Die Macht der Amtsärzte bei der Ruhestandsversetzung
Liebe Leserin, lieber Leser,
„ich glaube an keine Statistik, die ich nicht selbst gefälscht habe“, soll einst Winston Churchill gesagt haben. Das Zitat stammt aber – mit hoher Wahrscheinlichkeit – aus dem deutschen Reichspropagandaministerium, das dem britischen Premierminister unterstellte, mit falschen Zahlen zu operieren. 2
Sei es, wie es sei: Man wird Statistik als eine Hilfswissenschaft anerkennen müssen, die wesentliche Tendenzen widerspiegelt und sowohl in der Privatwirtschaft, als auch in der Politik zielführende Maßnahmen veranlassen kann oder auch muss.
Am 1. Januar 2017 gab es in den Bereichen des Bundes, der Länder und der Kommunen rund 1.249.000 Pensionärinnen und Pensionäre des öffentlichen Dienstes, was eine Steigerung von 2,6 Prozent gegenüber dem Vorjahr bedeutet.3
Äußerst interessant ist dabei auch Folgendes: Von den insgesamt rund 66.000 Neupensionären des Jahres 2016 wurden 17 % wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand versetzt. Rund 74 % der Neupensionierten schieden mit dem Erreichen einer gesetzlichen Altersgrenze aus dem aktiven Dienst aus und weitere 9 % aufgrund von „Vorruhestandsregelungen“. Hierzu wird man vor allem den einstweiligen Ruhestand bei Umbildung und Auflösung von Behörden (§ 31 BeamtStG für Landes- und Kommunalbeamte und § 55 BBG bei Bundesbeamten) zählen müssen. Die Reihe der Beamten, die wegen Dienstunfähigkeit in den Ruhestand getreten sind, stieg dabei gegenüber den Vorjahren wieder merklich an. 4
Zur Erinnerung: In den Jahren 1999 und 2000 lag die Zahl der für Dauer dienstunfähig geschriebenen Staatsdiener jeweils sogar fast doppelt so hoch wie die Zahl der Beamten, welche die reguläre Altersgrenze erreichten! Der Vorwurf damals: Amtsärzte seien bei der Bestätigung der Dienstunfähigkeit im Interesse der Beamten sehr großzügig gewesen!
Der damals noch allein zuständige Bundesgesetzgeber hat dieser Tendenz zunächst durch „Versorgungsabschläge“ entgegengewirkt und das zeigte in der Folge auch die beabsichtigte Wirkung: Die Zahl der „Vorruheständler“ ging schnell zurück. So mancher Betrachter war der Meinung, die Dienstunfähigkeit sei vorher von den Amtsärzten relativ „schnell“ bestätigt worden. Auch der in Bund und Ländern gleichermaßen geltende Grundsatz „Rehabilitation vor Versorgung“ dürfte für den Rückgang der Anzahl der „Frühpensionäre“ ebenfalls von großer Bedeutung gewesen sein: Nach §§ 26/27 BeamtSG und §§ 44/45 BBG bestehen selbst bei festgestellter Dienstunfähigkeit noch mehrere Hürden, welche dem Eintritt in den Ruhestand vorgeschaltet sind. Der Nebeneffekt: Dem Vorwurf „Dienstunfähige Beamte wird man nicht los!“ kann man nur mehr schwerlich etwas entgegensetzen.
Zudem scheitert die vom Dienstherrn beabsichtigte Ruhestandsversetzung jetzt – im Gegensatz zu der früheren Praxis – nur allzu oft bereits im Vorfeld an Amtsärzten, die nicht fähig oder willens sind, klare Aussagen zur Dienstunfähigkeit der Beamten zu treffen. Dabei darf sich das Gutachten aber nach wie vor nicht auf die bloße Mitteilung einer Diagnose und eines Entscheidungsvorschlags beschränken (Zur Schweigepflicht des Amtsarztes), sondern es muss die für die Meinungsbildung des Amtsarztes wesentlichen Entscheidungsgrundlagen erkennen lassen, damit der Dienstherr seine Entscheidung treffen kann.5
Diese führt dazu, dass Beamte oft jahrelang unter Fortbezahlung der Bezüge „mitgeschleppt“ werden, was bei den verschiedenen Dienstherren, aber gerade auch bei der Öffentlichkeit und nicht zuletzt bei den Beschäftigten des öffentlichen Dienstes – ob Angestellte oder Beamte –, die ihren Dienst und die Vertretung der „erkrankten“ Kollegen mit großer Gewissenhaftigkeit versehen, auf größtes Unverständnis stoßen muss.
Dabei wäre die Lösung des Problems selbst nach dem bestehenden Beamtenrecht so einfach:
1. Wer dienstunfähig ist, wird in den Ruhestand versetzt,
2. Dies gilt auch für denjenigen, der innerhalb von sechs Monaten mehr als drei Monate keinen Dienst getan hat, wenn keine Aussicht besteht, dass innerhalb weiterer sechs Monate die Dienstfähigkeit wieder voll hergestellt ist.
3. Wer gegen seinen Willen in den Ruhestand versetzt wird (Zwangspensionierung), dem ist die Besoldung bis zum Eintritt der Rechtskraft eines verwaltungsgerichtlichen Urteils bis zur Höhe der Versorgungsbezüge zu kürzen.
4. Wer seine Dienstunfähigkeit nur vorspiegelt, wird aus dem Dienst entfernt und verliert seinen Anspruch auf Versorgung.
Aber um dies alles mit einer für Gerichtsverfahren und der nach unserem Rechtsstaatsprinzip nötigen Sicherheit feststellen zu können, bedarf es wiederum klarer Aussagen der Amtsärzte.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Pressemitteilung Nr. 216 vom 28.06.2017.
2 http://www.zeit.de/2004/34/N-Zitat_1
3 Im Bereich des Bundes stieg die Zahl trotz des kontinuierlich abnehmenden Bestandes der ehemaligen Beamtinnen und Beamten der Deutschen Bundesbahn um insgesamt 0,4 % an, da unter anderem bei der Post eine hohe Zahl an Pensionierungen aufgrund einer Vorruhestandsregelung erfolgte. Bei den Kommunen betrug der Anstieg 3,3 %.
4 https://www.welt.de/wirtschaft/article160342829/Beamte-werden-wieder-haeufiger-dienstunfaehig.html
5 Siehe dazu auch OVG Mecklenburg-Vorpommern vom 27.2.2003, DÖD 2004, 137 ff. = ZBR 2004, 327 ff.
Lesen Sie dazu auch die Beiträge mit dem Titel:

