alkohol im Blut oder eine Alkoholmenge im Körper hat, die zu einer solchen Atem- oder Blutalkoholkonzentration führt.
(2) Ordnungswidrig handelt, wer unter der Wirkung eines in der Anlage zu dieser Vorschrift genannten berauschenden Mittels im Straßenverkehr ein Kraftfahrzeug führt. Eine solche Wirkung liegt vor, wenn eine in dieser Anlage genannte Substanz im Blut nachgewiesen wird. Satz 1 gilt nicht, wenn die Substanz aus der bestimmungsgemäßen Einnahme eines für einen konkreten Krankheitsfall verschriebenen Arzneimittels herrührt.
(3) Ordnungswidrig handelt auch, wer die Tat fahrlässig begeht.
(4) Die Ordnungswidrigkeit kann mit einer Geldbuße bis zu dreitausend Euro geahndet werden.
(5) …..
§ 316 StGB (Trunkenheit im Verkehr) lautet:
(1) Wer im Verkehr … ein Fahrzeug führt, obwohl er infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen, wird mit Freiheitsstrafe bis zu einem Jahr oder mit Geldstrafe bestraft,…
(2) Nach Absatz 1 wird auch bestraft, wer die Tat fahrlässig begeht.
§ 315c StGB (Gefährdung des Straßenverkehrs) lautet:
(1) Wer im Straßenverkehr
1. ein Fahrzeug führt, obwohl er
a) infolge des Genusses alkoholischer Getränke oder anderer berauschender Mittel oder
b) infolge geistiger oder körperlicher Mängel nicht in der Lage ist, das Fahrzeug sicher zu führen…
und dadurch Leib oder Leben eines anderen Menschen oder fremde Sachen von bedeutendem Wert gefährdet, wird mit Freiheitsstrafe bis zu fünf Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
(2) In den Fällen des Absatzes 1 Nr. 1 ist der Versuch strafbar.
(3) Wer in den Fällen des Absatzes 1
1. die Gefahr fahrlässig verursacht oder
2. fahrlässig handelt und die Gefahr fahrlässig verursacht,
wird mit Freiheitsstrafe bis zu zwei Jahren oder mit Geldstrafe bestraft.
Der nächste Beitrag dieser Reihe erscheint nach Pfingsten am Montag, den 4. Juni.

