Bayern: Das gelobte Land mit den wenigsten Vorschriften?
Liebe Leserin, lieber Leser,
„Bayerns Stärke sind seine Menschen. Nicht der Staat schafft Zukunft, sondern die Bürgerinnen und Bürger. Diesen aktiven Bürgersinn will die Staatsregierung fördern und unterstützen – und damit das Signal setzen zum Abbau von Bürokratie und unnötigen Vorschriften. Seit dem Jahr 2003 wurden fast 50 Prozent aller bayerischen Gesetze und Verordnungen gestrichen! Bayern ist heute bundesweit das Land mit den wenigsten Gesetzen. In Bayern gibt es ein Viertel weniger Gesetze und Verordnungen als im Länderdurchschnitt. Das heißt: weniger Regelungen und eine spürbare Entlastung für Bürger und Wirtschaft“, heißt es in einer Veröffentlichung der Bayerischen Staatsregierung.1
„Die Botschaft hör´ ich wohl, allein, mir fehlt der Glaube“, sagt Goethes Faust, als er das Glas mit Gift zur Hand nimmt und so, oder zumindest so ähnlich geht es so manchem, der sich mit der neuen bayerischen Verordnung über Urlaub, Mutterschutz und Elternzeit der bayerischen Beamten (Bayerische Urlaubs- und Mutterschutzverordnung – UrlMV) vom 28. November 2017 (GVBl. S. 543) zu befassen hat.
Während man die Voraussetzungen und Rechtsfolgen früher in getrennten Verordnungen (UrlV und MuttSchV) nachlesen konnte, wurden nach dem Grundsatz „Aus zwei mach eins“ die jeweiligen Voraussetzungen des Erholungs- und Sonderurlaubs, der Elternzeit und des Mutterschutzes für Beamte/Beamtinnen nunmehr in einer einzigen Rechtsgrundlage zusammengefasst. Und schon hat man Bürokratieabbau, wie die bayerische Staatsregierung meint.
Leider ergeben sich aus dieser Vorgehensweise aber nicht nur Vorteile für den Gesetzesanwender. Während man früher etwa Tatbestände und Rechtsfolgen klar und eindeutig der MuttSchV und der UrlV entnehmen konnte, wird nunmehr ein Umweg beschritten: Zur Beantwortung einer Frage benötigt man jetzt mehrere Gesetze.
Beispiele:
1. § 19 UrlMV lautet:
Anwendung des Mutterschutzgesetzes
Auf die Beschäftigung von Beamtinnen während der Schwangerschaft, nach der Entbindung und in der Stillzeit sind die §§ 3 bis 16 des Mutterschutzgesetzes (MuSchG) entsprechend anzuwenden. § 28 Abs. 1 und § 29 Abs. 3 Satz 2 Nr. 1 und 8 sowie Satz 3 MuSchG sind entsprechend anzuwenden mit der Maßgabe, dass an die Stelle der Aufsichtsbehörde die oberste Dienstbehörde tritt. Diese kann ihre Befugnis auf nachgeordnete Behörden übertragen.
2. § 23 Abs. 1 UrlMV lautet wiederum:
Anspruch, Teilzeitbeschäftigung
Beamte haben Anspruch auf Elternzeit ohne Dienst- und Anwärterbezüge in entsprechender Anwendung des § 15 Abs. 1 bis 3 des Bundeselterngeld- und Elternzeitgesetzes (BEEG).
Um sich Klarheit zu einem Problem zu verschaffen, benötigt man jetzt also neben der UrlMV auch noch das jeweilige Bundesgesetz. Verwaltungsvereinfachung im Sinne des Bürgers sieht aber nach hier vertretener Ansicht anders aus. Zusammenfassung von Gesetzen und Verweise auf andere Bestimmungen führen eben nicht vordringlich zur Anwenderfreundlichkeit, sondern sie dienen in erster Linie der Verwirklichung des selbstgesteckten Zieles des (vermeintlichen) Bürokratieabbaus.
Genauso wenig trägt die neue bayerische Vorgehensweise beim Erlass neuer Bestimmungen zur Vereinfachung bei: Während man früher am Anfang jedes Gesetzes und jeder Verordnung eine Inhaltsübersicht fand, die dem Leser das Auffinden von Bestimmungen erleichterte, findet man diese in neuen Gesetzen nicht mehr. Solche – äußerst sinnvollen – Übersichten werden sogar bei der bloßen Änderung oder Ergänzung bestehender Regelungen gestrichen (siehe als Beispiel etwa die Verordnung zur Änderung der Ausbildungs- und Prüfungsordnung für Juristen vom 30.1.2018, GVBl. S. 38).
Hier handelt es sich de facto um eine gesetzgeberische „Hyperaktivität“ und einer Pervertierung des Grundsatzes der Verwaltungsvereinfachung.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 http://www.bayern.de/politik/initiativen/buerokratieabbau-und-deregulierung/
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:
Näheres zur UrlMV finden sie bei
Weiß/Niedermaier/Summer, Art. 99 BayBG Rn. 1 ff.

