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Mit Blaulicht bei Rot über die Ampel: Polizist haftet persönlich!

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„Blaulicht hat immer Vorfahrt“ – könnte man meinen. Dass diese Annahme aber nicht immer richtig ist, das zeigt eine Entscheidung des OVG Sachsen vom 28.7.2023 – Az.: 2 A 411/22 – mit fatalen Folgen für den fahrzeugführenden Polizisten.

Liebe Leserin, lieber Leser,

der Entscheidung des OVG Sachsen liegt folgender Sachverhalt zugrunde:

Am Abend verfolgte ein Polizeibeamter ein Fahrzeug mit defekter Beleuchtung unter Nutzung des Sondersignals „Blaulicht“. Im Bereich einer Kreuzung überquerte er diese bei „Rot“. Hierbei kam es zur Kollision mit einem bei „Grün“ von rechts kommenden PKW.

Es entstand bei diesem Unfall ein erheblicher Sachschaden an beiden Fahrzeugen, Personen wurden nicht verletzt.

Wegen der Beschädigung des Dienstfahrzeugs im Zusammenhang mit dem Verkehrsunfall wurde der Kläger von seinem Dienstherrn aufgrund der Haftungsvorschrift des § 48 BeamtStG wegen seines grob fahrlässigen Handelns in Höhe von 31.028 € in Anspruch genommen. Sein Widerspruch, seine Klage in erster Instanz und auch seine Berufung blieben erfolglos.

Nach § 38 Abs. 1 StVO darf das blaue Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn nur verwendet werden, wenn „höchste Eile geboten“ ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.

Sind diese Voraussetzungen gegeben, so haben alle übrigen Verkehrsteilnehmer sofort freie Bahn zu schaffen (§ 38 Abs. 2 StVO). Nach dem OVG Sachsen konnte der Beamte aber nicht davon ausgehen, allein wegen der beabsichtigten Kontrolle eines Pkw mit defekter Kennzeichenbeleuchtung und seiner zügigen Fahrweise das Sonderrecht des § 38 Abs. 1 StVO in Anspruch nehmen zu können. Dabei konnte noch nicht einmal davon ausgegangen werden, dass der Beamte seine Fahrgeschwindigkeit vor dem Einfahren in den Kreuzungsbereich deutlich gedrosselt hätte.

Nach § 35 Abs. 8 StVO darf aber auch die Polizei ihre Sonderrechte im Straßenverkehr nur unter „gebührender Berücksichtigung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung“ ausüben. Gerade hierin lag der Dienstpflichtverstoß des Beamten, der letztendlich zur persönlichen Schadensersatzpflicht führte. Hier liege – so das Gericht – ein besonderes Maß an Leichtfertigkeit – und damit ein grobes Verschulden vor.

Fazit: Blaulicht hat doch nicht immer Vorfahrt!


Ihr

Dr. Maximilian Baßlsperger


§ 48 BeamtStG lautet:
„Beamtinnen und Beamte, die vorsätzlich oder grob fahrlässig die ihnen obliegenden Pflichten verletzen, haben dem Dienstherrn, dessen Aufgaben sie wahrgenommen haben, den daraus entstehenden Schaden zu ersetzen. Haben mehrere Beamtinnen oder Beamte gemeinsam den Schaden verursacht, haften sie als Gesamtschuldner.“

§ 38 Abs. 1 StVO lautet:
„(1) Blaues Blinklicht zusammen mit dem Einsatzhorn darf nur verwendet werden, wenn höchste Eile geboten ist, um Menschenleben zu retten oder schwere gesundheitliche Schäden abzuwenden, eine Gefahr für die öffentliche Sicherheit oder Ordnung abzuwenden, flüchtige Personen zu verfolgen oder bedeutende Sachwerte zu erhalten.“

Es ordnet an:
„Alle übrigen Verkehrsteilnehmer haben sofort freie Bahn zu schaffen“.


Lesen Sie zu dem Thema „Tiere und Beamte“ auch:


Literaturhinweis:

Weiß/Niedermaier/Summer, Rn. 1ff. zu § 48 BeamtStG
Schütz/Maiwald, Beamtenrecht des Bundes und der Länder, Rn. 1ff. zu § 48 BeamtStG
v. Roetteken/Rothländer, HBR, Rn. 1ff. zu § 48 BeamtStG

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1 Kommentar zu diesem Beitrag
kommentiert am 14.11.2023 um 08:04:
Sehr interessant! Es sollte in disziplinierarrechtlicher Hinsicht auch noch mindestens ein Verweis ausgesprochen werden!
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