Ist Führungskompetenz lernbar?
Liebe Leserinnen, liebe Leser,
bereits im Rahmen der Entscheidung über die Besetzung höherwertiger Dienstposten müssen nach dem Beamtenrecht dienstliche Beurteilungen berücksichtigt werden. Bei der Vergabe von Ämtern, die mit einer Vorgesetztenfunktion verbunden sind, spielen dabei Begriffe wie „Führungserfolg“ oder „Führungspotential“, „Führungsqualifikation“ oder „Geeignetheit zur Wahrnehmung von Führungsaufgaben“ eine entscheidende Rolle.1 Die Wertung dieser Kriterien in dienstlichen Beurteilungen ist in den entsprechenden Beamtengesetzen vorgeschrieben.2 Dabei sollen folgende Aspekte Gegenstand des dienstlichen Urteils über Beamte sein3:
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Fähigkeit zur Organisation;
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Anleitung und Aufsicht (dabei sind fachliche Anleitung, Führen durch Zielvereinbarungen, kooperativer Führungsstil sowie Delegation zu berücksichtigen);
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Motivation und Förderung der Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter (hierbei sind Förderung der Selbständigkeit und Eigenverantwortung sowie Förderung der beruflichen Fortentwicklung zu berücksichtigen).
Für viele Beamte sind diese Kriterien für das berufliche Fortkommen aber nur sehr vage nachvollziehbar. Es wird – sicher sehr häufig und auch ganz zu recht – die Meinung vertreten, dass entsprechende Werturteile über Führungseigenschaften von Vorgesetzten abgegeben werden, die selbst keinerlei Führungskompetenz besitzen.
Dabei werden in den Bildungseinrichtungen der Verwaltung und natürlich auch von externen – oft selbsternannten – „Führungsspezialisten“ zahlreiche Seminare angeboten, in welchen man „Führung“ der Mitarbeiter lernen soll. Solche „Soft-Skills“ sind weiterhin Inhalt von Fortbildungsveranstaltung im Rahmen der „Modularen Qualifizierung“. Sie beinhalten neben der Darstellung verschiedener Führungsformen (autokratisch, kollegial, demokratisch usw.) auch zahlreiche Rollenspiele.
Eines von vielen mehr oder (eher) weniger sinnvollen Beispielen4 für ein solches Rollenspiel sei hier kurz erwähnt:
Ein Teilnehmer bekommt eine schwarze Tüte über den Kopf gestülpt, ein anderer Seminarteilnehmer muss ihn an der Hand nehmen und ihn 15 Minuten lang durch das Seminargebäude führen. Man soll so „Vertrauen in die Führung“ lernen, um selbst Führungsqualitäten zeigen zu können.
Bitte urteilen Sie selbst über Sinn oder Unsinn solcher Veranstaltungen.
Dabei stellt sich die Frage, ob Führungskompetenz überhaupt erlernbar ist.
Eine in der Frankfurter Allgemeinen Zeitung veröffentlichte Studie5 meint dazu klar: Führung ist gerade nicht erlernbar.
Dazu der Experte Ferdinand Rohhirsch: „Die gängigen Überlegungen zum Thema Führung zentrieren sich immer auf das Wie. Das Nächstliegende wird dabei übersehen, nämlich die Frage: Wer ist der, der führt? Führung hat immer etwas mit dem eigenen Selbst, der eigenen Persönlichkeit zu tun“.6
Ein bestimmtes Modell von Führung kann es deshalb nicht geben, sondern nur individuell entscheidende Führungspersönlichkeiten. Das hat – so der Experte – nichts mit sozialer Abstammung oder Bildungsabschluss zu tun. Richtige Führung ist damit nicht erlernbar.
Hierzu gibt es natürlich auch andere Ansichten, die aber meist gerade von solchen Stellen vertreten werden, die entsprechende Veranstaltungen anbieten.7 Außerdem besteht hier eine kaum mehr überschaubare Fülle an „einschlägiger Fachliteratur“. Dass es sich bei dem vermittelten Stoff oft um nichts anderes handelt, als um
als Wissenschaft verkauftes Allgemeinwissen,
stört allerdings weder die Teilnehmer, noch diejenigen „Führungskräfte“, welche die Teilnahme an solchen Veranstaltungen anordnen.
Ich denke:
Fachwissen und Einfühlungsvermögen sind bei einem Vorgesetzten mit nichts zu ersetzen.
Dabei handelt es sich aber um sehr individuelle – nicht durch noch so viele Seminare oder Bücher vermittelbare – Fähigkeiten.
Keinesfalls sollte in einer dienstlichen Beurteilung eine „Führungsqualität“ allein deshalb zugesprochen werden, weil der Beamte eine entsprechende Fortbildungsveranstaltung besucht hat.
Ihr
Dr. Maximilian Baßlsperger
1 Vgl. Art. 16 LlbG.
2 Vgl. Art. 58 Abs. 3 LlbG.
3 So jedenfalls in Bayern in VV-BeamtR Abschnitt 3, Ziffer 6.3 1 2. festgelegt.
4 So etwa praktiziert am Bildungszentrum des Bayerischen Sozialministeriums in Wasserburg am Inn.
5 http://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/karrieresprung-fuehrung-kann-man-nicht-lernen-191745.html
6 „Führung kann man nicht lernen“, sagt Ferdinand Rohrhirsch, Privatdozent an der Katholischen Universität Eichstätt, in der erwähnten Studie.
7 http://www.falk-richter-beratung.de/0031_fuehrungskompetenz_charisma_charismatische_fuehrung_erlernbar.htm
Zur Beurteilung von Führungseigenschaften siehe insbesondere:
Zängl in Weiß/Niedermaier/Summer/Zängl, Beamtenrecht in Bayern, Art. 58 LlbG, Rn. 21 und 26.

