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Betriebliches Eingliederungsmanagement nach § 167 Abs. 2 SGB IX

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Die dienstliche Leistungsfähigkeit der Beamten hängt nicht zuletzt von deren Gesundheit ab. Aus dienstrechtlicher Sicht stellt sich die Frage, was vorbeugend veranlasst werden kann, um eine gesundheitliche Beeinträchtigung und deren Auswirkungen auf die dienstliche Leistungsfähigkeit zu vermeiden und was bei einer bereits eingetretenen gesundheitlichen Beeinträchtigung zu veranlassen ist, damit die volle dienstliche Leistungsfähigkeit wieder erreicht wird. Nach dem BTHG findet sich die Regelung des „BEM“ nunmehr in § 167 Abs. 2 SGB IX.

Liebe Leserin, lieber Leser,

die Versetzung in den Ruhestand wegen Dienstunfähigkeit stellt nach dem Willen des Gesetzgebers die „ultima ratio“ dar, denn selbst bei einer bereits vorliegenden Dienstunfähigkeit muss nach §§ 26/27 BeamtStG bzw. §§ 44/45 BBG vom Dienstherrn geprüft werden, ob der Beamte nicht noch in irgendeiner Weise dem Dienstleistungsprozess erhalten werden kann. Die vordringliche Aufgabe von Dienstherrn und Beamten besteht allerdings darin, eine drohende Dienstunfähigkeit schon im Vorfeld zu vermeiden. Ein wichtiges Mittel zur Wiederherstellung der (vollen) Dienstfähigkeit bildet das Betriebliche Eingliederungsmanagement.

§ 167 Abs. 2 SGB IX (bis 1.1.2018: § 84 Abs. 2 SGB IX) begründet insofern eine Initiativpflicht des Dienstherrn zur Hilfestellung bei krankheitsbedingten betrieblichen Komplikationen und bezieht sich nicht nur auf schwerbehinderte Beschäftigte. Danach hat der Dienstherr nach einer längeren krankheitsbedingten Abwesenheit des Beamten mit der zuständigen Personalvertretung (§ 176 SGB IX) und mit seiner Zustimmung die Möglichkeiten zu klären, wie die Arbeitsunfähigkeit möglichst überwunden und mit welchen Leistungen oder Hilfen erneuter Arbeitsunfähigkeit vorgebeugt werden kann.

Dabei bestehen einige wesentliche Grundsätze, die es zu beachten gilt:

  • Schon aus dem Sinn und Zweck des „BEM“ ist ein solches Verfahren erst gar nicht erforderlich, wenn die Dienstunfähigkeit bereits fest­steht. In diesem Fall ist eine „Wieder“-eingliederung“ schon begrifflich ausgeschlossen.

  • Auch bei Beamten auf Widerruf und auf Probe ist ein „BEM“ durchzuführen, denn bei diesem Verfahren wird nicht nach der Art des Beamtenverhältnisses differenziert.

  • Für teilzeitbeschäftigte Beamte ist die Durchführung eines „BEM“ ebenfalls veranlasst, denn § 167 Abs. 2 SGB IX unterscheidet nicht nach dem Umfang der Dienstleistungspflicht.

  • Weiterhin ist darauf hinzuweisen, dass ein „BEM“ erforderlich ist, wenn der Beschäftigte sechs Wochen „ununterbrochen oder wiederholt arbeitsunfähig erkrankt war“. Maßgeblich ist dabei nicht das Kalenderjahr (1.1.-31.12.), sondern der erste in den Zeitraum von sechs Wochen fallende Krankheitstag. Bei einer 5-Tage-Woche ergibt sich eine maßgebliche Abwesenheitsdauer von 6 x 5 = 30 Arbeitstagen. Bei einer Teilzeitbeschäftigung kann, wenn die Arbeitszeit nach Stunden berechnet wird, eine entsprechende Berechnung vorgenommen werden. Andernfalls ergeben sich zuverlässige Anhaltspunkte aus der Anwendung der Vorschriften des Urlaubsrechts. Ist ein Beamter beispielsweise mit 2½ Tagen pro Woche teilzeitbeschäftigt, so arbeitet er de facto an drei Tagen pro Woche. Damit ergibt sich folgende Berechnung: 6 x 3 = 18 Arbeitstage.

  • Nur das Angebot des „BEM“ und die Reaktion des Beschäftigten (z.B. die Ablehnung) sind in die Personalakte aufzunehmen. Alle ande­ren Daten haben darin keinen Platz! Die zur Personalakte genommenen Gesundheitsdaten sind vor unbefugter, zufälliger Kenntnisnahme durch Einschrän­kung des Kreises der Informationsberechtigten zu schützen1. Das allgemeine Persönlichkeits­recht (Art. 2 Abs. 1 GG) des Beamten verlangt, Da­ten über seine Gesundheit gesondert zu führen.

  • Zur sachgerechten Durchführung des „BEM“ besteht eine ganze Reihe von Veröffentli­chun­gen. Siehe etwa: Baßlsperger, Betriebliches Eingliederungsmanagement (BEM) und Beendigung von Arbeits- und Beamtenverhältnissen wegen Krankheit.

  • Nach dem Wortlaut bzw. dem Sinn und Zweck des § 167 Abs. 2 SGB IX besteht ein (klagbarer) Rechtsanspruch des Beamten auf Durchführung des „BEM“. Lehnt der Dienstherr dessen Durchführung ab, so wird sich der Beamte aber in der Regel zunächst an die für ihn zuständige Personalvertretung zur Geltendmachung seiner Ansprüche wenden. Es steht ihm frei, dieses Verfahren selbst oder über die zuständige Personalvertretung beim Dienstherrn zu beantragen.

  • § 167 Abs. 2 Satz 6 SGB IX bestimmt, dass die Personalvertretungen eine Klärung verlangen können. Nach Satz 7wacht die Personalvertretung darüber, dass der Dienstherr die ihm in Zusammenhang mit dem „BEM“ obliegenden Pflichten (ordnungsgemäß) erfüllt. Aus diesem Grunde hat der Dienststellenleiter einem vom Personalrat bestimmten Mitglied regelmäßig die Namen der Beschäftigten, denen ein „BEM“ anzubieten ist – unabhängig von deren Zustimmung – mitzuteilen.2

  • Aus § 167 Abs. 2 SGB IX ist aber nicht zu entnehmen, dass die dort vorgesehene Durchführung des Verfahrens – oder dessen Abbruch – der Anord­nung einer amtsärztlichen Untersuchung durch den Dienstherrn entgegen­stünde. Mittels dieser Untersuchung wird vielmehr erst Klarheit hinsichtlich des Gesundheits­zustandes geschaffen. Ziel des „BEM“ ist es dagegen, durch geeignete Gesundheitsprävention das Arbeits- bzw.Dienstverhältnis möglichst dauerhaft zu sichern. Das „BEM“ und das Verfahren zur Klärung der Dienstunfähigkeit des Beamten schließen sich damit nicht gegenseitig aus. Anders ausgedrückt: Die Durchführung des „BEM“ ist keine Zulässigkeitsvoraussetzung für die Ruhestandsversetzung (Beamte auf Lebenszeit) oder Entlassung (Beamte auf Probe und auf Widerruf).3

  • Ein „BEM“ ist dagegen nicht erforderlich und nach h. M. noch nicht einmal zulässig, wenn der Beamte dessen Durchführung entweder ausdrücklich abgelehnt hat oder sich einer Maßnahme, die ihm in Zusammenhang mit dem BEM angeboten wird, ohne Angabe von Gründen entzieht.4 Grund: Es gibt kein „aufgedrängtes BEM“ gegen den Willen des Beamten. Gerade in diesem Punkt besteht jedoch ein gewisser Wertungswiderspruch, denn der Beamte ist, wie im Beitrag der nächsten Woche gezeigt wird, zur Erhaltung und Wiederherstellung seiner Gesundheit verpflichtet.

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger


1 Vgl. Klaesberg, Das betriebliche Eingliederungsmanagement in der Rechtsprechung, PersR 2008, 391/392.
2 BVerwGE 144, 156; BayVGH v. 15.03.2016, Az.: 17 P 14.2689.
3 BVerwGE 150, 1 ff.
4 VG Gelsenkirchen, 25.6.2008, Az.: 1 K 3679/07.


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