rehm-verlag   Online-Produkte öffnen

Blogübersicht < Blogbeitrag

Die reitende Richterin und der fischende Beamte

Die Justiz traut der Sachkunde der eigenen Richter nicht! So jedenfalls das OLG Celle, das mit Beschluss v. 27.02.2025 (Az. VG 26 L 288/24) eine Entscheidung aufgehoben hat, in welcher eine Richterin – kostensparend – bei der Entscheidung ihrer Kammer auf ihre eigene Erfahrung abgestellt hatte.

Basslsperger_100x100px_rund_min.png
6 Bewertungen

Liebe Leserin, lieber Leser,

das Landgericht Hannover (Urt. v. 04.05.2023, Az. 17 O 120/21) hat bei seiner Entscheidung in erster Instanz über die ordnungsgemäße Errichtung einer Reitanlage auf die Fachkunde eines Sachverständigen nicht vertraut und aufgrund eines sog. Augenscheins entschieden. Streitig war der Werklohnanspruch unter anderem deshalb, weil der Reitplatz vermeintlich eine unzureichende Sandqualität aufwies und aufgrund dieses potentiellen Mangels die Abnahme (§ 640 BGB) des Reitplatzes vom Auftraggeber verweigert wurde.

Das Gericht  ist der Einschätzung des Sachverständigen, der einen Mangel festgestellt hatte, nicht gefolgt. Es testete die Anlage mit Hilfe der 41-jährigen Reiterfahrung der Kammervorsitzenden selbst und kam zum Schluss: Die Baumaßnahme weise keine Fehler auf. Der Werklohnanspruch bestehe infolgedessen sehr wohl.

„Insbesondere aufgrund des eigenen Eindrucks beim Reiten auf dem Platz ist die Zivilkammer zu dem Ergebnis gelangt, dass der Sand eine hinreichende Trittfestigkeit aufweist. Dabei konnte die Zivilkammer auf die Sachkunde der Kammervorsitzenden zurückgreifen, die seit 41 Jahren reitet, verschiedene Prüfungen absolviert hat und über verschiedene Abzeichen verfügt.“

Doch ihr Urteil hielt vor dem OLG Celle nicht stand. Die dortigen Richter sprachen ihrer Kollegin die nötige Sachkunde ab, denn diese Sachkunde sei für den Reitplatzbau – anders als möglicherweise für das Reiten von Pferden – in keiner Weise dargelegt oder ersichtlich. Es wies darauf hin, dass Erfahrung im Reiten von Pferden nicht zwangsläufig bedeute, auch Sachverstand beim Bau eines Reitplatzes zu besitzen. Wolle das Gericht – wie hier – von den Ergebnissen eines Sachverständigengutachtens abweichen, so müsse es das begründen und die Begründung müsse erkennen lassen, dass eine ausreichende Sachkunde besteht. Eine solche Sachkunde sei jedoch im konkreten Fall nicht nachgewiesen.

Blogger-Bild_mitNews.png

News Beamtenrecht

Aktuell informiert.

Bleiben Sie mit unseren regelmäßigen aktuellen Beiträgen stets auf dem Laufenden rund um das Thema Beamten- und Beihilferecht.

Was lernt nun der „gemeine Beamte“ aus dieser Entscheidung des OLG Celle?

Selbst wenn es etwa um die Genehmigung und damit um die Zulässigkeit eines neuen Fischteiches geht (Wasserqualität, ausreichende Versorgung mit Sauerstoff, Sauberkeit etc.), sollte ein Beamter, der seit Jahrzehnten selbst Teichwirtschaft als Nebenerwerbslandwirt betreibt, nicht kostengünstig auf seine eigenen Erfahrungen zurückgreifen, sondern immer einen – teuren – Sachverständigen beauftragen, um sich ja nicht der Gefahr einer Fehlentscheidung oder gar eines Dienstvergehens auszusetzen!

Fazit:
Hauptsache teuer und bürokratisch – und bloß keine Kostenersparnis für den Bürger!!!!!!!!

Quiz Beamtenrecht

Kennen Sie sich mit den Besonderheiten im Beamtenrecht aus? Wissen Sie beispielsweise, was passiert, wenn ein verbeamteter Mitarbeiter unterhälftige Teilzeitbeschäftigung begehrt?

Diese und weitere Fragen können Sie in unseren Online-Quizzen lösen. Testen Sie jetzt Ihr Wissen!

18852-HJR-Website-Bebilderung-quiz-icon-freigestellt.png

Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger

18469-HJR-Website2023-04-RZ-Newsletter.webp

Beste Antworten.

Newsletter Beamtenrecht

Seien Sie zu den beiden Themen Beamtenrecht und Beihilferecht immer informiert und auf den neuesten Stand. Mit Inhalten aus unseren Blogs, Newsbeiträgen und aktuellen Produkten aus dem rehm-Shop.

Sie sind nicht eingeloggt
Bitte benachrichtigen Sie mich bei neuen Kommentaren.
Ihr Kommentar erscheint unter Verwendung Ihres Namens. Weitere Einzelheiten zur Speicherung und Nutzung Ihrer Daten finden Sie in unserer Datenschutzerklärung.
2 Kommentare zu diesem Beitrag
kommentiert am 08.07.2025 um 16:46

Und was halten Sie von dem- fiktiven - Fall des "fischenden" Beamten? Denn darum geht es ja gerade bei diesem Beitrag von Dr. B.
kommentiert am 08.07.2025 um 11:11

Die Entscheidung des OLG Celle steht in Einklang mit der Rechtsprechung des BGH und des Bundesverfassungsgerichts (z.B. Beschluss vom 25. Oktober 2002, 1 BvR 2116/01, Rn. 17). Die Sachkunde eines Richters (oder Beamten) ist für ein Verfahren von großem Vorteil, weil er (oder sie) dann besser in der Lage ist, die Einschätzung von Sachverständigen nachzuvollziehen oder kritisch zu hinterfragen. Problematisch wird es erst dann, wenn man sich für "schlauer" hält als der Sachverständige. Die Entscheidung des Landgerichts ist nicht nur inhaltlich problematisch, sondern auch ausweislich der (leider nur als Zitat verfügbaren) Pressemitteilung peinlich: "Dabei konnte die Zivilkammer auf die Sachkunde der Kammervorsitzenden zurückgreifen, die seit 41 Jahren reitet, verschiedene Prüfungen absolviert hat und über verschiedene Abzeichen verfügt." Zu allem Überfluss war zusätzlich ein Foto der Vorsitzenden in Aktion auf dem streitgegenständlichen Reitplatz veröffentlicht worden. Das OLG Celle hat zu Recht festgestellt: "Soweit das Landgericht meint, hinsichtlich der Beurteilung der Trittfestigkeit des Sandes eine überwiegende Sachkunde zu haben, ist eine solche Sachkunde für den Reitplatzbau – anders als möglicherweise für das Reiten von Pferden – in keiner Weise dargelegt oder ersichtlich." Dem ist nichts hinzuzufügen. Selbstverständlich dürfen und sollen Richter und/oder Beamte auf eigene Erfahrungen zurückgreifen. Aber wenn (wirkliche) Expertise gefragt ist, muss diese eingeholt werden. Das Anmaßen von eigener (wirklicher) Sachkunde ist weder unbürokratisch noch führt es zu einer "Kostenersparnis für den Bürger"! Vielmehr hat die Korrektur solcher Selbstherrlichkeit (unnötigen) zeitlichen und finanziellen Aufwand zur Folge.
SX_LOGIN_LAYER